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Ausgabe:

1934 Nr. 8

Spalte:

146-148

Titel/Untertitel:

Oriens Christianus ; Festschrift Anton Baumstark zum sechzigsten Geburtstag am 4. August 1932 1934

Rezensent:

Strothmann, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 8.

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Mundle, Prof. Lic. Wilhelm: Der Glaubensbegriff des Paulus, j ist das wichtigste Ergebnis der exegetischen Arbeit
Eine Untersuchung z. Dogmengeschichte des ältesten Christentums. Mundles, daß er hier mit aller Energie die moderne VerLeipzig
: M. Heinsius 1932. (XVI, 187 S.) gr. 8°. RM7.50; geb. 9—. ; flüchtigung der Gnadenreligion bekämpft und aufzeigt,
In seinem Buch über ,Die religiösen Erlebnisse' daß Paulus sich allein gegen die jüdische Werkgerechtig-
(1921, 2. Aufl 1927) hat der Verfasser sich im An- ! keit, die an die Zugehörigkeit zum Judentum gebunden
Schluß an Husserl um die Erfassung der religiösen ; ist, wendet und ihr gegenüber das extra ecclesiam nulla
Wirklichkeit auf phänomenologischem Wege bemüht und salus in der Rechtfertigung aus Gnaden allein oder aus
dabei sein Augenmerk besonders auf die religiösen Ob- Glauben allein mitgesetzt findet. Trotzdem knüpft Pau-
jekte gerichtet. Ist er dabei tatsächlich auch wohl ; lus an eine jüdische Begriffsprägung an, die die Be-
Jcaum über die Möglichkeiten der religionspsycholo- griffe Religion und Glauben einander gleichsetzte. Nur
gischen Methode hinausgekommen, so zeigt doch die i daß für den Juden der Glaubensgehorsam in einer Beenergische
Betonung der religiösen Wirklichkeit in den : obachtung aller Einzelvorschriften der Thora besteht,
späteren Arbeiten Mundles gegenüber allen Konstruk- ! während für Paulus im christlichen Glauben selber die
tionen der üblichen entwicklungsgeschichtlichen („reli- | Erfüllung des Gehorsams liegt. Ebenso wenig wie die

gionsgeschichtlichen") Untersuchungen die Fruchtbarkeit
der hier eingeschlagenen Methode. Das gilt von Mündts
Untersuchung über ,Das religiöse Leben des Apostels
Paulus' (1923), in der der Verfasser sich vor allem
gegen die vielfach allzu scharfe Scheidung zwischen
hellenistischen und jüdischen Elementen im Urchristentum
wendet, und die lebendige Einheit der paulinischen
Frömmigkeit herausarbeitet. Auf diesem Grunde baut
auch die zur Besprechung vorliegende Arbeit auf, nur
daß der Verfasser heute keinen Schnitt mehr zwischen
seiner, der phänomenologischen, und der religionsgeschichtlichen
Methode machen würde. Er sieht es vielmehr
als die eigentliche Aufgabe der Religionsgeschichte
•an, phänomenologisch zu arbeiten, d. h., das religiöse
Leben in seiner Wirklichkeit zu erfassen. So will er
nicht zunächst durch Heranziehung von Parallelen die
paulinischen Aussagen zeitgeschichtlich erklären, sondern
durch scharfe exegetische Erfassung der Einzelstellen
die Eigenart des paulinischen Glaubensbegriffes bestimmen
.

Die Untersuchung der Terminologie ergibt dabei
als das Wesen des Glaubensaktes den Glaubensgehorsam
, der sittigende Erkenntnis und vertrauende Hoffnung
in sich begreift. Inhaltlich ist dieser Glaube,
durch die Botschaft von dem Gekreuzigten und Auferstandenen
bestimmt. Paulus kennt nur e i n Evangelium
, hinter dem als letzte Autorität der erhöhte
Christus steht. Es ist für ihn ebenso selbstverständlich
identisch mit dem Evangelium der Urapostel, wie
ihm das Problem des modernen Religionshistorücers
„Jesus und Paulus" unbekannt ist. Er geht von der
unbedingten Überzeugung aus, daß die Offenbarung des
geschichtlichen Jesus mit der des erhöhten Christus
absolut übereinstimmt. Dabei ist das Evangelium für
Paulus Richtschnur (Kanon) bei der Verwendung des
Alten Testaments in der christlichen Gemeinde und
gegenüber den pneumatischen Offenbarungen einzelner
Christen. Der Gehorsam gegenüber dem Evangelium ist
Gehorsam Christus, bzw. Gott gegenüber. Als Christusglaube
gewinnt ja der Gottesglaube bei Paulus seine besondere
„christliche" Prägung. Dieser Glaube ist nicht,
nur individuelle Annahme des Evangeliums, sondern
Eintritt in die Gemeinde durch Übernahme der Taufe.
Schon hier entfernt sich Mundle von modernen Durch-
schiiittsanschauungen. Noch deutlicher wird das bei
seinen Ausführungen über die Rechtfertigung aus Glauben
, die der Christ in der Taufe empfängt. In diesem
Sinne versteht Mundle, m. E. mit Recht, auch Rö. 3, 21 ff.
und von dieser Stelle aus Rö. 4, 5, wo das entsprechende
Verständnis sich allerdings weniger eindeutig herausarbeiten
läßt. Aber auch hier muß Rechtfertigung als
christlicher Glaube verstanden werden. Für Paulus gibt
es ohne sie überhaupt keinen Glauben und natürlich auch
keine Gotteserkenntnis, die also auch den Juden abgesprochen
wird. Damit ist auch die weitverbreitete Auffassung
bestritten, als ob die Rechtfertigung aus Gnaden
die Forderungen des Fürwahrhaltens einer reli-

jüdischen Parallelen vermögen die hellenistischen, unter
denen die mandäischen besonders hervorgehoben werden
, etwas Wesentliches für das Verständnis des Christusglaubens
beizutragen. Der Historiker findet sich
hier der individuellen Situation, der Einmaligkeit des
Faktums Jesus Christus gegenüber, das nicht erklärt,
sondern nur als Tatsache hingenommen werden kann.

Zu selbständigen Ergebnissen kommt der Verfasser
auch in bezug auf das Damaskuserlebnis. Nicht diese
ekstatische Einzelerfahrung, sondern die Taufe ist für
Paulus der Beginn seiner Christusgemeinschaft gewesen.
Gläubigwerden, Geistmitteilung, Eintritt in die Christusgemeinschaft
fallen also für Paulus zusammen. Durch
das sakramentale Geschehen der Taufe wird dem Christen
Tod und Auferstehung Christi zugeeignet. Dabei
kommt es für den Apostel nicht etwa auf den Bewußtseinsreflex
an, den ein solches Nacherleben hervorruft,
sondern auf den Realismus des Geschehens. So ist die
Christusgemeinschaft nicht die subjektive Seite der paulinischen
Frömmigkeit, sie wird vielmehr in der Taufe
konstituiert, die die Sündenvergebung vermittelt und die
Rechtfertigung (Gerechtmachung) verwirklicht. Rechtfertigung
und sakramentale Neuschöpfung sind also ein einziger
Akt. So „rückt freilich die Taufe in das Zentrum
des paulinischen Rechtfertigungsglaubens, ja der paulinischen
Frömmigkeit überhaupt hinein" (S. 137). Damit
ist die Einheitlichkeit und Geschlossenheit des paulinischen
Glaubensbegriffes erwiesen und es bedarf nur
noch der Darstellung des Glaubens als Christusgemeinschaft
, von der aus nun im folgenden die verschiedenen
Bezirke paulinischer Frömmigkeit betrachtet werden. Die
Untersuchung wird im ganzen positiv geführt. Der oftmals
notwendigen Auseinandersetzung dienen im allgemeinen
die Anmerkungen. Auf S. XI—XVI ist ein ausführliches
Literaturverzeichnis zum Thema gegeben.
Außerdem wird die Frage des Sterbens mit Christus in
der Auslegung der Gegenwart in einem Exkurs behandelt
, in dem sich der Verfasser mit E. Weber, J. Schneider
, R. Bultmann u. a. auseinandersetzt. So sehr dieser
Exkurs — und nicht nur er — auch den Abstand
zwischen Mundle und zahlreichen anderen Exegeten
zeigt, so wird doch die vorliegende Untersuchung von
vielen als ein bedeutsamer Schritt zu einem auf historischem
Wege gewonnenen, einheitlichen Verständnis der
paulinischen Theologie begrüßt werden.

Gießen.___Georg Bertram.

Orlens Christianus. Halbjahrshcfte f. d. Kunde des christl. Orients.
Begr. vom Priesterkollegium des Deutschen Campo Santo in Rom.
Im Auftr. d. Görresges. in Verbindg. m. A. Rücker u. O. Graf
hrsg 'v. A. Baumstark. 3. Serie, 7. Bd. (Der ganzen Reihe 29.
lahrp^ (Für d. lahr 1932.) Leipzig: O. Harrassowitz 1932. (IX, 346
S. m l Bildn. u. 4. Taf.) Lex. 8°. RM 30-.

Zum 60. Geburtstag seines Herausgebers A. Baumstark
erscheint der Oriens Christianus in einem umfangreichen
Bande. Freunde und Schüler des Jubilars
aus allen Zweigen der Wissenschaft, denen Baumstarks
Forschen galt, haben Beiträge geliefert.
Miosen Botschaft und des Anschlug | A. Allgeie^tet ^ine Kollation der synschen Evan-

Gemeinschaft ausschlösse, als ob die Erfüllung solcher geliumhandschrift Philipps 1388 der Preußischen Staats-
Forderungen als Glaubenswerk im Sinne des von Paulus bibliothek nach dem von Gwilliam herausgegebenen
bestrittenen Nomismus angesehen werden müßte. Es | Texte. Während '/« der Varianten wertlos sind, weil