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Ausgabe:

1934 Nr. 5

Spalte:

86

Autor/Hrsg.:

Cohn, Arthur

Titel/Untertitel:

Von Israels Lehre und Leben 1934

Rezensent:

Staerk, Willy

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85

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 5.

86

Wesentlich anders dagegen liegen die Dinge für den Norden
und Süden. Das ist freilich bei Schm. deshalb nicht zu ersehen, weil
sein Grundriß des herodianischen Tempels (Abb. 11) der Korrektur bedarf
. Nicht nur ist die Tempelvorhalle bei ihm nur 65 Ellen breit statt
100, das Tempelhaus 42 statt 70 Ellen, sondern auch die Südseite der
Plattform des Tempelplatzes ist um ein beträchtliches Stück zu weit nach
Norden gerückt. Korrekt gezeichnet müßte sein Grundriß im Süden
wie im Norden ein Überschießen der Plattform um rund 20 m erkennen
lassen, was die Symmetrie der Tempelanlage im Gelände zerstören würde,
wenn nicht im Süden und Norden sowohl des inneren wie des Frauen-
vorhofs Torgebäude gestanden haben. Reicht die Plattform des Tempelplatzes
bis in die herod. Zeit zurück, dann ergibt der topographische
Befund: Torhallen im Norden und Süden, nicht dagegen im Osten.

III. Hindert demnach kein zwingender Gegengrund
die Ansetzung des Allerheiligsten auf dem heiligen Felsen
, so kann nun der Vf. vor allem das ganze Schwergewicht
der Überlieferung bis zum Jahre 1849 zu
Gunsten seiner Lösung in die Wagschale werfen. Daß
die Nachrichten über den salomonischen Tempel (1. Reg.
6,2 ff.; s. o.), die erst unlängst Galling, Alt und
Möhlenbrink zu der Annahme führten, das Aller-
heiligste dieses Tempels habe auf einem 2l/2 m hohem
Podium gestanden, ihre Bestätigung finden — das 2l/2 m
hohe Podium war der heilige Felsen (S. 47)! — und
daß die Tempelmaße von Hes. 40 f. ebenfalls die Ansetzung
des Allerheiligsten über dem heiligen Felsen
wahrscheinlich machen, gibt der Debir-These eine letzte
wichtige Bestätigung. Daß sie überdies alle innere Wahrscheinlichkeit
für sich hat, ist unbestreitbar.

In Summa: man kann den Verf. dazu beglückwünschen
, daß er ein zentrales Problem der biblischen Archäologie
überzeugend gelöst hat. Auch für die religionsgeschichtliche
Forschung ist das Ergebnis von weittragender
Bedeutung: das Allerheiligste lag auf dem
heiligen Felsen.

Greifswald. Joachim J erem i as.

Barnes, Prof. W. E., D. D.: The Psalms. With Introduction and
Notes. Vol. I: Introduction: Psalms I—XLI. Vol. II: Psalms XLII-
CL. London: Methuen & Co. 1931. (XXXII, 698 S.). geb. 42 sh.
Diese Psalmenerklärung ist für englische Leser bestimmt
, die nicht fachwissenschaftliche Arbeit erwarten
, sondern eine dem Laien verständliche Einführung
in die Schriften der Bibel. Das Ziel ist „to interpret
the meaning of each book in the bible in the light of
modern knowledge to English readers", wie die Herausgeber
in Abgrenzung ihrer Westminster Commentaries
gegen die drei großen englischen Unternehmungen, International
Critical Comm., Expositors Bible und Cambridge
Bible sagen.

Die Grundhaltung ist gemäßigter Kritizismus im
Verein mit dogmatischer Rücksicht, „a hearty accep-
tanee of critical principles loyalty to the Catholic-
faith".

Die 80 Seiten Einleitung sagen dem Leser alles Wissenswerte
über das Psalmenbuch und seine Entstehung,
über die literarischen und poetischen Formen und über
die Frömmigkeit, die sich in den Liedern ausspricht.
Ein besonderes Anliegen des Vf. ist die Auseinandersetzung
mit der Kollektivtheorie und mit Mowinckels
Ansicht von den poale awen und dem sog. Thronbesteigungsfest
. Vf. steht allem dem sehr skeptisch gegenüber
und mit Recht. Die Erklärung der einzelnen
Lieder wird durch eine Analyse des Inhalts eingeleitet;
die Sinnabschnitte sind durch Stichworte nach dem vorherrschenden
Gedanken gekennzeichnet. Die spezielle
Exegese beschränkt sich auf Verdeutlichung der
jeweils vorliegenden Aussage, oft wenn nötig unter Heranziehung
des Grundtextes. Die Textkritik wird maßvoll
verwertet.

Barnes hat mit dieser Psalmenerklärung dem englischen
Bibelleser ohne Zweifel ein wertvolles Hilfsmittel
geschaffen. Man kann der unter günstigem Aspekt
eröffneten Kommentarreihe nur guten Fortgang wünschen
.

Jen^- W. Staerk.

Cohn, Rabb. Dr. Arthur: Von Israels Lehre u. Leben. Reden
u. Aufsätze. Basel: Verlag Rimon (1928). (XIII, 493 S. m. e. Titelbild
) 8°. 16 Fr.
Die Söhne des 1926 verstorbenen Rabbiners der
Basler Kehilla haben die Reden und Aufsätze ihres
Vaters, deren buchtechnische Vollendung er nicht mehr
erlebte, herausgegeben und damit dem Andenken einer
feinen religiösen Persönlichkeit bei der Gemeinde und
in der größeren Öffentlichkeit gebührende Geltung verschafft
.

In vier Teilen bietet die Sammlung 1) Predigten
und homiletische Aufsätze im Anschluß an die grollen
jüdischen Feste, 2) Beiträge zur jüdischen Kultur- und
Literaturgeschichte (Raschi, R. Ascher b. Jechiel, Chassi-
dismus, Shylok, Kontroverse mit Chamberlain, die Me-
gillath Esther jüd.-deutsch nach dem Basler Druck, vermutlich
17. Jahrh., die Elefantine-Papyri), 3) Aufsätze
zur Zeitgeschichte aus jüdischem Erleben heraus (Bekenntnis
zum religiösen Zionismus, S. 379: „Mit
der Rückkehr ins Judenland, das ist die Forderung
des Tages, muß die Rückkehr zum Judentum verbunden
sein"), und 4) ganz Persönliches (Erinnerungen
und Gedächtnisworte).

Jena. W. Staerk.

Baeck, Leo: Wege im Judentum. Aufsätze und Reden. Berlin-
Schocken Verlag 1933. (430 S.) 8°. Kart. RM 7—; geb. 8.50.

Es sind hier Reden und Aufsätze zusammengestellt,
die in der Zeit von 1917/18 bis 1932 in verschiedenen
Zeitschriften erschienen sind. Sie wollen nicht über
das Judentum handeln, sondern eine Äußerung jüdischen
Geistes zu verschiedenen Fragen der Zeit wie etwa
„Religion und Erziehung", „Philosophie und Religionsunterricht
", „Zwischen Wittenberg und Rom" usw. darstellen
, im Übrigen eine Selbstaussage des Judentums,
eine Aussage über seinen Glauben und sein Wissen
sein. Die Rhetorik dieser Auslassungen erhebt sich
vielfach zu einem Dithyrambus, der den Boden der
Wirklichkeit weit hinter sich läßt und zu nicht mehr
diskutabeln Behauptungen sich versteigt. Dazu gesellen
sich schiefe Urteile. „Luther hatte mit einem israelitischen
Grundgedanken, dem Gedanken des Priester-
tums aller Gläubigen, begonnen" S. 384. „Für das soziale
Vorwärtsstreben fehlen hier [im Luthertum] Sinn
und Teilnahme." „Der alles bevormundende Polizeistaat
ist in gerader Linie aus dem Luthertum hervorgegangen
." „Diese lutherische Staatsauffassung ist es, die
dem weltgeschichtlichen Geschehen erlegen ist. Wenn
man ihren Grundmangel sucht, er ist in dem Fehlen des
alttestamentlichen, des jüdischen Elementes zu finden."
„Im Calvinismus war, umgekehrt, das jüdische Element
immer stärker geworden." „Calvin hat hier [im
Weltkrieg] den Sieg über Luther davongetragen." Neben
solchen tragwürdigen Sätzen stehen andere, die zu denken
geben, vielleicht gar zur Korrektur bekannter Auffassungen
zwingen. Von einer jüdischen Kirche darf
nicht geredet werden. „Unsere jüdische Gemeinschaft
ist nicht zur Kirche geworden, sie ist Gemeinde in
einem besonderen Sinn, wie er nur ihr eignet, Gemeinde
des Blutes und des Geistes." Ausgezelchnet ist, was
S. 272 über das Wesen des Radikalismus ausgeführt
wird oder was S. 311 über die Botschaftsfähigkeit des
Predigers gesagt wird u. a. m. Solche Beispiele zeigen,
daß sich eine Auseinandersetzung mit den hier ausgesprochenen
Urteilen wohl lohnen kann. Der eigentliche
Wert des Buches liegt für uns außer dem Bereich
des Judentums Befindliche in dem, was ein moderner
Jude, der sich weithin in der Bildung der Zeit
umgesehen hat, heute als das Wesen des Judentums
ansieht. Er faßt das, worin das Judentum gekennzeichnet
ist, S. 253 in dem kardinalen Gebot zusammen:
„auserwählt, um den Namen Gottes auf Erden zu heiligen
" oder .... „um die Welt zum Gottesreiche zu
machen". Die Fülle der Satzungen, der Bräuche, der
Übungen erdrücken und beengen den Juden nicht, viel-