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Ausgabe:

1934 Nr. 2

Spalte:

32-35

Autor/Hrsg.:

Wehrung, Georg

Titel/Untertitel:

Geschichte und Glaube 1934

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 2.

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oder ob nicht andere Gründe für die Abweichungen
vorliegen, mag dahingestellt bleiben; auf jeden Fall
ist durch die genannte Druckeinrichtung die Frage: Ist
r Kürzung oder Z Erweiterung? anschaulich zur Überlegung
gestellt.

Weiterhin gibt der Verf. noch S. 173—335 eine ausführliche
, die kürzere Darlegung in Prefaoe und Intro-
duction teilweise wiederholende Erörterung über die
einzelnen Zeugen für Z: D und seine Korrekturen (aus
denen Clark schließt, daß die Handschrift, deren Heimat
im Osten, wahrscheinlich in Ägypten zu suchen sei
(S. LVff.), im 9. Jahrh. in den Westen kam); Verhältnis
von D und d (er betont sehr die Gräzismen in
d, der deshalb nicht viel Wert habe, außer wo D fehlt
und d gegen r steht; von den Latinismen in D ist zu
wenig die Rede!). Unter den griech. Zeugen erscheint
neben E und Pap. Michigan 1571 (P38; den neuen Pap.
Ital. 1165, Pia konnte er noch im Anhang als wertvolle
Ergänzung behandeln) auch der c. Tn. = oodex
Thomae: so bezeichnet er die unbekannte griechische
Handschrift, aus der Thomas Harclensis im Jahr 616
seine Randlesarten geschöpft habe (=syhrog des Stuttgarter
N.T.)! Für die lateinischen Zeugen werden wertvolle
sprachstatistische Tabellen geboten und verwertet
(S. 288 ff.). Die Syrer und der Sahide (dieser ein
gemischter Text, aber hie und da enger Zusammenhang
mit D, S. 330) machen den Schluß.

Die folgenden 52 S. Notes zu einzelnen Stellen
bringen reiches und oft entlegenes Material und zeigen
die Belesenheit des Verfassers (z. B. zu Barsuma
13,6—8; knxä und sein Zahlzeichen 19,14; zu 20,4
Aovpsoio; wird nicht nur das Konzil von Chalcedon,
sondern auch die griechische Generalstabskarte angeführt
). Im Anfang bespricht er noch einige weitere Fragen
: Abfassungszeit der Apg. (vor Nero); die Namen
Aouxüc und Aowuog; und besonders (S. 393—408)
das Verhältnis des 3. Evangeliums zur Apg.: sie stammen
nach Clark nicht von dem gleichen Verfasser: Luk.
24 und Apg. 1 stimmen nicht überein; der Sprachgebrauch
ist verschieden. Freilich, ob dieser (wieder
in zahlreichen sprachstatistischen Tabellen aufgewiesene)
Unterschied nicht damit zusammenhängt, daß das Evangelium
ganz anderen, auf semitische Grundlage zurückgehenden
, ihm von andern überlieferten Stoff hat? Und
ob man über den gemeinsamen Theophilus so leicht
hinweggehen kann?

Auch sonst mag man da und dort Fragezeichen
machen. Aber auf jeden Fall kann das große, sehr
sorgfältig gedruckte und mit einer Reihe Indices abschließende
Werk zu neuem Durchdenken der Probleme
anregen.

Ulm a. D. Erwin Nestle.

Archiv für elsässische Kirchengeschichte. Im Auftrage d. Gesellschaft
f. elsässische Kirchengeschichte hrsg. v. Joseph Brauner. 8.
Jahrg. 1933. Freiburg i. Br.: Herder & Co. in Komm. 1933. (VIII,
464 S.) Lex. 8°. RM 10—.

Die „Untersuchungen zur Geschichte des Pfarrei-
Instituts im Elsaß", die Luzian Pfleger in Bd. 4, 5 und
7 dieses Archivs für katholische Kirchengeschichte des
Elsasses dargeboten hat, ergänzt der Verf. im vorliegenden
Bd. durch eine gründliche Abhandlung über die
aus dem Kirchenvermögen, dem Pfarrzehnten, den Oblationen
und den Stolgebühren fließenden Einkünfte des
Klerus. In einem Aufsatz über Sühnewallfahrten und
öffentliche Kirchenbuße weist derselbe Verf., entgegen
der bisher verbreiteten Meinung, daß dieselben im 14.
Jahrhundert allenthalben aufgehört haben, das Fortbestehen
der öffentlichen Kirchenbuße im Elsaß bis
ins 18. Jhrh. nach. — Über die noch wenig erforschte
Frage des Aufkommens des Allerseelenfestes berichtet
Medard Barth in einer auf das Elsaß sich beschränkenden
Untersuchung, daß dieses Fest im Straßburger Münster
schon im 11. Jhrh. eingeführt und im 13. Jhrh.
in der ganzen Straßburger Diözese verbreitet war. Außerdem
bringt Barth zwei biographische Skizzen, zunächst

i diejenige des Münsterpredigers und späteren Domini-

j kanermönchs Dr. Johannes Kreutzer, und sodann diejenige
des früheren Dubliner Erzbischofs und späteren

i Straßburger Weihbischofs Peter Creagh. Zur Geschichte
des Jesuitentheaters liefert Barth ausführliches Quellenmaterial
aus dem Molsheimer Kolleg aus den Jahren
1581—1765. — Quellenmaterial bringen auch Paulus
Volk mit den Statuten der Straßburger Benediktinerkongregation
vom Jahr 1624, und Joseph Brauner mit

! den in Bezug auf die damaligen Zeitereignisse und Geisteszustände
aufschlußreichen Briefen von Joseph Guer-
ber aus den Jahren 1859—1871 an den späteren Straßburger
Weihbischof Carl Marbach. — Aus drei unter den
M. S. der Colmarer Konsistonialbibliothek sich befindlichen
Predigt- und Seelsorgsbüchern des oberelsässi-
schen Priesters Konrad Dreuben schildert Florenz Land-
mann die Predigt- und Seelsorgetätigkeit eines Landpfarrers
in der Mitte des 15. Jahrh. — Zwei Beiträge
von Laurent Freyther handeln von der Lokalisierung
und der Etymologie der Basler Ottensbühl-Dekanate
und von der Deutung des Basler Liber Marcarum vom
Jahr 1441. — In einem gründlichen Aufsatz rekonstruiert
Fr. Cuny die Geschichte des Kollegiatstifts

j St. Blasien zu Saarwerden. — Schließlich sucht der
neuerdings durch die Veröffentlichung seiner zwei Bände
„Verklingende Weisen (lothringische Volkslieder)" weithin
bekannt gewordene lothringische Pfarrer Louis Pinck
durch die textliche und musikalische Wiedergabe zahlreicher
Varianten das Alter und die Verbreitung des
Odilienliedes und die Volkstümlichkeit der Odilienver-
ehrung selbst zu erschließen.

Dorlisheim (Elsass). Joh. Adam.

Wehrung, Prof. D. Dr. Georg: Geschichte und Glaube. Eine
Besinnung a. d. Grundsätze theologischen Denkens. Gütersloh: C.
Bertelsmann 1933. (VII, 482 S.) gr. 8°. RM 12—; geb. 14—.

Ein Buch, dessen Bedeutung weit über den Rahmen
des eigenen Themas hinausgreift und sich schließlich
auf alle Zweige der theologischen Arbeit erstreckt.

Die direkte Thema-Behandlung erfolgt in dem —
weitaus umfangreichsten — 8. Kapitel unter der Über-
; schritt „Glaube und Geschichte". Hier kehren also
die beiden Begriffe des Buch-Titels in der umgekehrten
Reihenfolge wieder. Dieser Wechsel der Reihenfolge
dient nicht etwa nur dem formalen Zweck der Abwechselung
(variatio delectat), sondern beruht darauf, daß
die Voranstellung des subjektiven Faktors durch Gründe
theologisch-wissenschaftlicher Methodik bedingt ist, in
sachlicher Hinsicht aber die Überordnung des objektiven
Faktors über den subjektiven keineswegs ausschließt.
Die bewußte Unterscheidung zwischen Erkenntnisord-
I nung und Sachordnung, die von K. Barth grundsätzlich
abgelehnt wird, ist also hier schon im Aufbau und in
! der Gliederung der Arbeit wirksam.

Von den dem Hauptkapitel vorangestellten sieben
! Kapiteln gilt das 1. dem „Riß in der Theologie und den
! wichtigsten Bemühungen um seine Überwindung". Es
handelt sich um das Verhältnis von historischer und
| dogmatischer Theologie zu einander, von Historie und
Dogmatik in der theologischen Arbeit. Doch spricht
W. statt von Historie — m. E. in diesem Zusammenhang
nicht ganz einwandfrei — mit der Terminologie Droy-
sen's von „Historik". Als besonders wichtige, wenn
auch unzureichende Bemühungen um Überwindung des
Risses werden aus der Vorkriegszeit Schleiermacher,
Ritsehl und Tröltsch herausgehoben. In Bezug auf
j Schleiermacher heißt es dabei, es sei heute, nachdem er
j einmal in die von der Aufklärung und dem neu aufstrebenden
Idealismus geschlagene Bresche gesprungen ist,
schwer, seine Tat ganz zu würdigen.

Das 2. Kapitel behandelt das „Geschichtliche Erkennen
und die Möglichkeit einer selbständigen Theolo»
i gie". Zwischen diesen beiden Probleimkomplexen be-
| stehe eine Wechselbeziehung. Denn die Möglichkeit
j einer selbständigen Theologie hänge davon ab, ob das
Christentum zur Selbsterkenntnis aus eigenen Mitteln