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Ausgabe:

1934 Nr. 21

Spalte:

382-388

Autor/Hrsg.:

Otto, Rudolf

Titel/Untertitel:

Das Gefühl des Überweltlichen 1934

Rezensent:

Schuster, Hermann

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331

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 21.

382

Aufhebung. Aber ist das nicht allzusehr nur die eine Seite
der Sache? und darum „Wesen des geschichtlichen Daseins
" zu viel gesagt? Auch A. weiß davon zu reden,
daß der Geistesgehalt der Geschichte „über die Grenze
unserer Geschichte hinaus auf ein transzendentes Ziel
hinweist" (334). Nur möchte er doch wieder zur Vermeidung
des Gedankens einer metaphysischen Kontinuität
in diesem Gebiete nicht mehr sehen wie Zeichen der Verheißung
. Da aber Gott auch hier mitten in allem Widerstreit
sein Werk tut, warum sollte es nicht möglich sein,
auch dies Gebiet unter die Betrachtung des nicht nur
Kommenden, sondern auch Bleibenden zu stellen?

Zu begrüßen ist, daß A. den Begriff der „axiolo-
gischen" Eschatologie nur noch dort heranzieht, woher
er entnommen ist, und ihn lediglich zur Kennzeichnung
philosophischer Lehre vom Letzten grade in ihrem Unterschied
von christlicher Eschatologie verwendet. An
der Sache, der er früher mit Hilfe dieses philosophischen
Terminus Ausdruck zu geben versuchte, hält er
mit Recht fest, sich dadurch von den modernen Nur-
Eschatologikern abhebend, denen mit Barth das Christentum
„ganz und gar und restlos" Eschatologie ist.
Die christliche Hoffnung ist nicht nur Hoffnung resp.
Gewißheit eines Kommenden, sondern auch Gewißheit
des Bleibenden — so jetzt anstatt teleologischer und
axiologischer Eschatologie —, sofern sie ernstlich Hoffnung
auf Vollendung eines schon Vorhandenen ist.

Klarer tritt auch heraus, welches bei seiner Ablehnung
der endgeschichtlichen Eschatologie schon in
den früheren Auflagen A.s eigentliches Anliegen war,
sich dort aber in einer Art „Pseudometamorphose" hinter
der Theorie von der Unmittelbarkeit jeder Zeit zur
Ewigkeit verbarg: das Eintreten für die volle Aktualität
der Erwartung und ihre Gegenwartsnähe gegen ihre
Ent-Aktualisierung in der endgeschichtlichen Eschatolo-

fie. Nun finden sich bei A. längere Ausführungen über
tufungen in der künftigen Vollendung und auch sonst
dies und das, was sich mit der Zeichnung eines zusammenhängenden
endgeschichtlichen Bildes darin berührt,
daß allerlei genauere Auskunft über das „wie" des
Dereinst zu geben versucht wird. Es wäre zu fragen, ob
eine restlos durchgeführte Aktualisierung dieses ganzen
Kapitels der christlichen Glaubenslehre nicht auch hier
manches anders gestalten resp. auf mancherlei im Grunde
doch nur theoretisch Interessierendes verzichten müßte?
Hermhut. Th. Steinmann.

Stolz, P. Anselm, O. S. B.: Glaubensgnade und Glaubenslicht

nach Thomas von Aquin. Rom: Herder 1933. (VII, 118 S.) gr. 8°.

ü= Studia Anselmiana. Philosophia Theologica. Edita a Prof. Inst.

Pontificii S. Anselmi de urbe. Fase. 1.
Die Arbeit will eine Debatte fortführen und klären,
die geht um die Frage, ob nach der Anschauung des
Thomas v. Aquin der Mensch auf rein natürlichem Wege,
unter Ausschluß einer inneren, übernatürlichen Gnade
die Glaubwürdigkeit der katholischen Religion erkennen
könne oder nicht. Daß diese Frage zu verneinen sei,
war die Auffassung des Gelehrten P. Pierre Rousselot
gewesen. Nach dessen Tode im Jahre 1915 war diese
seine Ansicht freilich bald in Vergessenheit geraten.
Dann aber hatte sich im Jahre 1929 P. Hugo Lang in
seinem Buche: „Die Lehre des hl. Thomas von' der
Gewißheit der übernatürlichen Gnade" im Wesentlichen
die These des Rousselot zu eigen gemacht. Eben diesem
Forscher gegenüber untersucht unsere Schrift die
Frage aufs neue.

In überaus sorgfältigen Ausführungen kommt unser
Autor schließlich zu dem Resultate, daß bei Thomas ein
streng durchgeführter Parallelismus besteht zwischen
dem natürlichen Verstandeslicht und den ersten Verstandesprinzipien
als inchoatio beatitudinis imperfectac
einerseits und der Glaubensgnade und den Offenbaruno-S-
wahrheiten als inchoatio beatitudinis aeternae andrerseits
. Das bedeutet natürlich eine Ablehnung der These
von Rousselot und Lang. Dementsprechend kann der

Verfasser dann auch sagen, daß die moderne Thomisten-
schule, die einmütig für die Möglichkeit des natürlichen
Glaubens eintritt, der Lehre des Thomas im Wesentlichen
treu geblieben sei. Der Unterschied zwischen ihr
und Thomas sei nur der, daß sie bezüglich des natürlichen
Glaubens speziell beim Menschen das klarer ausdrückt
, was Thomas nur in Andeutungen erkennen läßt.

Man wird nicht umhin können, unserm Autor recht
zu geben. Die ganze Richtung, in der Thomas gewirkt
hat, wäre kaum zu begreifen, wenn es anders wäre. Solche
Vorstöße, wie sie Rousselot und Lang gemacht haben
, sind gewiß nicht uninteressant. Aber am Ganzen
des Systems werden sie nichts ändern. Was für den
Protestanten bei solchen Untersuchungen immer wieder
abfällt, und was auch unsere Studie ihm zeigt, das ist
die Einsicht vom Werte, den die Beschäftigung mit
Theologen, die so wie Thomas philosophisch gleichsam
an der Quelle geschöpft haben, für theologisches
Denken hat und notwendigerweise auch haben muß.
Möchten doch auch unsere jungen protestantischen Theologen
das bald wieder einsehen. Wer einen armseligen
Modephilosophen kennt, soll sich garnicht einbilden,
daß er von Philosophie darum schon etwas verstünde.
Dagegen, man wird es sagen müssen, wer den scholastischen
Problemen nachgehen will, muß von Philosophie
schon etwas wissen. Und was er nicht weiß, hier
kann er es lernen. Das muß auch der aussprechen, der
diese Probleme im Protestantismus anders verstanden
und gelöst weiß.

Heidelberg. Robert Jelke.

Otto, Rudolf: Das Gefühl des Oberweltlichen. (Sensus Numinis.)

5. u. 6., verm. Aufl. v. „Aufsätze, das Numinose betreffend, Teil I".

München: C. H. Beck 1932. (XI, 334 S. m. 3 Taf.) 8°.

RM 6.50; kart. 7.50 ; geb. 9—.
Ders.: Sünde und Urschuld und andere Aufsätze zur Theologie.

5. u. 6., verm. Aufl. v. „Aufsätze, das Numinose betreffend, Tl. II".

Ebda. 1932. (XI, 248 S.) 8°. RM 4.50; kart. 5.50; geb. 7—.

Rudolf Otto hat bekanntlich schon seit einer Reihe
von Jahren sein grundlegendes Buch „Das Heilige",
das seinen Namen und damit den Ruhm deutscher Theologie
in die Welt hinausgetragen hat, von allerlei erläuternden
Beilagen entlastet, indem er sie (1923) als besonderen
Band herausgab unter dem Titel „Aufsätze,
das Numinose betreffend". Die 4. Aufl. dieses
Bandes erschien in zwei besonderen Heften I. „Das
ganz Andere" (Aufsätze zur Religionskunde), II.
„Sünde und Urschuld" (Aufsätze zur Theologie),
beide Hefte erscheinen hier in stark vermehrter Gestalt,
so daß sie sich als etwas Neues darstellt. Der 2. Band
trägt seinen Titel „Sünde und Urschuld" kaum mehr mit
Recht; er ist durch eine Reihe anderer Aufsätze erweitert
, die ganz andere Gegenstände behandeln, so daß
dieser Band, wie Otto selbst im Vorwort sagt, nun „in
loserem Zusammenhange eine erste Darstellung der
Grundlinien seiner ganzen Theologie" bietet. Das ist
auch mit ein Grund, weshalb meine Anzeige sich unliebsam
verspätet hat. Ich war nicht nur durch drängende
eigene Arbeiten belastet, ich wünschte auch einige andere
neuere Schriften Ottos genauer kennen zu lernen,
um die beiden vorliegenden richtig würdigen zu können.

Der 1. Band ist auch in seiner starken Erweiterung
noch durchaus einheitlich. Es sind wirklich Aufsätze
zur Religionskunde, zur Religionsgeschichte wie
zur Religionspsychologie, wobei Ausblicke auf das spezifisch
Theologische, auf die christliche Religion nicht
fehlen, aber sich doch durchaus im Rahmen des Reli-
gionskundlichen halten. Das gilt für Aufsatz VIII, „Das
Ganz-Andere in außerchristlicher und in christlicher Theologie
und Spekulation". Hier wird das „Ganz-Andere"
als das Aliud valde bei Augustin und als das akata-
lepton bei Chrysostomus geschildert; auch wird Marcions
„fremder Gott" unter demselben Gesichtspunkt erläutert.
In Aufsatz XII „Parallelen und Konvergenzen
in der Religionsgeschichte" wird die auffallen-