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Ausgabe:

1934 Nr. 6

Spalte:

109-110

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Liturgiewissenschaft ; Registerband 1921-1930 1934

Rezensent:

Schian, Martin

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109

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 6.

110

Es ist wohl nicht nur in der andersartigen religiösen
Auffassung des Ethischen begründet, wenn die Aszetik
im Protestantismus so gründlich vernachlässigt wird,
sondern in erster Linie in der kirchlichen Praxis. Daß
hier wirklich viel zu lernen ist, zeigt das Z.sche Werk.
Es ist zwar kaum originell zu nennen. Z. hat
aber mit einem unendlichen Fleiße und auf Grund
eigener ausgedehnter Erfahrungen die reiche aszetischc
Literatur der katholischen Kirche durchgearbeitet und
zu systematisieren versucht. Der erste Teil behandelt
die christliche Vollkommenheit im allgemeinen (Wesen,
Arten, Stufen der Vollkommenheit, Mittel zur Vollkommenheit
). Die Vollkommenheit besteht nach dem Verf.
in der Meidung aller freiwilligen und der möglichsten
Meidung der halbfreiwilligen Sünden sowie in der möglichsten
Vollbringung alles gebotenen und geratenen
Guten. Von besonderer Fruchtbarkeit für die protestantische
Praxis scheinen mir die Ausführungen über
die aufbauende Tätigkeit beim Vollkommenheitsstreben.
Wie sehr lassen z. B. unsere Freizeiten auch heute noch
im allgemeinen das Wissen um das innere Gebet (S.
199ff.) vermissen! Wie weit sind unsere Arbeits- und
Schulungswochen noch entfernt von der geistlichen Schulung
der Exerzitien (S. 239ff.)! Es versteht sich,
daß der Verf. dem Typus der ignatianischen Exerzitien
mit ihrer vorwiegend votuntarischen Tendenz den Vorzug
gibt.

Der zweite Teil behandelt die spezielle Aszetik. Er
ist in das vollkommene Verhalten gegen Gott, gegen
sich selbst und gegen die Mitgeschöpfe eingeteilt. Dabei
ist, gerade angesichts der heutigen Fragen, der
Abschnitt über den Gebrauch der vernunftlosen Schöpfung
, reichlich knapp ausgefallen (S. 555—557). Sehr
kurz ist auch der Anhang über die Mystik (S. 676—684),
wohl nicht nur, weil der Verf. sie für weniger wichtig
hält als die willensmäßige Schulung, sondern auch, weil
ihm hier keine unmittelbaren Erfahrungen zu Gebote
stehen.

Man wird im Einzelnen verschiedener Meinung sein
können, wie weit die Ausführungen des Verf. in die
Moraltheologie und wie weit sie in die Aszetik gehören.
Aber gerade an Z.s Werk wird einem der Wert der
grundsätzlichen Scheidung der beiden Disziplinen deutlich
. Viele Unklarheiten in der heutigen theologischen
Diskussion rühren davon her, daß wir nicht genügend
zwischen den ethischen Prinzipien und dem besten Streben
nach ihrer Verwirklichung unterscheiden. Dadurch
schwankt dann die Ethik selbst zwischen bloßen Abstraktionen
und bedenklichen Anpassungen an die
menschliche Schwäche der Zeitgenossen hin und her.
Münster i. W. Otto Piper.

Jahrbuch für Liturgiewissenschatt. Registerband zu den 10 ersten
Bänden (1921- 1930). Münster i. W.: Aschendorff 1933. (50 S.) gr. 8°.

Daß zu den bisher vorliegenden 10 Bänden des
höchst wertvollen Jahrbuchs für Liturgiewissenschaft
ein Register geschaffen ist, begrüßt jeder Benutzer.
Daß die Bearbeiterinnen — Frauen der Abtei vom Hl.
Kreuz zu Herstelle — mühsam und sorgfältige Arbeit
geleistet haben, haben mir zahlreiche Stichproben
bewiesen. Dennoch hat mich das Register einigermaßen
enttäuscht. Der leidige Gesichtspunkt der Raumersparnis
scheint stark beengend gewirkt zu haben. Verfassernamen
sind ausgeschieden; leider nicht bloß die
Namen der Verf. der besprochenen Schriften, die in
den Einzelregistern leicht zu finden sind, sondern auch
die anderer Verfasser. Genannt sind die großen Namen
der Bibel und die wichtigsten der Kirchengeschichte;
die Kirchenväter werden zitiert, sofern es sich um
Äußerungen zur Liturgie handelt. Zahlreiche andere,
freilich mehr vorübergehend erwähnte Namen blieben
fort. Auch hat sich der Grundsatz, daß jeder Gegenstand
nur unter einem Stichwort aufzuführen ist, bedenklich
ausgewirkt. Viele Gegenstände sind unter
einem „übergeordneten Begriff" genannt. Für Stunden-

! gebet ist dieser Begriff Gebet; aber Stundengebet ist
I doch auch schon ein übergeordneter Begriff! Einige
j lit. Stundengebete sind besonders genannt, andere aber
fehlen, obwohl sie im Text vorkommen. Durch sinnreiche
Abkürzungen ist viel Platz erspart; Verweisungen
dienen gleichfalls der Raumersparnis, machen aber
dem Benutzer die Sache nicht leicht. Ich denke nicht
daran, die selbstlose Arbeit der Bearbeiterinnen irgend
verkleinern zu wollen; ich bedauere nur, daß es nicht
möglich gewesen ist, ihnen mehr freie Hand zu lassen.
Sehr dankenswert bleibt auf alle Fälle, was sie geschaf-
j fen haben.

Breslau-Sibyllenort. m. Schi an.

Schaeder, Prof. D. E.: Der Pfarrer und die gegenwärtige
Lage der Theologie. Gütersloh: C. Bertelsmann 1928. (59 S.) 8°.
= Beiträge z. Förderg. christl. Theologie, hrsg. von Schlatter und
Lütgert, 32. Bd., 1. h. rm 1.80.

Ihrem dogmatischen Inhalt nach steht diese Schrift

j zwischen Schaeders größeren Arbeiten über das üeist-
problem der Theologie (1924) und über das Wort
Gottes (1930), deren Gedanken knapp und einprägsam
formulierend. Was eine besondere Beachtung verdient
, ist die praktisch-theologische Abzielung dieser
Schrift. Sie wendet sich an den Pfarrer und will ihm
die Augen öffnen für die Verbundenheit zwischen dem
geistlichen Amt und der gegenwärtigen Theologie, ihn
willig machen, sich für sein Amt von der wissenschaftlichen
Theologie dienen zu lassen. Wo heute in der
Erziehung und Haltung des deutschen Evangelischen
Pfarrers ein bewußter Neuanfang gefordert wird, hat
ein solches Wort des Mannes Anspruch gehört zu werden
, in dessen theologischer Lebensarbeit sich die vorwärtsdrängende
theologische Entwicklung des letzten
Menschenalters spiegelt wie in kaum einem andern.

Das geistliche Amt hat nach Sch. die eine entscheidende
Aufgabe, Gottes Wort in die Geschichte hineinzusprechen
. Das aber ist nicht erst durch Karl Barth
und seine Freunde, sondern in breitem Strom von Kähi-
ler und Cremer her über Schlatter und H. E. Weber
das Anliegen der gegenwärtigen Theologie, zu zeigen,
wann menschliches Wort Gotteswort ist. Mit Nachdruck
fordert Sch., daß eine theologische Unterweisung
des heutigen Pfarrers nicht irgendwie bei der Frage
nach der Gestalt, der Verfassung oder Organisation
der Kirche einsetze, sondern alle diese wichtigen Fragen
entschlossen der Wortfrage unterordne. Damit greift
Sch. unmittelbar in die gegenwärtigen Neubaufragen ein.

In großen Zügen wird die theologische Problemwage
zum Erweis der These entrollt. Die relativierende Religionswissenschaft
ist durch die Theologie des Wortes
und der Offenbarung elementar zurückgedrängt. Die
wesentliche Trennung einer Worttheologie, die von dem
Abstand zwischen Gott und dem Menschen weiß, von

I Idealismus und Mystik, die die Spannungen beseitigen
wollen, ist durchgeführt. Der Historizismus ist durch
eine gläubige Geschichtsbetrachtung abgelöst, die psy-
chologistische Erklärung des Glaubensphänomens hat
der Erkenntnis weichen müssen, daß Glaube eine Wirkung
des Heiligen Geistes ist. Die Ethik beschreitet
das Neuland einer wirklichen Socialethik; sie hat zu
zeigen, „daß es in der Glaubensgemeinde, der Kirche,
eben weil sie Gemeinde, geistgewirkter Lebensorganismus
ist, einen gemeinsamen, guten, Gott und dem Nächsten
zugewandten Dienstwillen gibt" (S. 54). Eine kräf-

I tige Eschatologie bildet Abschluß und Krönung. — Bei

I jedem einzelnen dieser Punkte werden in lebhafter Auseinandersetzung
mit Barth und Brunner dialektische
Überspitzungen und Überspannungen des theozentrischen
Gedankens abgewehrt. Klar tritt die Aufgabe einer theologischen
Unterweisung des Pfarrers heraus, die ihm sein
Amt auffassen lehrt als „Dienst des wortgeborenen
und wortgebundenen Glaubens" (S. 18).

Schwerin i. M. H. Rendtorff.