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Ausgabe:

1934 Nr. 5

Spalte:

89-91

Autor/Hrsg.:

Loewenich, Walther von

Titel/Untertitel:

Das Johannes-Verständnis im zweiten Jahrhundert 1934

Rezensent:

Behm, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 5.

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Israels und des Menschensohns, ganz zurück. Auch
der fünfte Abschnitt geht noch auf christologische Probleme
ein (das Verhältnis des Logos zum Menschen
Jesus, Jesus und der Geist), um dann das Amt Jesu
um Rahmen des Kampfes zwischen Licht und Finsternis
zu beschreiben. Dabei wird die Frage der Chronologie
des Lebens Jesu untersucht (der Verf. entscheidet
sich für das synoptische Todesdatum), die symbolische
Bedeutung der Wunder Jesu und das Thema
der Reden Jesu werden behandelt, die Scheidung von
Glaube und Unglaube wird erörtert. Der sechste Abschnitt
— der Weg zur Rettung — zeigt, daß der joh.
Gedanke der Offenbarung auf die paulinische Kreuzestheologie
verzichten kann, daß auf die Sakramente, Taufe
und Abendmahl zwar unter der Einwirkung der kirchlichen
Tradition Bezug genommen wird, daß sich aber
die Aneignung des „Lebens" schon im gläubigen Hören
vollzieht. Dies Leben, beschrieben als die Verbundenheit
mit Vater und Sohn, wird als innere religiöse Erfahrung,
die sich in einer neuen Lebenshaltung auswirkt, charakterisiert
. Auf Grund solcher Erfahrung kann die alte
apokalyptische Eschatologie wesentlich preisgegeben
werden; sie ist spiritualisiert.

Ein „Epilog" geht noch kurz auf die joh. Briefe
«in, die dem gleichen Verfasser wie das Evg., dem
ÄQEoßtftecos, zugeschrieben werden, und deren Grundgedanken
aus der kirchlichen Situation — Autoritätsstreitigkeiten
und gnostische Propaganda — interpretiert
werden.

Der Bericht konnte summarisch gehalten werden,
denn das Buch hat ganz wesentlich nicht den Charakter
eigener Forschung, sondern den einer resümierenden
Berichterstattung. In den Bahnen der historisch
kritischen Arbeit gibt es für gebildete Leser eine vortreffliche
Darstellung „von Ursprung und Bedeutung"
der .joh. Schriften „im Zusammenhang mit den religiösen
Bewegungen ihrer Zeit, innerhalb wie außerhalb
der alten Kirche". Wie spezifisch gelehrte Untersuchungen
fehlen, so begegnen auch nur sehr selten griechische
Wörter. Sind die Ausführungen mitunter auch recht
breit und nicht von Wiederholungen frei, so ist doch
die Darstellung lebendig und interessant. Die Behandlung
schwieriger Fragen ist sehr geschickt. So darf
das Buch als eine lehrreiche Einführung in die Probleme
der joh. Literatur bezeichnet werden.

Marburg. R- Bult mann.

Loewenich, Lic. W. von: Das Johannes-Verständnis im zweiten
Jahrhundert. Gießen: A. Töpelmann 1932. (VIII, 168 S.)
gr. 8°. = Beihefte z. Zeitschr. f. d. neutest. Wiss. u. Kunde d. ält.
Kirche hrsg. v. H. Lietzmann. 13. RM 9—.

Die von Lietzmann angeregte Arbeit, Erlanger Habilitationsschrift
, ist der 1. Teil einer geplanten Geschichte
des Joh.-Verständnisses in der alten Kirche.
Dem Verf. geht es dabei vor allem um die Auslegung
des Joh.-Ev. und der Joh.-Briefe. Das 2. Jhdt. liefert
zwar keinen reichen Ertrag für die Geschichte der Joh.-
Auslegung, aber es bezeichnet mit seinen Ansätzen zur
Joh.-Exegese die Richtung für die Folgezeit und hat
darum im Zusammenhang der hier zu erörternden Fragen
geschichtlich und grundsätzlich hervorragende Bedeutung
. Die Untersuchung ist so angelegt, daß die Literatur
des Zeitraums in zeitlicher Folge durchgeprüft
und der Beitrag jeder Gruppe, von den Apostolischen
Vätern bis Irenaeus, zum Joh.-Verständnis ermittelt
wird. Durch sorgfältige, alle einschlägigen Fragen der
Quellenkritik, der Literatur- und Dogmengeschichte berücksichtigende
Einzeluntersuchungen bahnt sich der
Verf. den Weg zu folgenden Hauptergebnissen. "Von den
Apostol. Vätern zeugen nur Didache (Kap 9/10)
Und Ignatius von näherer Berührung mit den Joh.-
Schriften, die sich bei der Didache aus gemeinsamer
lokaler und geistiger Tradition, bei Ignatius (Christusbild
, Mystik) kaum aus persönlicher Beziehung zu Joh.,
Wahrscheinlich aus literarischer Bekanntschaft, vielleicht

auch nur aus der Gleichheit der geistigen Heimat (sy-
) rische Gnosis?) erklärt. Für die Apologeten typisch
ist Justin: er bildet die joh. Logosvorstellung weiter,
nicht als Erklärer des Joh., aber dadurch, daß er den
i joh. Gedanken mit der griechisch-philosophischen Logos-
I idee fruchtbar kombiniert. Sein „idealistisches" Joh.-
I Verständnis, das von Tatian nicht geteilt wird, entfernt
| sich von dem genuineren „synkretistischen" des Ig-
i natius, macht aber das Joh.-Ev. zu einem wirksamen
j Faktor der Geistesgeschichte. Theophilus von An-
| tiochien führt als Erster den Schriftbeweis für die Logoslehre
aus Joh. Apollinaris von Hierapolis löst schon
den Widerspruch zwischen der Datierung des Todes
Jesu bei Matth, und Joh. zugunsten des Letzteren.
Das Joh.-Verständnis der — anhangsweise zu den Apologeten
gestellten — Epistola Apostolorum ist charak-
j teristisch für ihre Zeit: sie legt den Logosbegriff dem
geschichtlichen Jesus in den Mund; sie übernimmt den
„mystischen Nomismus" des Joh.; unter joh. Einfluß
hebt sie den Kreis der Apostel als „katholische" Autorität
heraus. Daß die Gnosis nicht ganz ohne inneres
und äußeres Recht Joh. für sich in Anspruch
nehmen wollte, erklärt sich aus der Entstehung des
Joh.-Ev. in der Umwelt einer gnostisch gearteten Frömmigkeit
, v. L. geht allen Spuren angeblicher und wirklicher
Beziehungen der Gnosis zu Joh. von Kerinth
bis zur Schule Valentins nach und würdigt vor allem
das Joh.-Verständnis der Valentinianer in eingehender,
auch die schwierigen Quellenprobleme behandelnder Darstellung
. Ptolemäus benutzt den Joh.-Prolog in seinem
Schriftbeweis (Brief an die Flora), er deutet in
Joh. 1,1 ff. die Ogdoas seiner Aeönenlehre ein (Irenaeus
). Die Fragmente des Herakleon zeigen einen
ernsthaften, in mancher Hinsicht dem Joh. kongenialen
Exegeten, dem es bei aller Allegorese nicht an Verständnis
für Wortsinn und ursprünglichen Zusammenhang
fehlt; daß er Joh. theologisch nicht versteht und naturhaft
kosmologisch mißdeutet, ist Folge gnostisch-
dogmatischer Voreingenommenheit. Wie hoch dennoch
die Leistung Herakleons steht, lehrt der Blick auf die
Excerpta e Theodoto, in denen wilde Allegorik herrscht.
Geringe Ausbeute für die Untersuchung geben die Joh.-
Akten des Leucius, die Petrus-, Andreas-, Paulus- und
Thomas-Akten (literarische Bekanntschaft) und die Oden
Salomos (nur geistige Verwandtschaft mit der joh. Literatur
). Auf dem Höhepunkt der Geschichte des Joh.~
Verständnisses im 2. Jhdt. steht Irenaeus. In polemischer
Absicht geschrieben, hat das Joh.-Ev. für ihn im
Kampf mit den Ketzern wegen seiner apostolischen
Herkunft und wegen seines Inhalts die Bedeutung einer
regula veritatis in Ecclesia. Irenaeus entreißt das Joh.-
Ev. den Gnostikern (geschichtliche gegen spekulative
Prolog-Deutung; aus dem Joh.-Ev. die Einheit von A.
und N.T. bewiesen, ebenso der Irrtum der valentiniani-
schen Chronologie des Lebens Jesu; aus der ganzen joh.
Literatur Schriftbeweis gegen die häretische Christologie)
und wird der Begründer des kirchlichen Joh.-Verständnisses
. Die polemische Verwertung des Joh.-Ev. ist
bei Ir. reicher als die rein thetische (hier Schriftbeweis
für die theol. Hauptgedanken des Ir.: Offenbarung
, Rekapitulation, Geist, Kirche und Ketzer). Ohne
eigentlich joh. Theologe zu sein, zeigt sich Ir. stark
vom Geiste des 4. Ev. berührt. Gegenüber der Willkür
gnostischer Joh.-Deutung sucht er als erster kirch-
j licher Theologe nach Grundsätzen exegetischer Methode
(gegen die er freilich in praxi öfter verstößt): das Ver-
j ständnis eines Schriftwortes ist aus dem Ganzen der
j Schrift zu gewinnen; die dunklen Stellen müssen von
den hellen her erklärt werden. Ir. hat durch seinen
Schriftbeweis die gnostische Joh.-Auffassung widerlegt
und das Joh.-Ev. dem kirchlich-biblischen Christentum
' erhalten.

Die Abhandlung bewältigt einen weitschichtigen,
spröden Stoff außerordentlich sauber und geschickt. Sie
i legt die Grundsätze des ältesten christlichen Joh.-Ver-