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Ausgabe:

1934

Spalte:

137-140

Autor/Hrsg.:

Leeuw, Gerardus van der

Titel/Untertitel:

Phänomenologie der Religion 1934

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOHBERMIN, beide in Göttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitet v.Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN, Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ■ u«schliefilich an Professor D. BAUER in Göttingen, DÖitere Eichenweg 14, zu senden,
Rezensionsexemplare ansscbliefilich an den Verlag. Gewähr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Rezensionsexemplaren
, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, wird nicht Übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

59. JAHRGANG, NR.8 14. APRIL 1934

Spalte

Det Gamle Testamente (Hölscher)......141

G u 1 i n : Die Freude im Neuen Testament

(Strathmann)................144

Hackel: Die Trinität in der Kunst

(Eiliger)...................150

Jungmann: Die lateinischen Bußriten

(Wolf)....................148

van der Leeuw: Phänomenologie der
Religion (Merkel).............137

Müller: Die Verwirklichung des Reiches
Gottes (Seesemann)............143

Mundle: Der Glaubensbegriff des Paulus
(Bertram)..................145

Oriens Christianus (Strothmann).......146

Spalte Spalte

Walter: Hessen-Darmstadt und die katholische
Kirche in der Zeit von 1803 bis
1830 (Lerche)...............150

Zscheuschner: Mönchsideale des Islams
(Witte)...................ho

Z u 1 a y: Zur Liturgie der babylonischen Juden
(Duensing)...............142

van der Leeuw, Prof. D. Gerardus: Phänomenologie der j gäbe ist immer wieder, sich frei zu machen und zu

Religion. Tübingen: J.C.B. Mohr 1933. (XII, 669 S.) gr. 8°. = ( halten von jeder nicht-phänomenologischen Einstellung,

Neue Theolog. Grundrisse. In Verbindg. m. a. hrsg. von R. Bult- ! das hohe Out dieser Einstellung immer von neuem zu

mann, Bd. L RM 15—; geb. 17— erwerben" (652f.). Ob zwar diese völlig zu billigenden

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Als erster Band der von Rud. Bultmann-Marburg
herausgegebenen, .Neuen Theologischen Grundrisse' erschien
eine .Phänomenologie der Religion' aus der Feder
des Groninger Religionshistorikers D. G. van der
Leeuw, der schon 1925 eine kürzere .Einführung in die
Phänomenologie der Religion' für die von F. Heiler hgb.
Sammlung .Christentum und Fremdreligionen' (Verlag
E. Reinhardt/München) verfaßt hatte. Nach Chr. Meiners
(s. jetzt auch A. Ihle, ,Chr. M. und die Völkerkunde
', 1931) war es der holländische Religionsforscher
Chantepie de la Saussaye, der dem ersten Band
seines .Lehrbuchs der Religionsgeschichte' (1887) eine
Studie zur .Phänomenologie der Religion' beigegeben
hatte, die dann in der 4. Aufl. dieses Werks (1924),
hgb. v. A. Bertholet und Edv. Lehmann, unter der
Überschrift: ,Erscheinungs- und Ideenwelt der Religion'
von Edv. Lehmann bearbeitet wurde. Über Begriff und
Wesen der Phänomenologie, vor allem nach der systematischen
Seite hin, äußert sich nun v. d. Leeuw in den
unter der Überschrift ,Epilegomena' zusammengefaßten
Schlußabschnitten, wobei er die Phänomenologie als
„Rede über das Sich-Zeigende", Religion aber als „ein
Grenzerlebnis, das sich dem Blick entzieht, eine Offenbarung
, die wesensmäßig verborgen ist und bleibt",

Richtlinien von dem Verfasser selbst immer eingehalten
wurden, mag bei manchen Abschnitten, die stark theologisch
-systematisches Gepräge tragen, billig bezweifelt
werden (z. B. S. 165f.; 247f.; 440ff.;
511 ff.). „Die Geschichte der Religionsphänomenologie
ist kurz", sagt der Verfasser — gewiß sie muß kurz
sein, da, wie er selbst auf S. 655 Anm. 2 schreibt, es
als ein dringendes Bedürfnis gelten darf, daß „auch für
die anderen Gebiete der Religionsgeschichte eine Arbeit
getan würde", wie sie O. Gruppe in seiner ,Geschichte
der klassischen Mythologie und Religionsgeschichte'
(1921) „in so ausgezeichneter Weise für das klassische
Altertum geleistet hat". In einer von dem Rezensenten
bearbeiteten und demnächst erscheinenden .Geschichte
der Religionswissenschaft' wird sich zeigen lassen, daß
die phänomenologische Betrachtung der Religion bereits
mit dem Arzt C. Peucer (1580), ferner mit den
Arbeiten J. Chr. Frommann's (1675), Joh. Saubert's
(1659), besonders aber mit den Abhandlungen des holländischen
Arztes van Dale (1696 und 1700), des Zürichers
J. W. Stuckius (1697) sowie des Helmstedter
Juristen Dan. Oasen (1673, bezw. 1699) einsetzte, die
auf Grund der biblischen und klassischen Zeugnisse
die mannigfachen Erscheinungsformen der Religion wie

definiert. Um sich noch weiter Rechenschaft über die I Opfer, Gebet, Orakel etc. religionsvergleichend unterBedeutung
der Phänomenologie abzulegen, sucht er fest- | suchten.

zustellen, „was ReligionsphiTosophie nicht ist und was ] Es mag ja immer schwierig sein, das bereits greif-
ihrem Wesen in Wesen und Brauch der anderen Diszi- | bar vorhandene, ungeheuer vielgestaltige Material unter

E

linen nicht entspricht": sie ist nicht Dichtung von der i großen Gesichtspunkten restlos zusammenzufassen und

eligion, nicht Religionsgeschichte, keine Religionspsy-
chologie, keine Religionsphilosophie und keine Theologie
. Dagegen soll sie „zunächst Namen geben: Opfer,
Gebet, Heiland, Mythus usw. Sie spricht damit die Erscheinungen
an. Zweitens soll sie diese Erscheinungen
in das eigene Leben einschalten, sie methodisch erleben.
Drittens soll sie sich zur Seite hinstellen und in der
Epoche zu schauen versuchen, was sich zeigt. Viertens
versucht sie, das Geschaute zu klären, und fünftens
(alle vorigen Akte zusammenfassend) das Sich Zeigende
zu verstehen. Endlich soll sie sich mit der
chaotischen Wirklichkeit, mit den noch ungedeuteten
Zeichen, konfrontieren, und letztlich vom Verstandenen,
Zeugnis ablegen ... Von einer historischen .Entwicklung'
der Religion weiß die Phänomenologie nichts; von
einem Ursprung der Religion noch weniger. Ihre Auf-

es wäre vielleicht auch an manchen Stellen eine andere
Gruppierung wünschenswert gewesen; gleichwohl aber
ist es dem Verfasser innerhalb der fünf Hauptteile:
,Das Objekt' und ,das Subjekt der Religion'; .Objekt
und Subjekt in ihrer Wirkung aufeinander;' ,Die Welt';
,Gestalten' gelungen, die Fülle des Stoffes meisterlich zu
bewältigen. Obgleich die Literaturangaben an manchen
Stellen ergänzt werden könnten, ist es doch andererseits
sehr förderlich, daß der Verfasser die außerdeutsche
Literatur ausgiebig berücksichtigt und dadurch
den deutschen Leser auf viele wertvolle Arbeiten aufmerksam
macht, die durch den gestörten wissenschaftlichen
Konnex der Völker bei uns unbeachtet geblieben
sind. Zu den grundlegenden Entdeckungen der Religionswissenschaft
der letzten Jahrzehnte gehört die Erkenntnis
der weittragenden Bedeutung der MachtvorstelLung,
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