Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1934 Nr. 18

Spalte:

335-336

Autor/Hrsg.:

Schlunk, Martin

Titel/Untertitel:

Führer fremder Völker und das Christentum 1934

Rezensent:

Witte, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

335

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 18.

33 f>

gewesen war. Dilthey zeichnet ihren persönlichen Verkehr
so: „Leider versteht er mich absolut nicht, kaum
hier und da einen Satz, das hindert aber nicht, daß wir
Freude aneinander haben." Mit Treitschke verbinden ihn
kulturhistorische und politische Ansichten. Allerdings
ist der politische Historiker aus härterem Stoff als
der historische Philosoph. Gerade 1866 zeigt sich das
in dem Verhältnis der Beiden zu ihren Vätern, der Sohn
des sächsischen Generals kämpft politisch mit seinem
Vater und steht in einem Verhältnis zu ihm, das Dilthey
als „grenzenlos einseitig" (S. 212) kennzeichnet: „Er
ist grenzenlos einseitig. Neulich sagte er mir: Da habe
ich eben einen Brief von dem Alten . . . gekriegt über
die Politik, da hört aber alle Pietät auf usw." (S. 212).
Dilthey dagegen enthält sich mit Rücksicht auf den
Vater August 1866 in Biebrich der Wahl (S. 220). Und
in dem gleichzeitigen Brief, in dem er Treitschke, zu
dessen Verlobung beglückwünscht, schreibt er an diesem
im Anschluß an die Broschüre Treitschkes über die
Mittelstaaten, in der er für die Annexion Sachsens durch
Preußen eintrat: „Die Krankheit meines Vaters, bei dem
ich die meisten Nächte gewesen, hat mich sehr heruntergebracht
. Gott sei Dank ist die Besserung ganz konstant.
Politisch verstehe ich mich in keinem Wort mehr mit
ihm. Die Erklärung Ihres Vaters hat mich geschmerzt,
weil sie ihm gewiß durch die allerniederträchtigsten
Machinationen und geistige Tortur — ich weiß hier vom
Hof, in kleinen Verhältnissen, wie man dergleichen versteht
— abgerungen ist gegen das reine Gefühl seiner
Rechtssphäre. Aber diese falschen Ideen von kindlicher
Pietät, welchen gemäß auch Überzeugungen und Lebensgang
eines Mannes moderiert werden sollen und in ein
philiströses Mittelmaß herabgedrückt um derselben willen
, sind das schönste Beispiel unserer aus der Theologie
stammenden Kleinkindermoral . . ." (S. 221 f.).

Diese Sätze sind die einzigen, die Dilthey in einem
Mißverhältnis zu dem Vater zeigen, der Sohn ist in
Berlin Preußisch-deutsch geworden. Diese Richtung zu
einem gedanklichen Realismus höchster Artung läßt ihn
1865 die Worte finden (S. 190): „Das Wesen der Geschichte
ist die geschichtliche Bewegung selber und wenn
man dieses Wesen Zweck nennen will, so ist sie allein
Zweck der Geschichte. Kant und Herder suchen ihn in
einem Endziel, Hegel in der Verwirklichung, welches
die Sache unklar läßt. Was ist geschichtliche Bewegung?
Das Arbeiten einer Generation iur die folgende, das Aufgehen
des Individuums in inhaltvolle gesellschaftliche
Bezüge, welchen es dient." Hier wird die geschichtliche
Bewegung selbst als Wesen der Geschichte gefaßt, gegenüber
allen Heteronomien. Und das Individuum geht
in dieser Bewegung in inhaltvolle gesellschaftliche Bezüge
auf. Wie dies Aufgehen möglich und zu denken
ist, sagt Dilthey in der Einleitung in die Geisteswissenschaften
(Ges. Sehr. I 53). Der Zweck, der das Motiv
des Handelns ist, steht in dem großen, allgemeingiltigen
Zweckzusammenhang der Gesellschaft. „In diesem Zweckzusammenhang
vollbringt das gewöhnliche Treiben der
Menschen, das nur mit sich selbst beschäftigt ist, doch,
was es muß." Diese Gedanken werden ganz modern,
wenn wir statt gesellschaftliche Bezüge Bezüge der Volksgemeinschaft
sagen. Dann wird auch klar, welchen Weg
wir seit dem Entdecker der deutschen Bewegung bis heute
zurückgelegt haben.
Göttingen. Hans Niedermeyer.

S c h 1 u n k , Prof. D. Martin: Führer fremder Völker und das
Christentum. Eine Vorlesungsreihe. Gütersloh: C. Bertelsmann
1933. (XI, 147 S.) 8°. RM 3-; geb. 4—.

Der Verfasser gibt Lebensbilder von Persönlichkeiten
aus aller Welt, welche unter die Wirkung der Christusbotschaft
gekommen und teils Christen geworden
sind, teils nur christliche Ideen in gewissem Umfange
in ihre nichtchristliche Religiosität aufgenommen haben.

Von bekannten Persönlichkeiten werden so behandelt:
Nisima, Kagawa, Babu Keschab Tschandar Sen, Tagore,
Gandhi, Sundar Singh, Sun Yat sen. Dazu kommen
einige weniger bekannte, aber nicht weniger interessante
Männer und Frauen aus der islamischen und
afrikanischen Welt. Die Darstellung dieser Lebensbilder
ist packend und sehr anschaulich, dabei schlicht,
für weiteste Kreise. Es ist eine „Vorlesungsreihe".
Ich nehme an, keine akademische. Denn dazu wäre doch
die Höhenlage nicht entsprechend. Auch müßte dann
doch z. B. bei Sundar Singh die Frage seiner Wahrhaftigkeit
gründlicher untersucht werden. Und warum
fehlen Pfisters Erörterungen zu diesem ernsten Problem
in der Literaturangabe? Während das unhaltbare Buch
von Schaerer genannt ist! Im Einzelnen nur drei Bemerkungen
: Von Tagore könnte man doch auch seine
Äußerungen über Jesus anführen, die teilweise sehr
interessant sind (Z.M. R. 1927, S. 28). Ich glaube so-
I dann, daß Sun Yat sen persönlich ein ernster Christ
j war (vergl. die Veröffentlichung seiner Familie zu der
Frage Z.M. R. 1925, S. 244). Bedenklich ist im Vor-
j wort die Bemerkung, daß man fordern dürfe, daß die
i Mission uns Beispiele ihres Erfolges zeigen könne, und
zwar echte. In diesem Satz liegt jedenfalls das mög-
i liehe Mißverständnis eingeschlossen, als könnten diese
i „Erfolge" irgendwie ein Beweis für die Wahrheit der
| Christusbotschaft sein. Solche „Erfolge" haben ja die
I andern Weltreligionen auch. Es gibt sogar frühere, euro-
j päische Christen, die dann glaubende Buddhisten ge-
( worden sind. Auch wenn kein einziger Mensch auf die
| Botschaft der Mission hören würde, wäre sie doch die
j Wahrheit. Der Begriff „Erfolg" müßte eine Sinngebung
i vom Kreuze Christi her erhalten. Dies soll kein kleinliches
Nörgeln an dem Werke Schlunks sein. Als volkstümliche
Schrift zur Anregung ist das Buch zu empfehlen.
Berlin. Johannes Witte.

Soeben erschien:

Festschrift

Otto Procksch

zum sechzigsten Geburtstag
am 9. August 1934 überreicht

Inhalt:

A. Alt, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des
Judentunis. (M —85)

F. Baumgärtel, Die zehn Gebote in der christlichen

Verkündigung. (M —55)

W. Eichrodt, Vorsehungsglaube und Theodizee im
Alten Testament. (M —90)

J. Herrmann, Der alttestamentliche Urgrund des
Vaterunsers. (M 1—)

IVi. Noth, Erwägungen zur Hebräerfrage. (M - 50)

G. V. Rad, Die levitische Predigt in den Büchern

der Chronik. (M -45)

L. Rost, Die Bezeichnungen für Land und Volk im
Alten Testament. (M —85)

E. Sellin, Das Deboralied. (M -60)

Preis der vollständigen Festschrift geheftet RM 4.80
Sämtliche Aufsätze als Sonderdrucke auch einzeln zu den vermerk.
| ten Preisen lieferbar.

Gemeinsamer Verlag:

A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung in Leipzig
I J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung in Leipzig

Die: nächste Nummer der ThLZ erscheint am 15. September 1934.

Verantwortlich: Prof. D.W.Bauer in üöttingen, Düstere Eichenweg 14; für den Anzeigenteil: C. Kunze, Leipzig.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.