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Ausgabe:

1934 Nr. 21

Spalte:

379-381

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Die letzten Dinge 1934

Rezensent:

Steinmann, Th.

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379

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 21.

3S0

Gerhardts Wichernbiographie finden — in den Zusammenhang
einer theologischen Entwicklung.

Man kann nicht sagen, daß H. seinem Helden mit
kritikloser Begeisterung überallhin folgt. Oft kritisiert
er ihn recht stark, so in seinem Verhalten gegenüber
Abel, dem man nie so hätte begegnen dürfen, wie Har-
leß als evangelisch-lutherischer Kirchenführer diesem Vorkämpfer
des Ultramontanismus gegenübergetreten ist.
Bedauerlich ist, daß so manche Einzelheiten im Verkehr
zwischen Harleß und dem Monarchen — Maximilian
II. — noch nicht aufzuhellen gewesen sind. Ebenso
darf man die Hoffnung aussprechen, daß Persönlichkeiten
wie der Minister v. Abel, der Oberkonsistorial-
präsident v. Roth, der Regierungspräsident Graf Giech,
der übrigens vorübergehend auch Mitglied des Centraivorstandes
des Gustav Adolf-Vereins 1862/23 und 1848
Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung war —
und etwa der Kammerabgeordnete Frhr. v. Rotenhan in
ihren kirchlichen Beziehungen noch eingehender behandelt
werden.

Harleß ist alles in allem für die deutsche evangelische
Kirche wichtig als Förderer ihrer Einheit und als
Führer auf dem Wege zur neuen Gestaltwerdung wie begrifflichen
Erfassung der Kirche: so kommt dem Buche
Heckeis auch hoher aktueller Wert zu.
Berlin. Otto Lerche.

Alt haus, Paul: Die letzten Dinge. 4., neubearb. Aufl. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1933. (XII, 353 S.) gr. 8°. = Stud. d. apologet.
Seminars. Hrsg. i. Auftr. d. Vorstandes v. C. Stange. 9. H.

geb. RM 12—.

Gegen die 3. Auflage vom Jahre 1926 ist diese
vierte auch wieder um ein beträchtliches umfangreicher
geworden. Wenn ich aber schon in meiner Anzeige der
3. Aufl. in Jahrgang 1927 hervorhob, wie das Buch dabei
an Geschlossenheit und Straffheit des Gedankenaufbaus
nicht verloren, sondern viel eher gewonnen habe,
so gilt das erst recht von der vollständigen Neubearbeitung
, wie sie uns jetzt vorliegt. Der Vf. sagt mit Recht,
daß das Buch bei gleichem Grundgedanken ein neues
geworden sei. War es vordem ein an der Auseinandersetzung
mit der endgeschichtlichen Eschatologie orientierter
kritischer Entwurf, so ist es jetzt wirklich so
etwas wie ein Lehrbuch der christlichen Endhoffnung
geworden. Es sollte darum niemand, der es in seiner
älteren Gestalt besitzt, sich dadurch von dem Erwerb
dieser Neubearbeitung abhalten lassen.

Umfangreicher geworden ist das Buch vornehmlich
durch Erweiterung der Erörterungen über die Methode
der Eschatologie, durch ausgeführte« Darlegungen zur
Geschichte des Dogmas, von denen ich hervorheben
möchte die geschichtlichen Darlegungen über den Gedanken
des Zwischenreichs (Chiliasmus) vom Spätjudentum
bis zur neueren heilsgeschichtlichen Theologie und
— ganz besonders belehrend — über Endverwandlung
resp. Endvernichtung dieser Welt in der alten und mittelalterlichen
Theologie, bei Luther und im späteren
Luthertum, und einen ganzen neuen Abschnitt über die
Frage nach dem Zwischenzustand, wie überhaupt die
Vollendung des Einzelnen allseitiger behandelt wird:
alles Erweiterungen, in denen zum Ausdruck kommt,
daß wir es in dieser 4. Auflage mit einem Lehrbuch der
christlichen Eschatologie zu tun haben.

Die dogmengeschichtlichen Untersuchungen sind für
den Vf. auch darum wichtig, weil sie die Theologie
Luthers, in deren Linie sich die Gedanken des Vf. halten,
als die „echteste und wahrhaft lebendige Erneuerung der
Eschatologie des Neuen Testamentes" erweisen. Gleichfalls
weiter ausgeführt ist die Darstellung der teleologischen
Eschatologie in der Philosophie mit dem Hinweis
darauf, wie hier Individualvollendung und Geschichtsvollendung
ihre Zusammenschau nicht zu finden vermögen
, während der christliche Realismus der Auferstehungshoffnung
und Weltverklärung (anstatt lediglich
dieserweltlicher Vollendung) eine solche Einheitsschau

gibt. Zu den lehrbuchhaften Erweiterungen gehört auch
i das 1. Kapitel (über den Ursprung der Eschatologie)
mit seiner Berücksichtigung auch der außerchristlichen
Religion.

Da der Gegensatz gegen die endgeschichtliche Eschatologie
nicht mehr die Gedankenführung bestimmt, tritt
die Anschauung des Vf. klarer und geschlossener heraus.
Der von ihm vertretene biblische Realismus grenzt sich

j jetzt in der universalen Eschatologie klar ab auf der
einen Seite gegen den falschen irdischen Realismus vornehmlich
des endgeschichtlichen Gemäldes vom Milen-
nium und den Gedanken einer „metaphysischen Konti-

i nuität" (349) zwischen dem Jetzt und dem Dereinst, auf
der andern Seite gegen den Spiritualismus des späteren
Luthertums; gegen Ersteres durch Betonung des wirklichen
Endes und Abbruchs, gegen den Spiritualismus
durch den Gedanken nicht lediglich einer Vernichtung,
sondern durch die Vernichtung hindurch Erneuerung
(Verklärung) dieser Welt. Dem entspricht in der Vollendung
des Einzelnen der gleichfalls Andersheit und Sel-
bigkeit in der rechten Weise verbindende und einen falschen
irdischen Realismus und einen falschen Spiritualismus
in gleicher Weise vermeidende, recht verstandene
Auferstehungsgedanke: der Tod wirklich Ende
der menschlich-irdischen Existenz, nicht lediglich Trennung
der unsterblichen Seele vom sterblichen Leib; die
Auferstehung nicht irgendwie Wiederherstellung, son-

i dem schöpferische Neusetzung der seelisch-leiblichen Gesamtexistenz
. —

Daß in der Schrift neben der paulinischen Subli-
mierung des Auferstehungsgedankens, welcher Wegweisung
A. folgt, auch noch mancherlei anklingt von
dem ihm von hause aus eignenden irdischen Realismus
in der Art mittelalterlicher Auferstehungsbilder
, daß das Neue Testament auch die Vorstellung
einer körperentkleideten Seelenfortdauer verwendet und
chiliastische Gedankengänge enthält, ist für A.s kritischen
Biblizismus mit Recht kein Hindernis, diese Vorstellungen
sogar sehr bestimmt abzulehnen. Wenn aber
einmal mit Menschlich-Unzulänglichem der nicht dem
Menschlichen einfach entrückten Schriftrede gerechnet
wird, könnte dann nicht am Ende auch das unwillkürliche
Verhaftetbleiben an die Leiblichkeitsvorstellung auch
bei der paulinischen Sublimierung des Auferstehungs-

| gedankens eben dahin gerechnet werden müssen ? A. gibt

' denn auch als unterstützende Argumentation noch eine
besondere „anthropologische Begründung der Hoffnung
auf neue Leiblichkeit" durch den Hinweis darauf, daß
„die Leiblichkeit zu der Wirklichkeit des Menschen we-

; sentlich dazu gehört, daß persönliches Leben nur als

; leibhaftes wirklich ist" (117). Woher aber wissen wir
so sicher, daß kreatürliches persönliches Leben — dies
„kreatürlich" müßte jedenfalls hinzugefügt werden, denn
Gottes persönliches Leben fällt ja doch nicht unter diesen
Satz, — nur als leibhaftes wirklich sein könne?
Wenn hier wirklich alles in Gottes Allmacht steht, wie

: können wir dann irgendwie von dem aus, wie wir uns
jetzt durch seine Schöpfermacht vorfinden, auf jenes

' von ihm neugesetzte Andre und grade diese Art seiner
Selbigkeit mit dem Jetzigen argumentieren? — Fragen,

| die für den Vorstellungskreis des Neuen Testamentes

j überhaupt nicht vorhanden sind, werden in den Abschnitten
erörtert, die von dem Eigen-Sinn der Geschichte
handeln. Was wir unter Geschichte verstehen, liegt

| im neutestamentlichen Schrifttum jenseits des Horizontes
. Darum kann denn auch über das Verhältnis des
Künftigen zum besonderen Gehalt des geschichtlichen
Seins der Menschheit hier eine Auskunft nicht unmittelbar
abgelesen werden; die Parusie steht lediglich im
Zusammenhang der Heilsgeschichte als deren vollendender
Abschluß. Für A. ist Geschichte wesentlich „das
durch Sünde und Tod gezeichnete Entscheidungsleben"
(244) und das Wesen des geschichtlichen Daseins „Widerstreit
zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes" (246);

; sofern Geschichte das ist, ist das Künftige gewiß ihre

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