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Ausgabe:

1934

Spalte:

465-468

Autor/Hrsg.:

Jaeger, Werner

Titel/Untertitel:

Paideia 1934

Rezensent:

Breithaupt, G.

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN. beide in Gattungen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D.WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vicrteljahreheften. Bearbeitet v.Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN, Göttinnen

Jährlich 26 Nrn.— Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und pelehrle Mitteilungen sind a u s | c h 1 i e 11 i ch an Professor D. BAUER in Göttingen, Düstere Kichenweg 14. tu senden,
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exemplaren, besonders noch bei Zuwendung nach Gotttngen, wird nicht übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1
59. JAHRGANG, Nr. 26 22. DEZEMBER 1934

Spalte Spalte} Spalte

Blätter für württ. Kirchengeschichte (Bossert) 472Jaeger: Paideia (Breithaupt)........465jR ap p apo r t: Agada und Exegese bei Fla-

Brunner: Natur und Gnade (Traub) . . . 476 Knevels: Deutsches Wesen u. christlicher vius Josephus (Rengstorf).........468

Deutschtum und Christentum (Schowalter, Glaube (Scliowalter)............ 479,S ch o »a 11 er: Das religiöse Ringen unserer

gauer)................... 479jLagran ge: Le Judai'sme avant Jesus-Christ Tage (Bauer)................479

Feekes: Das.Mysterium der heiligen Kirche (Preisker).................. 469 "

(Heger)................... 477'Pf en n i gsd o r f: Die Deutsche Glaubens-
Geisel m a n n : Die Abendmahlslehre an der bewegung (Schowalter)..........479

Wende der christlichen Spätantike zum Preu ß : Martin Luther. Der Deutsche (Leise-

Frühmittelalter (Koch)........... 470| gang)....................473

Vaganay: Initiation ä la critique textuelle
neotestamentaire (Seesemann).......469

V i s s e r: Die Entwicklung des Christusbildes
(Stuhlfauth).................480

Zeitschrift fiirbayr. Kirchengeschichte(Bossert) 471

Jaeger, Werner: Paideia. Die Formung des griechischen Menschen. kurzer Durchblick die Entfaltung des Erziehungsgedan-

L Bd. Berlin: w. de Gruyter & Co. 1934. (VII, 513 S.) gr. 8°. kens und die Art, wie J. die einzelnen Bildungsphäno-

geb. RM 8 . mene sieht, zeigen.
In einer Zeit der Neubesinnung auf die geistigen Am Anfang des zunächst noch unbewußten Bildungs-
Grundlagen unseres Volkes erscheint dieses nach Ge- strebens der Griechen steht das Wort Arete als Inbe-
staltung und Ergebnis wahrhaft bedeutende Werk W. griff dessen, worin die Zeit das Bild eines höheren Men-
Jaegers, dessen Bemühen um die Neuordnung unseres sehen beschlossen sieht. Dieses Ideal ist eine Schöpfung
Verhältnisses zu den Griechen seit Jahren bekannt ist. des Adels, und so umfaßt es zunächst die heldischen
Er hat ihm das Wort Paideia als Titel gegeben, das zu- j Tugenden, ergänzt diese aber bald durch Einbeziehung
nächst die Erziehung als Vorgang versteht, dann Bildung geistiger Tüchtigkeit, so daß neben den Wirker der Taten
als Inhalt bedeutet und sich zu dem Begriff Kultur als ! der Sprecher der Reden tritt. An dem unbeugsamen Achill
dem geistigen Bezirk, in den der zu Erziehende eintritt, ' und dem lenksamen Telemach weist J. die Erziehungserweitert
. Das Werk ist aber nicht etwa eine sog. Kulturgeschichte
, sondern will, wie der Untertitel besagt,
„die Formung des griechischen Menschen'' in ihrer Besonderheit
und ihrer Entwicklung darstellen. In dieser
Zielsetzung, die alles Literarische, Ästhetische u. s. w.

mittel der Zeit nach und zeigt, wie schon dem epischen
Dichter an diesen beiden Gestalten die Problematik der
Erziehung aufgegangen ist. Ein besonderes Kapitel ist
Homer als Erzieher seines Volkes gewidmet. Eine der
Wandlungen, die die Arete in der Folgezeit durchmacht,

im Hintergrund läßt, ist es tatsächlich ein Neues, nämlich j läßt Hesiod erkennen, der durch persönliches Erleben

eine Zusammenschau der geistigen Kräfte, die, sei es J sich zum Glauben an den das Recht schützenden Zeus

anfangs unbewußt oder später bewußt, von Bedeutung j erhebt und der Arete des kämpfenden Helden die des

gewesen sind, um den Griechen zum Bildner eines höhe- schaffenden Mannes gegenüberstellt und so ein Erzieher

ren Menschen zu machen. In diesem Sinne waren Former
des lebendigen Menschen der Dichter sowohl wie der
Staatsmann wie der Philosoph, nicht eigentlich der bildende
Künstler als Schöpfer eines stummen Kunstwerks,

zu Rechtlichkeit und Arbeit wird. Ein dritter Faktor ist
die Polis. Zwei Formen, der spartanische Kriegerstaat
und der jonische Rechtsstaat, beherrschen die Geschichte
. In Sparta wird Tyrtaios zum Künder der bürgerlichen

das für die Griechen stets nur eine Zier bedeutet hat. ; Arete, indem er der heroischen Arete Homers das Ethos

Wenn nun auch das Buch die Entfaltung des griechischen
Geistes rein geschichtlich betrachtet, so greift es
damit doch auch zugleich in die gegenwärtige Aussprache
über die Erneuerung des Humanismus ein. Das von
J. gezeichnete Bild bestätigt, was er in der Einleitung
betont, nämlich daß die Humanität, d. h. das Menschsein
, ursprünglich nicht in einem zeitlosen Menschentum,
wie der Klassizismus die Antike ansah, bestand, sondern
stets staatsgebunden war, „daß ein staatsfremder Geist
den Hellenen der besseren Zeit ebenso unbekannt war
wie ein geistfremder Staat". Diese Feststellung, die J

der Vaterlandsliebe einhaucht. In Jonien verschiebt sich
ihr Schwerpunkt insofern, als Tapferkeit und Vaterlandsliebe
der Gerechtigkeit, d. h. dem Gehorsam gegen die
Gesetze, untergeordnet werden; hier übernimmt der Gesetzgeber
die Erziehungsarbeit an dem Politen wie dort
der Dichter. Die elegische und jambische Dichtung der
Jonier und die äolische Lyrik würdigt J. unter dem Gesichtspunkt
der Selbstformung des Individuums, das trotz
der Hinwendung zum eigenen Ich doch über sich selbst
hinaus eine ideale Norm zu verwirklichen strebt und,
wenn es das Politische auch zurücktreten läßt, sich

hier nicht zum ersten Male macht, entspricht der Forde- ; doch nicht aus dem Zusammenhange mit der Polisge-
rung des Tages, in ihr liegt die pädagogische Gegen- j meinschaft löst. In Solon führt J. den ersten Attiker vor,
wartsbedeutung des Paideiabuches, und darum geht es , der die gemeinschaftfliehenden Kräfte der Polis mit den
auch nicht bloß den klassisch-philologischen Fachgelehr- | gemeinschaftsuchenden ausgleicht und durch seine Warten
an, sondern alle an der Frage des sog. dritten Hu- nung vor der Hybris und seine Mahnung zu verantwor-
manismus Beteiligten. ; tungsbewußtem Handeln nicht geringer erscheint als
Der erste Band, der einstweilen vorliegt, zerfällt durch sein staatsmännisches Wirken. Hinter dem Erzie-
in zwei Bücher, deren erstes die griechische Frühzeit : hungswerk der Dichter und Gesetzgeber tritt der Beiumfaßt
, während das zweite auf die Höhe und in die j trag, den das ältere philosophische Denken dazu liefert,
Krisis des attischen Geistes führt. Angesichts der Un- zurück, da die Hingabe an die reine Forschung von Haus
möglichkeit, den reichen Inhalt auszubreiten, möge ein | aus des erzieherischen Wollens entbehrt. Dennoch wirkt

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U:B.T ÜB.