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Ausgabe:

1934 Nr. 6

Spalte:

111-112

Autor/Hrsg.:

Selchow, Bogislav von

Titel/Untertitel:

Der Glaube in der deutschen Ich-Zeit 1934

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Seite 1

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111

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 6.

112

Selchow, Bogislav von: Der Glaube in der deutschen Ich-
Zeit. Ein Zeitbild. Leipzig: K. F. Koehler 1933. (236 S.) 8°.

geb. RM 5.80.

B. von Selchow hat sich als Darsteller und Deuter der
Geschichte einen Namen gemacht, und hat die Art, wie im
Dritten Reich die Geschichte gesehen wird, mit heraufführen
helfen. Er unterscheidet die Vorzeit (der germanische
Mensch in seiner nordischen Heimat), die Allzeit (400
bis 1500, in der der Allglaube herrschte), die Ichzeit (Vernunft
, Selbstverantwortlichkeit, Übersteigerung des Ich)
und die jetzt beginnende Wirzeit, die den deutschen
Menschen vor völlig neue Aufgaben stelle. In dieses
große Schema bringt v. Selchow eine Fülle kleinerer
Einreihungen, Einteilungen, Maßstäbe, Linien, in die er
das Geschehen und die Persönlichkeiten einordnet. Unsere
Zeit liebt dies, und wir gestehen dem Verf. zu,
daß er vieles dadurch besser verstehen lehrt und sich
nicht gar zu grobe Vergewaltigungen um des Schemas
willen zuschulden kommen läßt. Mit den graphischen
Darstellungen, die eine Unmenge Linien ziehen, können
wir uns nicht befreunden, obwohl sogar in der „Besprechungsunterlage
" als besonderes Beispiel angeführt
ist, daß Herrn. Wirth als das letzte Hauptglied einer
Kette gefaßt ist, die über Hauer, Söderblom, Lagarde
zu Müller zurückführt, hier sich teilt und wandelt und
auf Creuzer und Sendling zurückführt, in der Hauptrichtung
jedoch über Schleiermacher und Calvin direkt
auf Luther geht.

Das vorliegende Buch ist ein Teil eines großen
Werkes, aber für sich allein verständlich. Es ist eine
Bildergalerie der religiösen Persönlichkeiten der Ichzeit
und zwar des Protestantismus, kurze prägnante Zusammenfassungen
, mit dem Versuch, möglichst viele Zusammenhänge
aufzuweisen und Entwicklungen festzustellen.
Besonders zahlreich sind darunter die Theologen. Der

I Kenner muß staunen, wie oft der Nagel auf den Kopf
getroffen ist. Dazwischen finden sich auch wieder
schiefe, ungerechte und unbegründete Behauptungen, die
wie alles andere apodiktisch vorgetragen werden, z. B.
daß die Aufklärung außer dem Theologen Bahrdt keinen
überragenden Kopf hervorgebracht habe (S. 64), daß
der Kultusminister Grimme die zersetzende Skepsis Bek-
kers durch eine gehaltene Gläubigkeit abgelöst habe
(S. 90), daß die von Söderblom mit Rührigkeit und
Vielgeschäftigkeit hervorgebrachte internationale Organi-

I sation den Völkerfrieden und die Hebung der allge-

I meinen Wohlfahrt als die zeitgemäße Aufgabe des Protestantismus
auf ihr Programm gesetzt habe (S. 116),
daß bei Johannes Müller schöne junge Mädchen als
Haustöchter ebensosehr wie religiöse Ausspracheabende

! den Anziehungspunkt bildeten (S. 124) usw. v. Selchows
Werk vermag gerade auch dem Nichttheologen einen
Eindruck von den vielfältigen religiösen Einstellungen in
der protestantischen Ichzeit zu geben, zumal auch einen
Eindruck der Zerrissenheit, für die die Auseinanderreißung

j von Gefühl, Vernunft und Willen (die v. S. etwas sche-

I matisch handhabt) ein Sinnbild ist.

Allerhand pathetische, aber nichtssagende Wendungen muß man

I bei derartigen Werken scheinbar in Kauf nehmen. Z. B.: „Kunst ist einen
Gott im Busen fühlen, der uns in Träume oder Raserei, in Schauer
oder sonnennahe Fernen reißt. Kunst ist ein Feuer, das im Herzen lodert
, ist eine Flamme, die vom Himmel weiß. Kunst ist Versenkung,

| Stille, Harmonie, ist Tasten, Fiebern, Zartheit, Leidenschaft. ... In der
Mitte zwischen unbewußt drängender Triebhaftigkeit und bewußt zweck-

j setzender Verständigkeit, zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit steht

I die Macht." (S. 15f.)

1 Heidelberg. Wilhelm Knevels.

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Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung/Leipzig

Die nächste Nummer

der ThLZ erscheint am 31. März 1934.

Verantwortlich: Prof. D.W.Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14; für den Anzeigenteil: C. Kunze, Leipzig.
Verlag der .). C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.