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Ausgabe:

1934 Nr. 1

Spalte:

288-290

Autor/Hrsg.:

Buhler, Charlotte Malachowski

Titel/Untertitel:

Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem 1934

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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287 Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 15/16. 288

stergründungsgeschichten des 14. Jh.s", die Eigenart ihrer j wird wie den angelsächsischen oder den deutschen und
dem Namen nach unbekannten Verfasser, ihre Versform ! skandinavischen Kirchen. Aber ein Buch wie Bertrands
und die allen gemeinsame Veranlassung zur Abfassung, Protestantisme rechtfertigt solche Behandlung. Der fran-
den erwachenden geschichtlichen Sinn in den Städten, zösische Protestantismus hat im Laufe seiner Geschichte
H. Clauß schreibt über den Bamberger Franziskaner j einen eigenen Typ herausgebildet, den man nicht einfach
Hans Link (um 1530), der gegen Lutheraner und Wie- den übrigen calvinischen Kirchen unterordnen kann. Eine
dertäufer 24 deutsche Predigten hinterlassen hat, in i gefährliche und beschwerliche Vergangenheit, heroisch
denen er Bibelzitate reichlich verwertet und die Miß- 1 ertragen, die ständige Verbundenheit mit dem Gange
stände seiner Zeit tadelt. Man sieht, wie die Gegen- ! französischer Politik, die besonderen Aufgaben einer
seite von ihren Feinden lernt. W. Sperl schildert, wie ; Diasporakirche inmitten eines mächtigen und rücksichts-
schon 1823 ein „Bischofsamt in der evang.-luther. Kirche : losen Katholizismus, das alles hat einen eigenen Typ-
Bayerns" geplant wurde, aber nicht zur Durchführung i Protestantismus geschaffen. Bertrands Buch gibt das-
kam, da die Selbständigkeit der Kirche noch nicht als ! Selbstverständnis dieses Protestantismus. Weniger ori-
Bedürfnis empfunden wurde. M. Weigel gibt kurze gineil als Wilfred Monods sehr persönliches Be-
„Beiträge zur Lebensgeschichte des Martin Päonius" i Kenntnis „Du Protestantisme" (1930), sucht es aus den
und macht auf fünf Druckschriften von ihm aufmerksam, mannigfachen Tatsachen kirchlichen, religiösen und so-
Th. Wotsehke bringt weitere „Neue Urkunden zur j zialen Lebens im französischen Protestantismus eine einGeschichte
des Pietismus in Bayern" in Briefen aus ! heitliche Deutung seines Wesens zu gewinnen. Es setzt
Nördlingen, Ulm, Heilbronn, Dresden, Dertingen und [ dabei die Linie Vinet-Fallot fort. Der erste Teil behan-

Nürnberg. Nebenbei bekommen wir einen Einblick in die
Not der Evangelischen in Österreich. H. Kreßel sucht
nachzuweisen, daß „der neuentdeckte Grünewald", ein
für Würzburg angekauftes Kiliansmarterbild, aus der
Kirche in Mühlhausen in Oberfranken stammt und für

delt die Hauptformen protestantischen Lebens (Kirche,
Kult, Frömmigkeit, Tatchristentum). Der zweite Teil
entwickelt die bleibenden Prinzipien des Protestantismus.
(Die Einheit des Protestantismus in seinen Abwandlungen
, das Heil aus Glauben, die Gabe des Heils, die

diese bei einer Renovation um 1500 gemalt wurde. K. Heilige Schrift, das innere Zeugnis des Heiligen Geistes).

Schornbaum veröffentlicht „zur Geschichte der Ketzer
in Franken" ein Schreiben des Würzburger Bischofs
an die Statthalter des Markgrafen Albrecht Alcibiades
vom 16. Aug. 1456, ohne die darin erwähnte Ketzerei
näher bezeichnen zu können. G. Lenckner trägt einige
„Notizen zu dem von ihm früher gegebenen Nachweis
der Universitätsbildung der 1528 visitierten Branden-
burg-Ansbachischen Geistlichen" nach, nennt die 1449
bis 1539 in Orleans eingeschriebenen „Studenten aus
der Markgrafschaft" und die 1724—1734 in Ansbach
sich aufhaltenden „Konvertiten", durchweg einstige Mönche
. O. Giemen will den bei Schieß, Briefwechsel
Blaurers 1,85 genannten „Philadephus Regius" in eins
setzen mit Urban Rhegius; er skizziert die Schrift des
Melchior Fattlin von den lutherischen Wunderzeichen
und des Regius Gegenschrift. Doch wirft er ein, die
Schriftstellerei des Urban Rhegius wachse so ins Ungeheuerliche
. Außerdem teilt Cl. den Inhalt eines 34 Schriften
umfassenden Sammelbandes der Königsberger Stadtbibliothek
mit unter Hinweis auf die Erwähnung dieser

Im letzten Teile wird die Anwendung dieser Prinzipien
auf die aktuellen Fragen entwickelt. Es ist klar, daß der
Verfasser in diesem Kapitel am stärksten seiner persönlichen
Meinung Ausdruck gibt. Manches erscheint hier
mehr vom Standpunkt französischer Philosophie als vom
Evangelium her gesagt. Vor allem in den politischen
und internationalen Fragen scheint mir die Weisheit und
Logik dieser Welt über die „Torheit des Kreuzes"
zu triumphieren.

Ich hebe aus dem überaus gedankenreichen Buche
nur einiges hervor. Die Diasporalage, die ein Gemeindeleben
vielfach unmöglich macht, erklärt, es, daß das
Problem der Kirche zurücktritt hinter dem grundlegenden
Gedanken, daß Jesus die Quelle alles persönlichen
Lebens ist. Jesus schafft Gemeinsamkeit, und so sind
die Ortsgemeinde und die soziale Gruppe in der und
für die der Christ arbeitet, die soziologischen Mittelpunkte
christlichen Lebens. Das entspricht dem kon-
gregationalistischen Charakter der französischen protestantischen
Kirchen. Von hier aus wird der .Kult verSchriften
in der seitherigen Literatur. H. Dannen- j standen als Höhepunkt gemeinsamen Lebens, eben des-

bauer schließt seine schätzenswerten Mitteilungen über
„die Nürnberger Landgeistlichen bis zur zweiten Nürn

halb aber persönliches Gebet und Zeugnischarakter von
ihm gefordert. Der öffentliche Kult ist für viele fran-

berger Kirchenvisitation 1560/1" ab und beginnt mit zösische Protestanten nur die Schule für den privaten

einer Schilderung der Pfarreien in den jungpfälzischen
Ämtern, die 1542 an Nürnberg verpfändet, 1578/85 wieder
eingelöst und 1637 rekatholisiert wurden. K.
Schornbaum kann „aus dem Briefwechsel des" in
Nürnberg tätigen ehemaligen Karthäusers „ Blasius

Kult in der Familie und in der Kommune. Die Bibel ist
die eigentliche Quelle der Frömmigkeit. „Man kann
ziemlich genau den Grad der religiösen Treue an der
Bibelkenntnis ablesen" (S. 79). Die Bibel ist nicht ein
Lehrbuch, sie ist der Wegweiser zu Christus, der Quelle

Stockei" zwei Schreiben von 1536 und 1548 mitteilen, des Lebens und alle Frömmigkeit muß in die Tat

M. Weigel gibt einige Notizen über „Schwenckfelder ] münden. „Durch einen gesunden Individualismus und

und Wiedertäufer im Herzogtum Pfalz-Neuburg" im i durch das Gefühl der Verantwortung erzeugt die pro-

J. 1558 und nennt die Namen Adam Reiser und Hans | testantische Erziehung moralische Persönlichkeiten" (S.

Vischer von Knielingen. Fr. Bendel stellt „zur Ge- j 103). Diese kurzen Charakteristiken, die durchaus ty-

schichte der Gegenreformation im Gebiet des Bistums pisch sind, werden genügen, um zu zeigen, daß der

Würzburg" eine Liste der rekatholisierten Pfarreien zu- französische Protestantismus alles religiöse Leben auf

sammen, die auch für Württembergisch Franken einige die einfachste Form gebracht hat. Seine Geschichte

Hinweise enthält. K. Fror kann „ein Wort von Harleß I hat ihn dazu gezwungen. Man wird ihn gerade gegen-

zum Gesangbuch von 1854" aus einem Brief an den j über dem Reichtum unserer lutherischen Kirchen arm

Erlanger Universitätsbuchbinder Ph. Ebner mitteilen, der j finden. Aber ich halte sein Studium deshalb für so

als Synodale und durch ein beigegebenes Lied charak- ' wertvoll, weil in ihm das Wesentliche und Unaufhebbare

terisiert ist. S. 225 Luzenhausen ist heute Luizhausen. ! des Protestantismus so klar herausgearbeitet ist. So

vermag er, das ist seine ökumenische Aufgabe, uns

zu helfen, die wir immer wieder in Gefahr sind, unter

der Fülle das Wesentliche zu verlieren.
Bertrand, Pasteur A. N: Protestantisme. Simples notes sur que - i ... niln p;„

' , ... ... „ . ic« i München. utto Piper.

ques aspects du probleme rehgieuse. Paris: Edition: „Je Sers 1931.

Horb. G- Bossert.

(312 S.) 8°. 14— Fr.

Bühl er, Prof. Dr. Charlotte : Der menschliche Lebenslauf als

Man wundert sich zuweilen, daß in der ökumenischen i psychologisches Problem. Leipzig: S. Hirzel 1933. (XVI, 325
Bewegung dem französischen Protestantismus mit seinen J s. m. 28 Abb. i. Text u. a. 1 Taf.) 8°. = Psychologische Monographien
knapp 600 000 Mitgliedern derselbe Rang eingeräumt i hrsg. von K. Bühler, iv. Bd. RM 8—; geb. 10.50.