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Ausgabe:

1934 Nr. 19

Spalte:

339-342

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Ursprung der Gottesidee ; 4,2,3.Die Religionen der Urvölker Afrikas 1934

Rezensent:

Titius, Arthur

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 19.

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punkt überschritten; er bildet den Abschluß einer Epoche, der es um
„Naturalisierung" der Antike ging. Fast darf man bei ihm schon von
einer Lösung von der Antike sprechen, indem immer mehr das eigne
Bodenständige zum Durchbruch kommt. Es ist ein inneres Fertigwerden
mit dem von der Renaissance gebotenen klassischen Out. Durch sorgfältiges
Eingehen auf die Werke beider Dichter wird so ihre Besonderheit
herausgestellt. — Oskar Fischel aus Berlin steuert eine Abhandlung
bei über Inigo Jones und den Theaterstil der
Renaissance. Es ist interessant, zu verfolgen, wie die gleiche Kraft
persönlicher Gestaltung, die wir bei Shakespeare finden, auch Inigo
Jones dazu führt, fremde Kulturen sich dienstbar zu machen — eine
echt englische Gesinnung. Wenn auch sein Ruf als selbständiger Künstler
in letzter Zeit etwas gesunken ist, so bleibt er doch der große Gestalter
eines neuen nordischen Renaissancebewußtseins, der aus eignem
eingeborenen Empfinden heraus schafft, wenn er auch andererseits gerade
als Mann des Theaters in vielem der Tradition treu blieb. Aber
er hat in die Welt der ersten Stuarts ein neues Leuchten hineingetragen.
Eine große Anzahl Bildertafeln, unter ihnen auch das Porträt Inigo Jones
von Van Dyck, erhöhen Wert und Reiz der dargebotenen Ausführungen.
— Shaftesbury und die Renaissance des Piatonismus
in England lautet der Titel des Vortrags, den E. Cassirer aus
Hamburg gehalten hat. Es ist Anthony Ashley Cooper, der dritte Earl
of Shaftesbury, von dem hier die Rede ist, der einen tiefergreifenden
Einfluß ausübte auf Winckelmann und Herder, Goethe und Schiller, der
uns hier als Erwecker Piatons und Plotins im englischen Geistesleben
begegnet. Im Gegensatz zur Philosophie des englischen Empirismus
auf der einen Seite, auf der anderen zur religiösen Bewegung des Puri-
tanismus verkündet er, daß ein letzter höchster Wert nicht im bloßen
Handeln liege, sondern im Ideal des reinen Schauens. In dieser Hinsicht
war er zu seiner Zeit fast der einzige noch wahrhaft antik gesinnte
und antik gerichtete Denker. Aus diesen geistigen Grundelementen hat
er auch sein Ideal der Religion geformt, erwachsend aus dem Platonischen
Erosmotiv, der Sehnsucht nach dem Göttlichen. Auf dem Gebiet der
Ethik ist sein leitender Gedanke der der Autarkie, der Selbstgenügsamkeit
des Sittlichen, die mit Lohn und Strafe nichts zu schaffen hat, auf dem
der Aesthetik der des „interesselosen Wohlgefallens". Herder verehrte
ihn als Meister des philosophischen Stils und nannte ihn „den liebenswürdigen
Plato Europens". — Edgar Wind aus Hamburg stellt eine
eingehende Untersuchung an über „ H u m ani tä ts id ee und heroisiertes
Porträt in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts
" und illustriert seine Ausführungen durch eine reiche Auswahl
trefflicher Bildbeigaben. Er verficht die These, die er aus den
Schöpfungen Reynolds und Gainsboroughs nachweist, daß philosophische
Bestrebungen die künstlerischen durchdringen, daß der Künstler durch
seine Gestaltung in einen philosophischen Streit eingreift und malend
für diejenige Seite Partei nimmt, durch die er sich in seinen künstlerischen
Grundsätzen bestätigt fühlt. In den erwähnten Künstlern findet der
Verfasser den Gegensatz einer skeptischen und einer heroischen Lebensauffassung
, die sich besonders deutlich im Porträt wiederspiegelt. An
der Hand eines reichen Bildmaterials, das aus den verschiedensten
öffentlichen und privaten Sammlungen Englands zusammengetragen ist,
wird der Versuch unternommen, die englische Porträtkunst des 18.
Jahrhunderts mit den zeitgenössischen philosophischen Anschauungen
vom Wesen und von der Würde des Menschen in Zusammenhang zu
bringen, was seinerzeit von dem Engländer des 18. Jahrhunderts deutlich
empfunden, nachträglich aber für das historische Bewußtsein verschüttet
wurde.

Eine Fülle von Wissen und Weisheit ist im vorliegenden
Sammelband vereinigt, über dessen Bedeutsamkeit
und Wert kein Zweifel aufkommen kann. Ein
eingehendes Personen- und Sachverzeichnis, das 26 Seiten
füllt, ist angefügt. Dem Veranstalter und dem
Herausgeber sowie den Vortragenden gebührt aller Dank.
Dortmund. H. Goetz.

Schmidt, P. Wilhelm, S. V. D.: Der Ursprung der Gottesidee
. Eine historisch-krit. u. positive Studie. Bd. IV. 2. Abt.: Die
Religionen der Urvölker. III.: Die Religionen der Urvölker Afrikas.
Münster i. W.: Aschendorff 1933. (XXXII, 821 S.) gr. 8°.

RM 24—; geb. 26.25.
Der vorliegende Band bildet eine wertvolle Ergänzung
der Mitteilungen über die Urvölker Ozeaniens,
Asiens und Amerikas (Theol. Lztg. 1932, 1 ff.)- Wer sich
erinnert, mit welchen Mühen man noch vor 30 Jahren
zu kämpfen hatte, um auch nur einigermaßen die Religion
der Völker Afrikas überschauen zu können, muß
dankbar eine Leistung wie die vorliegende begrüßen, zumal
Schmidt auch um die Beschaffung des Materials
selbst hervorragendes Verdienst hat. Aber auch die seitherigen
Publikationen, wie z. B. Schmidts eigne Pygmäenschrift
sind weit überboten und, irre ich nicht, so
ist für die Aufhellung des Grundproblems dieser Band

noch erheblich aufschlußreicher als die vorangehenden.
Es liegt das vorzugsweise an Art und Umfang des
Materials. So viel ihm auch an Vollständigkeit noch
mangelt, ist doch dem Inhalte nach grundsätzlich Neues
wohl kaum zu erwarten und auch die Intensität, mit
der die sich ergebenden Möglichkeiten zur Erkundung
ausgeschöpft wurden, ist bei einzelnen Abschnitten nicht
mehr zu überbieten. Mit großer Deutlichkeit sind die
beiden Hauptgebiete der Pygmäen (im Halbkreis um
Gabun am Atlantischen Ozean und im Gebiete des oberen
Ituri) vor uns hingestellt, nebst den durch Mischung
mit den jeweilig den Landstrich beherrschenden Negern
oder Hamiten entstandenen Pygmäenstämmen. Ebenso
sind die in eine ganze Anzahl z. T. sehr kleiner Gruppen
zerteilten Buschmänner in ihrem Zusammenhange mit
Hottentotten und Bergdama und im Unterschiede von
ihnen gekennzeichnet. In einer ganzen Reihe „vergleichender
Zusammenfassungen" wird das schon von vornherein
vielfach bearbeitete Material für die die ganze
Darstellung leitenden Gesichtspunkte fruchtbar gemacht
(wobei des Guten fast zuviel getan wird) und schließlich
auf etwa 80 Seiten eine Vergleichung der asiatischen
und afrikanischen Pygmäen unternommen. An
das Ende seiner Bemühungen ist freilich der Autor damit
keineswegs gelangt; es werden vielmehr zum Abschluß
der Studien über die Religion der Urvölker noch
zwei weitere Bände in Aussicht gestellt, in etwa gleicher
Stärke wie der vorliegende, von denen der erste, schon im
Druck erschienen, Ergänzungen besonders hinsichtlich
der amerikanischen Stamme bieten, der zweite die abschließende
Darstellung der Urreligion bieten soll.

Den weitaus stärksten Eindruck hat mir der Bericht
von P. H. Trilles über die westäquatorialen Pygmäen
Zentralafrikas gemacht, auch als selbständige Publikation
(Les Pygmees de la grande Sylve Quest-
Aequatoriale. Paris und Münster 1932); Schmidt hat
recht daran getan, seinen religiösen Abschnitten 200 Seiten
zu widmen. Neben Glauben und Kult des höchsten
Wesens finden sich hier auch Mythen (über die Schöpfung
, den Weggang des höchsten Wesens, über Feuer,
Regenbogen, den Elefanten, Sonnensteine), Festzeremonien
(Sonnenfest), Naturgeister, Mondkult, Totengeister
, Totemisinus, Kultpersonen als Opferer, Ärzte und
Wahrsager, auch über die Sittlichkeit der Negrillen.
Neben diesem sorgfältigen Eindringen in alle Seiten des
religiösen Lebens zeichnet sich der Bericht durch die
Gewähr hoher Zuverlässigkeit und durch Intimität aus,
da T. mit einer Gruppe von Pygmäen in ein enges
Vertrauensverhältnis trat (Blutbrüderschaft mit dem
Häuptling!). Wenn auch T. den Wirkungen des „Zauberspruchs
" gegenüber eine Naivität (169 f.) zeigt, die
ihn nicht gerade zum Detektiv geschaffen erscheinen
läßt, so wird man doch annehmen dürfen, daß Täuschungsmanöver
der Pygmäen (wie sie allerdings sonst
vorgekommen sind [346 ff. ]) ihm gegenüber nicht in
Betracht kommen. Eine andre Frage ist, ob man nicht,
um ihm gefällig zu sein, manches sagte, was in der von
ihm gewünschten Richtung lag (wie solches Verhalten
auch sonst den Pygmäen nachgesagt wird); z. B. sind
Anklänge an Biblisches gelegentlich zu spüren (der
Baum in der Mitte des Gartens 43; vielleicht auch das
„große Dorf des Anfangs" 44 = Babel?, und selbst der
Häuptling der seinen Sohn Gott opfert 45: Abraham?).
Aber so lange man nicht mit ganz groben und fortgesetzten
Täuschungsmanövern zu rechnen hat (wozu kein
Grund vorliegt), enthalten diese Berichte Material, das
weit hinausgeht über das bisher Bekannte und dazu
nötigt, die religiöse Haltung dieser äquatorialen Pygmäen
von der der sie umgebenden Stämme ganz fundamental
zu unterscheiden. Als Trilles einmal in ihrer
Mitte die Frage stellt: Kann Gott sterben?, brachen
Alle in ein Gelächter aus, bis endlich nach langer Pause
der Häuptling, der ihm wohlwollte, anhob: „Nach der
Nacht der Tag, nach dem Baum ein andrer Baum, nach der
Wolke eine andre Wolke, nach mir ein andrer Mensch;