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Ausgabe:

1934 Nr. 7

Spalte:

123

Titel/Untertitel:

The De sacramento altaris of William of Ockham 1934

Rezensent:

Goetz, Hermann

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123

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 7.

124

1933 schrieb G. Bornkamm über „Mythos und Legende
in den apokr. Thomasakten". Ihm folgte M.
Blumenthal, Formen und Motive in den apokr. Apostelgeschichten
(Texte u. Unters. 48,1), und C. Schmidt ist
im Begriff, neugefundene Acta Pauli-Fragmente herauszugeben
. So gewinnt die Erforschung der außerbiblischen
Akten von verschiedenen Seiten aus neue Belebung
. In dieser Aussprache darf auch R. Söder verlangen
, gehört zu werden.

Güttingen. W. Bauer.

Birch, Prof. T. Bruce, Ph. D.,D. D.: The De sacramento altaris
of William of Ockham. Latin Text and English Translation. Burlington
, Jowa: The Lutheran Literary Board 1930. (XLVII, 576 S.) 8°.
Aus Vorlesungen, die Wilhelm von Ockham, der
„Vater des Nominalismus", etwa von 1320 ab als Bacca-
laureus der Theologie an der Universität Oxford hielt, ist
die vorliegende Schrift entstanden. Es kommt ihr um
dessentwillen eine besondere Bedeutung zu, weil er in ihr
Anlaß nimmt, seine wesentlichen theologischen und philosophischen
Anschauungen zu entwickeln. Die Werke
Ockhams sind schwer zugänglich, weil von ihnen noch
keine Gesamtausgabe vorhanden ist, sie vielmehr in den
verschiedensten Bibliotheken der Welt verstreut sind.
Der vorliegende lateinische Text beruht auf der Ver-
gleichung dreier Handschriften und dreier Textausgaben.
Der Herausgeber hat die beiden Oxforder Handschriften
des Balliol College und des Merton College sowie diejenige
von Rouen herangezogen und die Textausgaben
von Paris von 1490, von Straßburg von 1491 und von
Venedig von 1504 verglichen. Vorzüglich das Balliol-
Manuskript und der Straßburger Text liegen dem hier
gebotenen Wortlaut zugrunde. Über abweichende Lesarten
unterrichtet der beigegebene textkritische Apparat.

Der Herausgeber T. Bruce Birch, der die englische
Übersetzung geliefert hat, schickt ihr eine 47 Seiten umfassende
Einleitung voraus, die in gedrängter Kürze zusammenträgt
, was vor allem deutsche und englische Forscher
an Feststellungen über Ockham und seine wissenschaftliche
Bedeutung zu sagen hatten. Die vorliegende
Schrift gewinnt besonderes Interesse dadurch, daß sie
Luther stark in seiner Abendmahlsauffassung beeinflußte
. Eine Vergleichung mit Luthers „Bekenntnis vom
Abendmahl" von 1528 zeigt, wie die theoretischen
Grundlagen für Luthers Lehre von der Realpräsenz
in Ockham liegen, den er selbst „mein Meister Ockham"
oder „mein lieber Meister Ockham" nennt [der Name
stammt übrigens von dem Dorfe Ockham in der englischen
Grafschaft Surey, wo er geboren ist, das in
alten Urkunden Bocheham heißt].

Bei der Neigung unserer Zeit zu systematischen
Studien und dem stark erwachten Interesse an Luther
und seiner Theologie ist die Darbietung dieses anscheinend
einwandfreien Textes ein willkommenes Geschenk
für alle, die sich eingehender diesem Gebiet widmen
wollen. Dem Herausgeber sei für seine mühsame und
sorgfältige Arbeit gedankt. —
Dortmund. Hermann Qoetz.

H e y c k, Ed.: Luther. 2., bearb. Aufl. Bielefeld : Velhagen & Klasing
1933. (120 S. m. 63 Abb. u. 3 Faksimiles) gr. 8°. = Monographien
z. Weltgeschichte. In Verbdg. m. a. hrsg. v. E. Heyck. Bd. 29.

geb. RM 4.50.

Diese etwas lieblos gekürzte und fast um die Hälfte
der Bilder verkleinerte Neuauflage der Heyckschen Monographie
erscheint in einer Zeit, in der man auf dem
Gebiete der Lutherforschung um vieles weiter ist als
1909. H. hat mit den Ergebnissen der neuen Forschung
hier und da Tuchfühlung, so im Punkte Melanch-
thon und im Falle der Juden — vgl. jedoch Karl
Kampfmeyer und Wolfram Schulze: Luthers Tod,
die Juden und Melanchthon . . . Dresden 1933 — aber
im wesentlichen hält er sich an A. Hausraths Lutherbiographie
. Die Bilder machen einen recht antiquierten
Eindruck, neue technisch vollendete Aufnahmen sind
nicht verwertet; die Darbietung der Bilder ist ungeschickt
und nicht zeitgemäß. Die große Zeit dieser
einst sehr begehrten „Monographien zur Weltgeschichte"
scheint darnach vorüber zu sein.
Berlin._Otto Lerche.

Wiese, Benno von : L e s s i n g. Dichtung, Ästhetik, Philosophie.
Leipzig: Quelle & Meyer 1931. (XII, 172 S.) 8°. = Das Wissenschaftliche
Weltbild, hrg. v. P. Hinneberg. RM 8—; geb. 10—.
Das Buch von Wiese, fast demselben Problem gewidmet
wie Leisegangs wichtiges Werk, auf dessen Anzeige
in der ThLZ. v. 5. 11. 32 ich verweisen muß,
bietet in bedeutsamen Fragen und Gedankengängen eine
wesentliche Ergänzung zu diesem, und zwar stofflich
sowohl wie methodisch. Untersuchte Leisegang Lessing
ausschließlich auf seine Weltanschauung in ihren eigentlich
philosophischen Gründen hin (mit Einschluß der
daran angrenzenden religiösen Bezirke), so zeigt schon
der Untertitel des Wieseschen Buches, daß hier Weiteres
erfaßt werden soll. War das Ziel Leisegangs
die Feststellung von Lessings Denkform, waren Auswahl
und Aufbau seiner Untersuchung trotz des historischen
Vorgehens folglich vom Systematischen vorgegeben, so
ist die Absicht W.'s literar-historischer: Er will die
geistige Gestalt Lessings in der Verflochtenheit und
Bewegtheit ihrer Erlebnis- und Besinnungskreise erstehen
lassen, ist folglich an den geschichtlichen Schwankungen,
Cäsuren, Vorstößen und an der gesamten Breite des
Werkes beteiligter, als Leisegang nach seiner Ordnung
sich das gestatten konnte. Infolgedessen ist auch W.'s
Ergebnis ein im Historischen genaueres, im Logisch-
Systematischen aber minder geschlossenes und eindeutiges
als das Leisegangs,
i Das Buch ist aufgebaut aus einer einführenden Dar-
! legung der Auseinandersetzung des jungen Lessing mit
der von ihm vorgefundenen geistesgeschichtlichen Lage
und drei in der Hauptsache interpretierenden Kapiteln,
deren Abgrenzung der Buchtitel angibt.

Zunächst ist in genauer Betrachtung seiner Gestalten
der Weg gezeichnet, den das Lessingsche Drama geht.
Er führt von einem zuerst ungeklärten, teils emphatisch,
teils theoretisch getriebenen Freiheitswillen zu Gestalten
von immer existenzbewußterer Innerlichkeit. Die
Lessingschen Menschen kämpfen, zunächst dumpf, später
immer überlegener um die ihnen gemäße Moralität,
die zuletzt und zutiefst als Einheit von Autonomie
und Theonomie erfahren wird und eben in der subjektiven
Verinnerlichung durchaus die große ratio gewahren
läßt.

Im Kapitel „Ästhetik" werden „Laokoon" und „Hamburgische
Dramaturgie" auf ihren tieferen Gehalt hin
gedeutet. An beiden Werken zeigt W., daß Lessings
Verfahren und Haltung durchaus nicht mehr landläufig
rationalistisch ist, vielmehr einmal das Erbe Leib-
niz' fortsetzt, andererseits auf Herder, Klassik und
Romantik vordeutet. Lessing gibt schon im „Laokoon"
nicht nur der objektiven Weltordnung, was ihr gehört,
sondern auch dem einmaligen Genie bereits Beträchtliches
; durchaus nicht im Gegensatz, sondern im Sinne
prästabilierter Harmonie. Auch die Dramaturgie zeigt
Gleichgewicht und Aufeinanderzuordnung von Gesetz
und Willkür, Determination und Freiheit, Weltganzem
und geschichtlichem Menschen. Freilich, wie auch das
Ergebnis des den theologischen und philosophischen
Schriften gewidmeten letzten Kapitels beweist, nicht im
i Sinne einer völligen Identität, wie sie zuletzt bei Leise-
j gang herauskommt, sondern einer „dialektischen" Bewegung
zwischen den Polen Deismus und Pantheismus,
! im Alter mit stärkerer Hinneigung zur Vergeschicht-
! lichung des ewigen Logos und damit zur Pantheisierung
| der Welt. Im Kern aber hebt sich Lessing von Spinoza
deutlich ab, und zwar in ähnlicher Weise wie Herder
und Goethe, durch panentheistische Grundgesinnung.

Es mag offen bleiben, ob die Ergebnisse Leisegangs
und W.s einander im eigentlichen Sinne ausschließen,
1 wie sie es logisch ohne Zweifel tun, oder ob sie nicht
i vielmehr als Folge grundsätzlich verschiedener Ziel-