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Ausgabe:

1934 Nr. 23

Spalte:

429-430

Autor/Hrsg.:

Jones, Eli Stanley

Titel/Untertitel:

Christus auf der Bergkanzel 1934

Rezensent:

Usener, Wilhelm

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4*9

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 23.

430

Zeitströmungen zu verlieren, dürfte wohl hinreichend bedingt nicht etwa durch besonders wichtige exegetische
feststehen. L. selbst ist geradezu glücklich, wenn er Ergebnisse wie etwa die Disposition der Seligpreisungen
Kettelers Ideen bei „klassischen Sozialisten" — er nennt oder der ganzen Bergpredigt überhaupt, der einen oder
Karl Marx (S. 109) — wiederfindet und er vertritt bei andern Auslegung wird man nicht zustimmen können,
Betrachtung der Gegensätze zwischen Arm und Reich manches wird sehr stark unter dem indischen Gesichts-
einen bedrückenden kleinbürgerlichen Utilitarismus. punkt gesehen (Pacifismus!) unter vielen Hinweisen auf
(S. 172). — Mahatma Gandhi, die allerdings z. T. recht wertvoll
Dabei sollen die mannigfachen Anregungen Kettelers ; sind. Der besondere Wert dieser Auslegung beruht
auf sozialpolitischem Gebiete keineswegs geleugnet wer- auf der wirklich von Geist und Leben zeugenden Art
den; nur bedürfte es zur Hervorhebung dieser geschieht- der Behandlung, die die Bergpredigt in ihrem ganzen
lieh bekannten Tatsache nicht mehr eines solchen um- , Ernst und ihrer großen Gabe neu aufleuchten läßt
fangreichen, in Wiederholungen, selbstgefälliger Breite j" Das Thema der Bergpredigt ist dem Verfasser: Ihr
und Gespreiztheit des Stiles (zutiefst, zutiefst!) Erkleck- sollt vollkommen sein wie Euer Vater im Himmel voll-
liches bietenden Buches. Auf diesem Gebiete hatten kommen ist; als Ursache der Nichterreichung dieses
wir bereits die auch hier — Theol. Lit. Ztg. 1933 Nr. 8 , Ziels wird die innere Zwiespältigkeit des Charakters
Sp. 1467 — angezeigten Arbeiten von Wilhelm Schwer | und der Beweggründe der Menschen genannt, um dann
und Franz Müller „Der deutsche Katholizismus im den Ausweg zu zeigen, vor allem in der göttlichen VerZeitalter
des Kapitalismus", von denen insbesondere die j heißung einer ausreichenden Kraft und dem Ruf zum
zweite Abhandlung zur Beurteilung des Kapitalismus in [ Leben. In ständiger Auseinandersetzung mit der indi-
tler katholischen Publizistik des 19. Jahrhunderts den j sehen Gedankenwelt und ihren hervorragenden Füh-
Kettelerschen Ideenkreis, die Historisch - politischen j rern tritt die Gabe des Evangeliums Jesu klar heraus
und die Christlich - sozialen Blätter, eingehend behan- ; gewiß zunächst die Kluft, die unsere Gesinnung von der
delt. L. sind diese Darlegungen und manche der in den ; Gesinnung Jesu trennt, aber auch der Weg in seiner
dortigen Anmerkungen gegebenen Anregungen unbekannt ; Nachfolge. Eine Fülle von Äußerungen solcher Führer
geblieben. Wir verweisen noch auf Heinrich Getzeny: j eine Menge von kurzen außerordentlich treffenden Ge-
„Kapitalismus und Sozialismus im Lichte der neueren, , schichten und Illustrationen beleben die Darstellung und
insbesondere der katholischen Gesellschaftslehre" (1932) ; machen ihre Lektüre hochinteressant. Dem ganz chri

und auf einen Aufsatz desselben Verfassers: „Die sozialen
Kundgebungen des römischen Katholizismus" („Deutsches
Volkstum" 1933 S. 357 ff.).

Ketteier gehört auch zu den Vätern des katholischen
Siedlungsgedankens — Lenhart S. 116 ff. — Und so
wichtio- crerade heute wieder das Siedlungsproblem ist,

stozentrischen Buch („In Jesu Person liegt das Evangelium
beschlossen — er selbst ist die frohe Botschaft*')
wünscht man unter unsern Gebildeten, die nach Klarheit
ringen, viele Leser; dieser ostindische Missionsmann
steht auch mit den den Westen bewegenden Fragen in
lebendigster Verbindung. Auch der Pfarrer inT Amt

so sehr wir auch bei Neusiedlungen in nichtdeutscher j kann für seine Verkündigung aus dieser jeden Kanzeltön
Umgebung (Brasilien!) auf konfessionell gegliederte An- vermeidenden, eine kräftige, männliche Sprache reden
Siedlung Bedacht nehmen sollten, so sehr müssen wir den Erklärung manche Anregung gewinnen
die in Kettelers Bahnen wandelnde katholisch konfessio- Halle/Saale

nelle Siedlungspolitik ablehnen, die unter Führung von | ' _ Wilhelm Usener.

Bischof Kaller-Ermland mit unbegründeten Totalitäts- . ~ '

Ansprüchen auftritt und bewußt den konfessionellen A"s anddeutschtum und evangelische Kirche. Jahrbuch 1933.
Kampf in Gegenden trägt, die bisher davon verschont l e' v,n,°nsi,o0r,a,lrat a Dn Ernst Scub^t München: Chr.
waren. (Vergl. Maximilian Kaller: „Siedlung und Ka- I Ka'ser I933- (308 S. m. mehr. Abb. a. Taf.) 8°. geb. RM 4-.
tholizismus", 1933). Uas ln] vorigen Jahr freudig begrüßte Jahrbuch 1932

L. stellt fest, daß die Familiengemeinschaft heute A u s 1 a n? de ut sc h tu m u n d e v a nge 1 i sc he Kir-
vielen inhaltsleer erscheint und fährt dann fort: Nicht / -Jat 1111 zweiten Jahrgang eine würdige Fortsetzung
von ungefähr geht darum durch unsere Epoche ein ' ^e},unf!en- ™l'er darf wirklich mit Recht gesagt werden,
Wellenschlag suchender Gemeinschaft, wie er sich be- 5 u Jahrbucher eine Lücke ausfüllen, zumal, wie
sonders im Willen der Jugendbewegung und der inter- '< aas Vorwprt sagt und wir alle empfinden, bei dem Ernationalen
pazifistischen Verständigung ausprägt (S.l 12) wac ,, des vaterländischen Geistes in unserm Volk
Wir dürfen annehmen, daß das neue Deutschland die Interesse für das Auslanddeutschtum erfreulich geErneuerung
der Gemeinschaft überhaupt und der Fami- wachsen ist; es ist besonders wichtig, daß neben der so
liengemeinschaft im besonderen nicht von der internal»- senr. begrüßenswerten Arbeit des VDA der Gustav Adolf-
nalen pazifistischen Verständigung aus erwartet. Die reinlund ahnliche dem Auslanddeutschtum dienenden
gelegentlichen Angriffe gegen Vigeners Ketteler-Biogra- evange'ischen Bestrebungen nicht in's Hintertreffen ge-
phie (1924) verdienen keine Richtigstellung; angemerkt i r ?v . , . , . , . .
sei aber auch an dieser Stelle die gründliche Bespre- ' H R . Aufsa*ze des Jahrbuchs (überflüssig zu sagen
chung dieses vortrefflichen Buches durch Ulrich Stutz ! ar s!e, von hervorragenden Sachkennern verfaßt sind)

(Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte,
Kanonistische Abteilung. Bd. 15, 1925).

Berlin. Otto Lerche.

Jones, Dr. E. Stanley: Christus auf der Bergkanzel. Einzige berechtigte
deutsche Ausgabe von H. Fellmann. Bremen: Anker Verl.
1933. (283 S.) 8°. RM 4.20; geb. 4.80.

unterrichten in gleicher Weise über die kirchlichen, politischen
, wirtschaftlichen, sozialen Verhältnisse, wobei naturgemäß
in den einzelnen Abhandlungen die Akzente
verschieden verteilt sind. Drei allgemeine, aber durchaus
nicht aus dem Rahmen des Jahrbuchs fallende Darbietungen
bilden den Eingang: Joh. Hempel, Das Gottesvolk
im A. u. N.T., Hermann Sasse, Das
Volk nach der Lehre der evangelischen k"ir
o 15 r" Amerika yielgelesenste religiöse che, sehr stark Gegenwartsfragen behandelnd und bt

Schriftsteller, dessen Bucher „Christus am runden Tisch" antwortend. Max Hildebert Boe hm schon am
und Christus auf der indischen Landstraße" auch in vorigen Jahrbuch mit einem bemerkenswerten Beitrat
Deutschland Aufsehen erregt und große Verbreitung ge- beteiligt, Vom Weg des Reichs z um V o
runden haben, bietet in diesem Werk eine wertvolle ; sonders gedankenreich und interessant, sehr Endlich"
und originelle Auslegung der Bergpredigt. Zu Grunde dem Fragenkomplex Staat, Reich, Volk nlcheeS
liegen Besprechungen „am runden Tisch", mit indischen Die weiteren Aufsätze, meist äuf Grund eSSSdir

und ausländischen Männern und Frauen auf einer Frei- Quellenforschung, führen auf die verschiedene Gebote
zeit im Himalaya gehalten. Neben den zahlreich vor- auf denen die deutsche evangelische Kirche dem An.
handenen Erklärungen der Bergpredigt nimmt diese landdeutschtum dient, und wissen von viel treuer Ar"
einen besondern Platz ein. Dieser besondere Platz ist beit durch Jahrzehnte hindurch zu berichten Bodo"