Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1934 Nr. 26

Spalte:

477-478

Autor/Hrsg.:

Feckes, Carl

Titel/Untertitel:

Das Mysterium der heiligen Kirche 1934

Rezensent:

Heger, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

477

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 26.

478

Brunner als bestehend, als „erhalten" ansieht, zur mate-
rialen imago? Kann man wirklich von ihr sagen, sie
sei ganz verloren? Man käme dann um den Begriff
des Restes doch nicht herum. Aber das ist eine untergeordnete
Frage. Die Hauptfrage ist: gibt es überhaupt
zweierlei Offenbarung und wenn ja, wie verhalten sich
beide zu einander? Brunners Antwort lautet: es gibt
zweierlei Offenbarung, die allgemeine in der Natur und
die besondere in Jesus Christus. Die erste ist für sich
allein nicht genügend. Die zweite muß hinzukommen,
wenn eine vollkommene Gotteserkenntnis entstehen soll.
Daß die Offenbarung Gottes auch Heilsoffenbarung ist,
das kann erst die zweite offenbar machen. Und auch
die erste wird eben als natürliche erst durch die zweite
hinreichend klar und gewiß. So sei das Verhältnis auch
in der Theologie der Reformatoren. Brunner führt dafür
den eingehenden historischen Beweis aus Calvin und
weist den Vorwurf Barths zurück, als wäre seine theo-
logia naturalis unreformatorisch: thomistisch und neuprotestantisch
. Sie sei nicht thomistisch-katholisch; denn
nach thomistischer Auffassung sei die theologia naturalis
ein in sich geschlossenes und durch sich gewisses
Vernunftsystem. Und sie sei nicht neuprotestantisch.
Denn der Neuprotestantismus mache die Vernunft zur
übergeordneten Instanz gegenüber der Offenbarung. Das
beides liege ihm, Brunner, fern und der doppelte Vorwurf
Barths treffe ihn nicht. Damit hat Brunner gewiß
Recht — auch wenn man die ihm und Barth gemeinsame
Interpretation des „Neuprotestantismus" nicht mitmacht
. Dagegen fragt sich, ob nicht auf einem andern
Punkt Barth Recht behält? Ist es wirklich eine Inkonsequenz
Barths, wenn er die natürliche Theologie radikal
ablehnt? Liegt es nicht vielmehr in der Konsequenz
seines Gottesbegriffs? Gott ist Nicht-weit, verneint die
Welt, richtet die Welt. Die Welt steht als solche unter
Gottes Gericht — kann sie als solche Gott offenbaren?
Kann es eine theologia naturalis geben? Es ist gewiß
nicht schwer, Inkonsequenzen Barths nachzuweisen. Aber
gerade auf diesem Punkt scheint er mir der konsequentere
zu sein. Seine Polemik gegen die natürliche Ther>
logie liegt in der Linie seiner Gesamtanschauung von
Gott und Welt. Ich könnte Brunners natürlicher Theologie
mit ihren feinsinnigen Analysen der zuständigen
Begriffe weithin zustimmen, wenn sie von dem Hintergrund
des Barth'schen Gottesbegriffs losgelöst wäre. In
dieser Bindung, wenn anders Brunner sie festhält, liegt
eine Inkonsequenz und Barth erscheint als der formell
konsequentere, weil er aus jener Bindung die allein richtige
negative Konsequenz zieht.
Tübingen._Friedrich Tra u b.

F eck es, Dr. Carl: Das Mysterium der heiligen Kirche. Dogmatische
Untersuchungen zum Wesen der Kirche. Paderborn: F.
Schöningh 1934. (222 S.) gr. 8°. RM 5—; kart. 5.80 ; geb. 6.80.
In Aufnahme und Weiterführung der Gedanken von
J. M. Scheeben erarbeitet der Verfasser eine „Grundlegung
einer Dogmatik der Kirche" (S. 15—102) und
eine Beantwortung der Frage nach „Sinn und Wesen der
Kirche" (S. 103—222). Der erste Teil bietet die Christo-
logie als Unterbau für die katholische Lehre von der
Kirche. Das Wesen der Kirche soll von innen her,
d. h. aus seinem Zusammenhang mit dem Gottmenschen
begriffen werden. So bilden „Grundlage einer Dogmatik
der Kirche — die Glaubenslehren vom Werke des Erlösers
" (S. 13). In der Christologie wird mit bewußter
Betonung die Bedeutung der Menschheitlichkeit in Christus
herausgehoben, die bei dem Ausdruck des Glaubens
an seine göttliche Wesensart leicht zu blaß gezeichnet
wird. Weil Gott in der Menschheit Jesu wirkt und sub-
stanziell in innigster Einheit mit ihr verbunden ist, deshalb
ist Jesus Ursache der Gnade, Werkzeug, Leib, Organ der
göttlichen Wirksamkeit. Die Kraft Gottes erfüllt die
Menschheit Jesu so sehr, daß Gottes Geist und Gnade
aus ihm zu andern überfließt. So ist die Menschheit Jesu
das gottverbundene und eigentümliche Instrument zur
Begnadigung. „Die hochheilige Menschheit Jesu Christi

wird damit das eine große Sakrament unseres heiligen
Glaubens, das Ursakrament des Christentums" (S. 63).
Hierauf erbaut sich die Lehre von der Kirche. Die Anlehnung
an die heilbringende Menschheit Jesu Christi
schafft zur Belebung und Begnadigung der Menschen die
sakramentale Organisation. Wer sich an Christus lehnt
und auf ihn sich stützt, steht vor der sakramentalen Orga-
; nisation. Sie soll Raum schaffen für ein erweitertes Wirken
des ewigen Hohepriesters Jesus. Das ist der Sohn der sakramentalen
Welt. „Mit dieser Sinngebung hat Christus die
Gestalt seiner Kirche geprägt. Seine Kirche stellt sich dar
I als eine sakramentale Heilsanstalt" (S. 115). Die letzte
Sinndeutung alles sichtbar-sinnlichen Getriebes der Kirche
liegt mithin darin, daß es dem erweiterten mittlerischen
Wirken des übernatürlichen Hauptes der Kirche, Christus
, dient und darin dauernd Zeugnis gibt von dem
Christozentrisehen unseres Heils. Als solche ist die
; Kirche Heilsanstalt. Dann kann die Kirche nicht als
' Selbstverwirklichung der christlichen Seele aufgefaßt wer-
[ den, wie Joseph Wittig es will. Man kann nicht von
einer Selbstverkörperung der Seele sprechen. Sowenig
die Seele einen Körper schafft, vielmehr einen Körper hat
und Wesensform eines Körpers ist, sowenig kann die
katholische Kirche als Selbstverwirklichung oder Widerbild
der katholischen Seele verstanden werden. Der
i Grundfehler Wittigs liegt zutiefst in seiner falschen
Christologie. Er bezeichnet das Neue in Christus als
Wahrhaftigkeit und Liebe, als Vollgesundheit der Seele,
| als etwas aus der Seele Herausgewachsenes. Dagegen
t muß der Katholik sagen: Das übernatürliche Leben in
Christus ist als etwas zur Natur Hinzugekommenes zu
I charakterisieren, nicht als ein Herausströmen aus seiner
eigenen menschlichen Seele, sondern als ein Hineinströ-
j men in seine Menschheit. Wer so das neue göttliche
Leben in Christus nicht einfach als etwas
aus seiner menschlichen Seele Hervorgewachsenes ver-
| steht wie bei einem religiös ergriffenen Menschen, son-
• dem als einmal von oben hineingekommen glaubt, der
I kann dann niemals in der Kirche in erster Linie die
| Folge des inneren Lebens eines Ergriffenen sehen, als
ob die Einzelseelen zunächst vom Geiste Christi erfaßt
würden, dadurch mit ihm in unsichtbare Verbindung
träten und sich dann erst notwendigerweise zu der ihnen
eigenen Form zusammenschlössen. „Kirche ist, vom
Grunddogma unseres Glaubens her gesehen, niemals
erst das Ergebnis des neuen Lebens in den Einzelseelen,
| sondern Kirche ist dann immer das erste, sie ist Heils-
; Veranstaltung Christi, die vor dem neuen Leben der Seelen
da ist, diese Seelen eben ergreifen will, oder umgekehrt
von den Seelen ergriffen werden soll. Vor der
■ vollchristlichen Seele, um in Wiltigs Ausdrücken zu spre-
l chen, ist der organisierte, von Christus vorerbaute Leib
schon da, wenigstens in seiner innersten Organisation
gesetzt. Nur so werden wir auch in der Auffassung von
der Kirche dem einmaligen positiven besonderen Ein-
1 griff Gottes und nicht zuletzt gerade dem menschlichen
, Faktor im Inkarnationsgeheimnis gerecht" (S. 137). So
bleibt es gegen alle, vom Zeitgeist abhängigen, falschen
Modernisierungen katholischer Lehre bei dem Grunde
einer rechten Wesenserfassung der Kirche, die sich aufbaut
auf dem Begriff der Heilsanstalt: „Die Kirche ist
! die vom Gottmenschen Jesus Christus gestiftete Heilsanstalt
zur Erlangung der Gotteskindschaft, deren Inhaber
durch den Dienst des Amtes den mystischen Leib
des Herrn bilden" (S. 154). Dieser Definition folgen
weitere erklärende Ergänzungen über „Baugesetze und
Wesenseigenschaften der Kirche" über den heiligen Geist
j als Seele der Kirche und über Maria als Vorbild, Mutter
und Herz der Kirche.

Die Abhandlung zeichnet sich aus durch ein lebensvolles
Zurückgehen auf die Grundgedanken des Thomas
von Aquin und durch ein Offensein für moderne Problemstellungen
, ohne die strenge katholische Haltung
zu verlieren.

Rüstringen-Wilhelmshaven. Ad. Heger.