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Ausgabe:

1934 Nr. 25

Spalte:

458-459

Autor/Hrsg.:

Glockner, Hermann

Titel/Untertitel:

Heinrich von Stein 1934

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 25.

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der alles wieder zu Gott zurückkehren läßt („Gott alles in allem"), Marienverehrung gerettet. Anerkennenswert ist das Be-
nicht doch genialer und gotteswürdiger ist als ein Dualismus, bei dem mühen, Luther gerecht ZU werden. Daß es freilich ge-
der Böse trotzig in der Gottesferne bleibt oder zur Strafe bleiben muß? luiigen Ware, wird man nicht Sagen können — ganz ab-
Zu s. 22: zur Zeit, als Uktanz schrieb, gab es noch keine Reichs- gesehen von Einzelheiten, wie der Behauptung Luther
kirche". - Daß die Todessehnsucht Augustins „eudmnon.sttscher sein ^ ; mer Bibelübersetzung den lakobufeief auS

soll als der Wunsch des Paulus „bei Christo zu sein (S. 28), leuchtet i , .... „ . ,ucn jaKUUUioner UUS-

Sicht ein- Beim ManV aber die Unsterblichkeit der Seele (s. 28 ff.) j gelassen. Wertvoll sind dagegen vtele der Einzelbilder,
vermißt man besonders einen Rückblick auf die verschiedenen Fassungen von mittelalterlichen Mystikern entworfen Werden,

des Unsterblichkeitsgedankens im ältesten Christentum. — Mit der Be- , aie Sind auch für protestantische Leser belehrend und

hauptung, daß nur die Verbindung der Seligkeit mit dem Endgericht , erbauend.

urchristlic'h sei, hat Harnack tatsächlich Recht, und Luk. 23,43 kommt , Tübingen. F

dagegen nicht auf (S. 36 A. 132), weil das Urchristentum das „Para- ! rr. iraub.

dies" vom .Himmelreich" unterschieden hat. — Mit der noch zu seiner j "--■-----

Zeit da und" dort herrschenden Vorstellung, daß nur die impii in die , Glockner, Hermann: Heinrich von Stein. Schicksal einer deut

Hölle kämen, nicht auch die gläubigen peccatores (vgl. Ztschr. f. KG. | sehen Jugend. Tübingen: J. C. B. Mohr 1934 (48 S ) 8° = Philn

1926, S. 534f.; 1932, S. 269; Ricerche Religiöse 1933, S. 51ff.), scheint sophie u. Geschichte. Eine Sammig. v. Vorträgen u Schriften Td
sich A. nicht unmittelbar auseinandergesetzt zu haben, wiewohl er sie ■ "

tatsächlich überwunden hat. — Zur Trunkenheit der Seligen bei A.
(S. S4) vgl. H. Lewy, Sobria Ebrietas 1929, S. 157 ff. — S. 85 sind
zwei Zeilen umgestellt.

München. Hugo Koch.

Schreyer, Lothar: Die Mystik der Deutschen. Vom Reich der
Liebe. Hamburg: Hanseatische Veilagsanst. 1933. (263 S. u. 1 Abb.)
8°. geb. RM 6.50.

Gebiete d. Philos. u. Gesch. 48. RM 1.50; in Subskr. 1.20.

Wenn wir heute die Wesensgestaltung des deutschen
Menschen faßbar zu umschreiben suchen (s. H. Mandel
Nordisch-deutsches Seelentum im Gegensatz zum morgenländischen
(1934), S. 36 ff.) und als ein wesentliches
Charakteristikum hier das Stetswerdende, die Unabge-
schlossenheit herausgehoben wird (z. B. „Wir sind
nichts; was wir suchen, ist alles", Hölderlin), so war
der frühverstorbene, idealgesinnte, wahrhaft adelige Phi-

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,Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem
' in ThLZ 1934 Nr. 15/16, S. 288 ff.) unterscheiden,
die bestimmt sind durch den überragenden Einfluß der
drei führenden deutschen Philosophen: Kuno Fischer,
Eugen Dühring, Wilh. Dilthey sowie durch Richard
Wagner. Heinrich von Steins Leben war ein einzio-er

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Schreyers Buch ist ein in lebendiger, anschaulicher, losoph Heinrich von Stein ein echt deutscher" Mensch
oft dichterischer Sprache gehaltener Hymnus auf die t dessen kurzes, aber inhaltsreiches Leben der Verfasser
deutsche Mystik. Christentum, Mystik, Deutschtum sind t jn dieser kleinen Schrift spannend-aktuell beschrieben
im tiefsten Grunde eins. „Die Grundfesten des deut- hat. Das .Schicksal einer deutschen lugend' zieht "an
sehen Geisteslebens stammen von den Mystikern" S. 231. | uns vorüber - „der ewige deutsche Jüngling mit dem
„Wir (die Deutschen im Weltkrieg) konnten standhalten glühenden Herzen und dem hohen Sinn, der iich immer
der ganzen Welt weil die Gnade uns beschirmte. Im j wieder wagt und opfert, der immer wieder aufersteht
Empfang dieser Gnade geschah eine Weltwende. Das I auf wie vielen Schlachtfeldern er auch schon begraben
göttliche Leben brach im Menschenleben auf Wenn , liegt". Drei Entwicklungsphasen lassen sich in diesem
nun die Deutschen, denen die Weltwende geschah, das , typischen Kurzleben (s. die Besprechung von Charl Bühler
Volk zu einer wirklichen Gemeinschaft der Deutschen 1
erhoben, so vermag dies nur zu geschehen in der Liebe
zu einander" S. 210. Solche und ähnliche Sätze gipfeln
in dem kühnen Bekenntnis: „Das Christentum bejaht
jeden Nationalismus, der die Nation in die christliche
Heilsordnung der Völker einfügt. Die einzelne Nation in

der christlichen Heilsordnung ist aber nicht das Reich. Kampf, deT nacheinander den Probleinen 3m"Oott
Sondern das Reich ist die Heilsordnung der christlichen um die Wirklichkeit, um die Kunst und um die Wissen
Nationen. Zum Schirmherrn des Reichs ist durch die schaff galt. Von der Theologie ausgehend, deren da-
Michaclssendung die deutsche Nation bestimmt Daher malige systematische Isoliertheit ihn abstieß wandte
ist der christliche Kaiser deutscher Nation über den an- er sich der Philosophie zu, freilich ohne der Theologe
deren Nationen" S. 2d. Damit ist der Hintergrund ange- je untreu" zu werden, denn seine Ideen und Interessen
deutet, von dem die Schilderung der einzelnenl Mystiker blieben in ihrer Generalrichtung dieselben". Wünschte
sich abhebt. Zuerst werden unter der Überschrift „Katholizismus
" die Bilder der mittelalterlichen Mystiker
gezeichnet. Im folgenden Abschnitt: „Katholizismus und
Protestantismus" steht Luther als der große Antipode
der Mystik im Mittelpunkt, neben ihm Peter Canisius,
Parazelsus, Jakob Böhme u. a., zuletzt Pietismus und
Aufklärung. Ein dritter Abschnitt beschäftigt sich unter
dem Titel „Krise des Christentums" mit Kant, Goethe
und Schiller, Fichte, der Romantik, Nietzsche. In einem
Schlußabschnitt: „Die Gottesliebe der Mystik" werden
die drei Stufen der Gottesliebe beschrieben: Reinigung,
Erleuchtung, Vereinigung. Das Ganze steht auf dem
Boden des Katholizismus, zu dessen Rechtfertigung auch
gewagte Hypothesen nicht gescheut werden. Man nehme
folgende Sätze^ „Durch die Christuswelt war es

er doch „eine große religiöse Bewegung und er war tief
unglücklich, daß die Zeit für eine solche in keiner Weise
reif zu sein schien". Sein erstes Buch: ,Die Ideale des
Materialismus. Eine lyrische Philosophie'(1878) begann
er mit den bezeichnenden Worten: „Mit fünfzehn Jahren
war ich jesugläubig, mit achtzehn Jahren atheistisch,
mit zwanzig Jahren Materialist. Eine Lüge zuerst, dann
eine Bekehrung und dann eine Religion" und der Verfasser
bemerkt hiezu: „Dieser Anfang bestätigt unsere
Auffassung, daß Heinrich von Steins Kampf um die
Wirklichkeit nur die Fortsetzung seines Kampfes um
Gott bedeutet" (S. 20). Sein Kampf um die Kunst stand
im Zeichen Richard Wagners, in dessen Haus H. von
Stein als Hauslehrer für den zehnjährigen Siegfried
eingetreten war. Die so jäh abgebrochene Reife unter
möglich, daß die Gestalten des neuen Bundes in der Wilh. Dilthey - H. von Stein starb wenige Monate nach
Vorstellungswelt unseres Volkes nicht als Juden, sondern seinem dreißigsten Geburtstag zu Berlin — als Ästhe
als deutsche Menschen erschienen. Die Frauen und I tiker, Kunstphilosoph, so besonders in seiner Entste
Männer, die Christus im judischen Volk nachfolgten, hungsgeschichte der neueren Ästhetik' führte ihn aber
sind im Leben des christlichen deutschen Volkes deut- I mals hinunter in die metaphysischen Tiefen der Kunst
sehe Volksgenossen. Vor allem ist für uns die Gestalt j und „in seiner letzten Lebenszeit beabsichtige er ein
der Jungfrau Maria aus deutschem Stamm" S. 18. Soll i Leben der Heiligen zu schreiben"; sind doch "nach dlm
das heißen, daß die neutestamentlichen Gestalten uns Glauben Heinrich von Steins auch die Heiligen Kirnst
nur als Volksgenossen erscheinen? Oder ist die Mei- 1er und ein Leben in Gott ist so wunderschön wie Pin*
nung die, daß sie es wirklich sind? Im ersten Fall wür- aufblühende Rose" (S. 33). Wertvolle ErgänzungenTzi.
den wir uns einer offenbaren Tauschung hingeben; im i seinen Ausführungen und wichtio-e Belege bietet der
zweiten wären jene Gestalten jüdische und deutsche : Verfasser in den Beilagen, so über H von Steins r£
Volksgenossen zugleich. Dieses unmögliche Dilemma ' gegnungen mit Friedrich Nietzsche', .Heinrich von Steins
wird in Kauf genommen und dadurch die katholische | Wirkung auf junge Menschen' (Arthur Seidl Richard