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Ausgabe:

1934 Nr. 6

Spalte:

107-108

Autor/Hrsg.:

Mahr, Franz

Titel/Untertitel:

Religion und Kultur 1934

Rezensent:

Heger, Adolf

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107

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 6.

108

ordnete Instanz bilde und daß der Wahrheitsanspruch i
der Religion lediglich mit dem Maßstab dessen zu I
messen sei, was die kritische Weltdeutung anerkennt, j
Auch darin gibt er Schopenhauer Recht, daß die rein
philosophische Erkenntnis immer nur wenigen vorbehalten
ist und daß der „Volksglaube" immer Zugeständnisse
an die Fassungskraft der Menge machen muß. [
Jeder Versuch, dem religiösen Verhalten Sonderquelc
len gültiger Einsichten zuzugestehen, müsse abgewiesen
werden. „Schopenhauers Kritik der theistischem
Annahme eines außerweltlichen Schöpfergottes und die
damit zusammenhängende Kritik des philosophischen
Pantheismus gehören zu den Glanzleistungen seiner Religionsphilosophie
."

Gegen Schopenhauer macht dann aber Hasse geltend
, daß Religion nicht Sache des Kopfes, sondern
Sache des Herzens sei, daß sie nicht intellektuellen,
sondern emotionalen Charakter habe. „Nicht in Wahrheitserkenntnis
als solcher, sondern in wertender Verarbeitung
erkannter Wahrheiten liegt also das Wesen
der Religion". Da nun aber Schopenhauer in seiner
Lehre vom Heiligen eine völlige Neuorientierung unseres
Verhaltens zur Welt geboten hat, so sucht Hasse dessen
Gedanken über Religion mit seiner Lehre vom
Heiligen zu verbinden. „So weist uns der herbe Kritiker
der historischen Religionen, tiefer gesehen, die
Wege zu einer geläuterten und überhistorischen Form
der Religion, einer Religion, bei welcher der Widerstreit
mit der Philosophie friedlichem Einvernehmen gewichen
ist. Grundverschieden von ihr nach Aufgabe
und Ziel, so verschieden wie Erkennen und Wollen^ —
wird die so geläuterte Religion doch in einer Hinsicht
mit der Philosophie übereinstimmen: auch sie wird,
in Schopenhauers unsterblichem Gleichnis gesprochen,
einem Schweizer See ähnlich zu werden trachten, welcher
bei großer Tiefe zugleich große Klarheit besitzt." — Es
bleibt die Frage, ob diese Verbindung des Religiösen
und des „Heiligen" im Sinne Schopenhauers wirklich
dessen eigentliches Religionsverständnis wiedergibt.
Schopenhauers Erklärung der Religion als Volksmetaphysik
widerspricht dieser Deutung.
Düsseldorf. Kurt K e s s e 1 e r.

Mahr, Franz: Religion und Kultur. Die neueste Kulturphilosophie
im Lichte kathol. Weltanschauung. Würzburg: C. J. Becker 1932
(XV, 120 S.) gr. 8°. = Abhandlgn. z. Philosophie u. Psychologie d
Religion. Hrsg. v. O. Wunderle. H. 29. RM 3 —

Mit tiefer Gründlichkeit untersucht der Verf. in
Auseinandersetzung mit Schleiermacher, Otto, Scheler,
Barth u. a. die Probleme, die in der Zusammenstellung
der Worte „Religion und Kultur" liegen. Durch eine
scharfsinnige Begriffsuntersuchung des Wesens der Kultur
und der Religion wird der Weg gebahnt, um eine
sachlich begründete Antwort auf die Frage nach dem
grundsätzlichen Beziehungsverhältnis von Religion und
Kultur zu geben. Deutlich wird dargelegt, daß eine
negative Stellung zur Kultur, wie sie aus den ersten
Äußerungen der Dialektischen Theologie entnommen
werden mußte, nicht dem Wesen des Christentums entspricht
. Indem der Verf. die protestantische Kritik der
katholischen Weltbeurteilung zurückzuweisen sucht, zeigt
er ausgehend von Augustin (S. 57) „die positive Wertung
der Welt in der Lehre der katholischen Kirche"
(S. 52—75). Die Welt ist Abbild Gottes. Die vom
Protestantismus der katholischen Kirche vorgehaltene
Lehre von der „doppelten Vollkommenheit" wird mit
diesen Sätzen zu entkräftigen gesucht: Der einzige
Maßstab der Vollkommenheit ist der Grad der Liebe.
Die evangelischen Räte können nur ein Mittel sein, um
zu dieser Liebe zu gelangen. (S. 77). Dennoch muß gesagt
werden, daß in vielen Erklärungen von Ordensgenossen
die Laien infolge des Nichtanwendens dieser Mittel
auf einer niederen Stufe stehend gedacht werden,
so daß eine vollkommen gleiche Wertung des Ordenslebens
mit dem Leben in der Welt nicht vorliegt
. Wenn weiter zugegeben wird, Berufsarbeit
„ist nicht ein Hindernis religiös-sittlicher Entfaltung
und Vollendung" (S. 80), so ist das protestantisch
gesehen noch zu wenig. Denn treue Berufsarbeit
und gottgehorsames Leben in der Welt muß ganz
als der Weg gelten, in dem wir getragen von Gottes
Gnade seinem Willen nachfolgen. Neben diesem Wege
bedarf es keines anderen und besonderen. Zustimmen
kann der Andersgläubige dem Satz am Schluß: „Die
Aufgabe der Kirche (— hinzugefügt: beider christlicher
Konfessionen —) ist heute die gleiche wie zu allen
Zeiten: „Christi Wort unverrückbar, aber in der Sprache
der Zeit zu verkündigen. Heilige (nicht im engen
Sinne) zu schaffen, die fähig sind, auch dieser aufgewühlten
Zeit den Stempel Christi aufzudrücken" (S.
120). v

Rüstringen-Wilhelmshaven. Adolf Heger.

Niebergall, Friedrich: Das Gesangbuch als kirchliches Bekenntnis
. Tübingen: J. C. B. Mohr 1931. (47 S.) 8°. = Sammig;
gemeinverständl. Vorträge u. Schriften a. d. Gebiet d. Theologie u.
Religionsgesch. 152. RM 1.80; in Subskript. 1.50.

Es sind 4 Gesichtspunkte, unter denen N. der Wertung
und Verwertung des Gesangbuchs als kirchlichen
Bekenntnisses das Wort redet: 1. In den Liedern des
Gesangbuchs kommen die christlichen Glaubensgedanken
in ihrem unmittelbaren Erwachsensein aus der lebendigen
Beziehung des gläubigen Menschen zu Gott und
Christus mitten in seiner wirklichen Lebensnot, Lebenssehnsucht
, Lebenshoffnung, Lebensaufgabe zum Ausdruck
. 2. Dieser Ursprung der gedanklichen Glaubensaussagen
aus dem Lebensmäßigen, Gemütmäßigen wird
dadurch besonders fühlbar, daß die Gesangbuchlieder
Lyrik sind; das Gefühl dafür wird durch die musikalische
Einkleidung des Liedes in der Melodie verstärkt.
Doch hat die Verwendbarkeit religiöser Dichtung im
Gesangbuch ihre Grenze am Charakter des Evangeliums.
3. Der Bekenntniswert der Gesangbuchlieder erhöht sich
sachlich dadurch, daß die verschiedenen Seiten und Weisen
christlich-evangelischen Glaubenslebens in ihnen in
reicher Mannigfaltigkeit zum Ausdruck kommen. 4. Zum
kirchlichen Bekenntnis eignet sich das Gesangbuch
dadurch, daß in ihm die communio fideliuin vom N.T.
bis Bernhard von Clairvaux, von Luther bis Schüler
spricht. Aus diesem Schatz ihrer Geschichte trifft die
amtliche Kirche der Gegenwart durch Aufnahme der
Lieder im Gesangbuch ihre Auswahl und zeigt dar
durch, was sie lehrt und gelehrt haben will. Dabei
hat das im Gesangbuch vorliegende kirchliche Bekenntnis
den großen Vorzug, daß es nicht invariabel ist.
Die Kirche kann stets neue Lieder aufnehmen und alte
ausmerzen, wie es dem Geist und Geschmack der Zeit
entspricht.

Diese Gedanken unterbaut N. durch eine — den
größten Teil der Schrift, S. 7—37, beanspruchende —
I Darstellung des Gedankengehalts der Lieder des Deutschen
Evangelischen Gesangbuchs unter den Überschriften
: Not, Heil, Heiland, Christenleben. Es fragt sich,
ob die hier vorgenommene gedankliche Zerstückelung
der Lieder und die Auftragung der so gewonnenen Teil-
! gedanken auf einer Fläche ohne Rücksicht auf die sachliche
und geschichtliche Sonderart der Lieder glücklich
{ ist. Ebenso ist es zweifelhaft, ob die gewählten Kategorien
, die auch zu fortwährenden Wiederholungen Anlaß
geben, sachentsprechend sind, ob nicht das Gesangbuch
selbst mit seiner Voranstellung der Festlieder
eine andere Orientierung nahegelegt hätte. —
| Kurze, feine Bemerkungen über die Verwendung des
j Gesangbuchs im Gottesdienst und Unterricht bilden
J den Abschluß der Schrift.

Halle a. S. Karl Eger.

Zimmermann, Otto, S. J.: Lehrbuch derAszetik. 2., verm. u.
verb. Aufl. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1932. (XVI, 700 S.) gr. 8".
1 = Theologische Bibliothek. RM 12.50; geb. 15—.