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Ausgabe:

1934 Nr. 8

Spalte:

141-142

Titel/Untertitel:

Det Gamle Testamente 1934

Rezensent:

Hölscher, Gustav

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141

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 8.

142

zur Aufdeckung der Zusammenhänge. Zscheuschner vermißt
es an Ohazali, daß er unter dem christlichen Einfluß
nicht bis zur persönlichen Verantwortlichkeit durchgedrungen
sei, er habe sich vor der in ihr liegenden Idee
der Freiheit gefürchtet, während Luther deren Mißbrauch
nicht gescheut habe. Hier redet Zscheuschner zu sehr
vom 20. Jahrhundert aus. Es war ja die Zeit des 1. Kreuzzuges
, in der Ghazali lehrte, und es waren die orientalischen
Kirchen, die allein er kannte. Ich finde, was
Ghazali bietet, steht über dem, was die damalige Theologie
der orientalischen Kirchen bot, wie ja auch geistig
und kulturell die islamische Welt damals über der
christlichen stand. Während die Christenheit sich in
den Kreuzzügen erschöpfte, wurde die islamische Welt
durch sie ernstlich überhaupt nicht erschüttert. An den
berühmten Hochschulen Baghdad, Nisabur, Ispahan,
Balch und anderswo blühte ungestört das geistige Leben
und pflegte man in fester Gewißheit den Islam.
Berlin. J.Witte.

Det Qamle Testamente. Loven eller de fem Mosebaker, oversatt av
S. Michelet, Sigmund Mowinckel og N.Messel. Oslo:
G. H. Aschehoug 8t Co. 1930. (XV, 432 S.) er. 8°. Kr. 21—.

Der vorliegende Band ist der erste Teil einer neuen
wissenschaftlichen Übersetzung des Alten Testamentes,
für welche Professor S. Michelet aus dem norwegischen
Staatsbudget eine Bewilligung erhalten hat. Professor
Michelet selber hat die Genesis bearbeitet, seine Mitarbeiter
das übrige, und zwar Professor Mowinckel Ex
1_24 und 32—34, Num. 20—25 und 32—33 und Deut.
Dr. Messel Ex. 20—31 und 35—40, Lev. sowie Num'
1—19, 26—31, 34—36.

Die Übersetzung hat sich zum Ziele gesetzt, wirklich
norwegisch zu übersetzen, anstatt des Hebräisch-Norwegischen
, welches die kirchliche Bibelübersetzung beherrscht
. Damit ist gegeben, daß die Übersetzung zwar
den Sinn des Urtextes getreu und sorgsam wiedergeben,
aber nicht bloß „wörtlich", sondern im Sprachgebrauch
und Stil „frei" sein muß. Diese Aufgabe scheint mir,
auch da, wo sie zu überraschenden und den alten
Bibelleser vielleicht befremdenden Ausdrücken führt, meisterhaft
gelungen zu sein. Die norwegische Sprache,
gerade in der Gestalt ihrer neusten Entwicklung, scheint
mir zu einer solchen Wiedergabe der alten hebräischen
Texte außerordentlich geeignet zu sein. Man spürt in
den Übersetzungen auch die Einwirkung und Schulung
durch den Stil der alten nordischen Saga und ihrer wundervollen
einfachen Erzählungskunst. Schon durch die
Kürze und den Wohlklang ihrer Wörter eignet sich die
norwegische Sprache in besonderem Maße zur Wiedergabe
der biblischen Erzählungen, ohne daß, wie in
dem an sich reizvollen Heliand, eine völlige Umdichtung
und damit Entfremdung vom Urtexte einträte. Man
lese etwa nach, mit welcher Prägnanz des Ausdrucks
und mit welch echtem Sagaklang der Schöpfungsbericht
von Gen. 1 hier zu Gehör kommt, und man wird sich
an Snorre Sturlason erinnert fühlen. Auch in der Wortwahl
wirkt die alte Sprache der Saga ein, manchmal
bis zum Ungewöhnlichen. Um ein Beispiel zu nennen,
so heißt die Schlange im Paradiese nicht mehr „slange",
sondern „orm". Gen. 3,1 lautet: ormen var fulingen
blandt alle jordens dyr. Ob das einmal auch in der
norwegischen Kirche so vorgetragen werden kann, weiß
ich nicht; aber eindrucksvoll ist es.

Als Vorbilder für ihr Werk waren den Bearbeitern
im allgemeinen die deutsche Bibelübersetzung von
Kautzsch (Bertholet) und die dänische von Buhl

gegeben. Ebenso wie in diesen, wird der Text _

unabhängig von der herkömmlichen Kapiteleinteilung _

durch Überschriften, die von der Hand der Bearbeiter
geschaffen sind, in Sinnabschnitte eingeteilt. Daneben
wird die übliche Numerierung der Kapitel und Verse
vermerkt.

Was die gelehrten Zutaten anlangt, so wird, wie
in den genannten deutschen und dänischen Werken

I die Quellercherkunft der Abschnitte durch die üblichen
Sigla am Rande vermerkt. In der Urgeschichte und

' Vätergeschichte (Michelet) erscheinen die Sigla J, E,
P, (Ps), daneben gelegentlich die Bezeichnungen für

! Redaktionelles (R: Rje, Rdt, Rp), Zusätze (T: Tj,
Tje) oder unbekannte Quellen (X). Im Ganzen also
eine zurückhaltende Beschränkung auf das Wesentliche,
ohne weitere Zerlegung der Quellen (etwa J1, J-). Die
Quellenscheidung geht in den wohlbegründeten Bahnen

i der älteren kritischen Schule, ohne sich auf jüngste

; skeptische Experimente gegenüber der ganzen bisherigen
Quellenscheidung einzulassen. In den Moseerzählungen
(Mowinckel) tritt zu den genannten noch M1 (M2)
= Ex. 21,1—22,27. Bemerkenswert ist, daß Ex. 20,
1—17 zu Pg gewiesen wird. Bei den Gesetzen der
Bücher Exodus, Leviticus und Numeri (Messel) wird
die sukzessive Entstehung der Gesetzesbestimmungen
sorgsam angemerkt: Pol—10, Pr 1—9, Pf 1—3 (d. h.
Lev. 16). Im Deuteronornium (Mowinckel) wird vom
Urdeuteronomium (D) unterschieden: Da (Deut. 1—4,

( 8*, älteste Einleitung zur Gesetzgebung, vielleicht ursprünglich
zu ihr gehörig), Db (■» Deut. 4, 45—5,31*.
eine sekundäre Einleitung, vielleicht aus einer abweichenden
Ausgabe von D), Dt = das bearbeitete Gesetzbuch
(vor seiner Aufnahme in das Sagenwerk).

Die erklärenden Anmerkungen sind — im Unterschied
von den neueren Auflagen des Kautzsch'sehen
Bibelwerkes — sämtlich unter dem Strich gegeben, und
zwar zumeist eine kürzere, manchmal auch längere allgemeine
Erörterung über den betreffenden Abschnitt,
darnach Erklärungen zu den einzelnen Versen. Auf die
Fülle von Einzelfragen, zu denen hier Stellung genommen
wird, kann in einer Besprechung nicht eingegangen
werden. Die Bearbeiter haben ihre Erklärungen durchweg
so gestaltet, daß auch ein gebildeter Laie ihnen
folgen kann und mit Interesse folgen wird. Dem Forscher
geben sie natürlich durch die immer selbständige
Stellungnahme der drei Bearbeiter zu den Problemen
die reichste und wertvollste Belehrung, oftmals auch
bemerkenswerte neue Anregungen. Der Rezensent bucht
mit Befriedigung, daß seine in Deutschland bisher vielfach
scharf angefochtene Beurteilung des Deuterono-
miums mit fast allen ihren Konsequenzen anerkannt
wird, ebenso wie ja jetzt auch in der neusten Auflage
von Alfred Loisy, La religion d'Israel 1933.

Daß ein Werk, wie das hier begonnene, in unserer
Zeit möglich ist, zeigt, daß der heute in den Kreisen
des deutschen Protestantismus um sich greifende Wahn
von der Minderwertigkeit des Alten Testamentes und
die Geringschätzung seiner Bedeutung für die Christenheit
bei den nordischen Menschen keinen Boden findet.
Wir wünschen dem bedeutenden Werke einen glücklichen
Fortgang und eine gesegnete Wirkung.

Bonn. Gustav Hölscher.

Zulay, Menahem: Zur Liturgie der babylonischen Juden.

Geniza-Texte übersetzt u. bearb. sowie auf ihre Punktation hin
untersucht. Stuttgart: W. Kohlhammer 1933. (X, 90 S.) gr. 8°.=
Bonner Orientalist. Stud. Hrsg. v. P. Kahle u. W. Kirfel H. 2.

RM 7.50.

Der Titel dieser Veröffentlichung würde richtiger
heißen: Zur synagogalen Poesie der babylonischen Juden
; denn was hier an Texten geboten wird, sind Kero-
bas d. h. „aus mehreren Stücken bestehende „Kompositionen
" „deren Teile unter den (sie!) Benediktionen
der Tefilla eingeschaltet werden", eine von späterer
Hand eingefügte Joser-Dichtung, die ein Bruchstück eines
auf den Dekalog aufgebauten Josergedichtes darstellt,
und endlich eine Abschieds-, d. ti. Trostdichtung, die
wahrscheinlich als Aftara bezeichnet und mit tiberien-
sischer Punktation versehen ist. Für die Liturgie ergibt
sich nur aus dem Umstand ein neues Wissen,
daß die 3 auf die Sommersabbate, an denen die Peri-
kopen Num. 25,10; 30,2; 33,1 gelesen werden, berechneten
Dichtungen den in Babylonien üblichen ein-