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Ausgabe:

1934 Nr. 1

Spalte:

283-285

Autor/Hrsg.:

Doelle, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen 1934

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 15/16.

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bietet, überaus bedrückend. Auch in der praktischen Anwendung
der Künste leistete man nichts, und was sich
an wertvoller Architektur, an Bauten, Gemälden, Schnitzereien
findet, ist von begabten auswärtigen Kräften ausgeführt
worden. Dagegen hatten sie Sinn für Handelsund
Bankgeschäfte und betätigten sich auf diesem Gebiet
trotz aller Verbote der Päpste, die ja in guter Ferne
weilten. Die kirchlichen Pflichten wurden in diesem Zeitraum
sträflich vernachlässigt, die Fasten wurden nicht
gehalten, dagegen wurde großer Wert auf gutes Essen
und Trinken gelegt. Selbst die Kirche des Klosters
ließ man verfallen, sorgte aber umsomehr für eine
behäbige Ausstattung der Wohnräume der Mönche. Die
Klosterdisziplin verfiel. Erst die Reformation brachte
auch in Schottland eine durchgreifende Erneuerung
mit sich.

Bei der verhältnismäßigen Spärlichkeit von Quellenberichten
ist es ein hohes Verdienst des Verfassers,
mühsam und sorgfältig alles Material zusammengetragen
zu haben, das ihm erreichbar war, und in seinen Ausführungen
immer wieder die Quellen sprechen zu lassen.
Er hat unsre Kenntnis des schottischen Mönchtums in
den verschiedenen Jahrhunderlen in wertvoller Weise
bereichert.

Dortmund. H. G oetz.

Howard-Flanders, William: The Church of England and
her Reformations. London: Heath Cranton Ltd. 1932. (XI, 256
S.) 8°. !0 sh. 6 d.

Man legt das Buch mit einiger Enttäuschung aus
der Hand. Denn wenn der Verfasser auch in der Einleitung
selbst hervorhebt, daß er keine originale Leistung
beabsichtigt habe, sondern nur eine chronologische Darstellung
der Ereignisse geben wolle, erwartet man doch
etwas mehr als eine bloße Zusammenstellung dessen,
was andre erarbeitet haben. Wenn betont wird, daß ein
Zusammenhang bestehe zwischen staatlichen und kirchlichen
Reformen und die letzteren hergeleitet werden aus
dem Erstarken des nationalen Selbstbewußtseins, ein
Gesichtspunkt, der gerade in unsern Tagen mancherlei
Bestätigung erfährt, so erwartet man eine klare Herausarbeitung
der staatsrechtlichen Linien und eine Darlegung
der treibenden politischen Beweggründe, die zu den einzelnen
Reformen geführt haben. Da der Verfasser sich
als Rechtsanwalt vorstellt, könnte man auf die Erschließung
wertvoller Gesichtspunkte von dieser Seite
her hoffen. Aber nichts von alledem. Das Buch ist
eine harmlose und reichlich unkritische Kirchengeschichte
Englands, anscheinend für Laien geschrieben.

Der erste Band umfaßt die Zeit von den sagenhaften
und später geschichtlichen Anfängen des Christentums
in England und reicht bis zum Tode Wiklifs. Der zweite
Band schildert die weiteren Ereignisse bis zum Tode
Heinrichs VIII. Luther und Calvin werden nur flüchtig
erwähnt, jeder erhält drei Zeilen — in einem Buch der
Reformationen! Erasmus von Rotterdam scheint überhaupt
unbekannt zu sein. Allerdings haben diese Männer
ja auch kaum etwas zu suchen in einem Buch, das
sich nur mit äußeren Vorgängen beschäftigt. Diese völlige
Ausschaltung der Ideengeschichte entscheidet über
den wissenschaftlichen Wert der vorliegenden Arbeit.
Dortmund. H. Qoetz.

Do eile, Dr. P. Ferdinand O. F. M.: Reformationsgeschichtliches
aus Kursachsen. Vertreibung der Franziskaner aus Altenburg
und Zwickau. Münster i. W.: Aschendorff 1933. (XXIV, 300 S.
u. 1 Bildn.) gr 8°. = Franziskanische Stud. Beih. 15.

RM 14.30; geb. 16.30
Auf Grund archivalischer Belege wird zuerst das
Schicksal der Franziskaner in Altenburg 1521 —1529,
dann sehr ausführlich das der Franziskaner in Zwickau
1517—1525 dargestellt, womit das der Beginen (Ter-
tiarinen) in dieser Stadt verbunden wird. Dann werden
die Ergebnisse herausgestellt, woran sich Untersuchungen
über den Klosterprokurator, die Klosterbibliotheken
und das Klosterbier anschließen. In 42 Beilagen werden
die benützten Urkunden, Briefe und Protokolle
wortgetreu zum Abdruck gebracht. Mehr noch als das
Buch desselben Verfassers über den Klostersturm in
Torgau, das in dieser Ztschr. 1932 Nr. 11 besprochen
wurde, ist das vorliegende Buch eine Tendenzschrift
in wissenschaftlichem Gewand. Es soll gezeigt werden,,
daß die Franziskaner in Altenburg und Zwickau, die
wegen ihres tadellosen Wandels bis dahin allgemein
geachtet und geliebt gewesen seien und nur ihrer alten
Kirche treu bleiben wollten, infolge der Verhetzung der
evangelischen Prediger, hinter denen Luther selbst stand,
nach unerhörten Vergewaltigungen, wobei es bis zum
Blutvergießen gekommen sei, nach siebenjährigem heroischem
Widerstand, der brutalen Intoleranz der Neugläubigen
weichen mußten. Es wäre aber wohl nicht
schwer, aus demselben Quellenmaterial zu einem ganz,
andern Urteil über die Vorgänge in beiden Städten zu gelangen
. D. behauptet, schon 1518 sei der Rat in Zwickau
ganz im Banne Luthers gewesen (S. 44); wie sollten
die von Luther beeinflußten Prediger zuerst Egranus,
dann Münzer damals schon so großen Einfluß gehabt
haben, wenn die Franziskaner, die doch damals noch ihre
Kirche und ihren Beichtstuhl zur Verfügung hatten und
recht wohl zu benutzen wußten (S. 54. 57.), bis dahin
so geachtet und geliebt gewesen waren, wie D. meint?
Schon 1523 fürchtete der Rat einen Aufruhr der Bevölkerung
, aber nicht gegen die evang. Prediger, sondern gegen
die Mönche (S. 76). Im Dez. 1524 und Fastnacht
1525 trieb die Bevölkerung, „der Pöbel", üble Possen
zur Verhöhnung der Mönche (S. 97 f.), im Mai 1524 wurden
zwei Franziskaner in einem Dorf von Bauern überfallen
und mißhandelt, so daß sie nachher den Arzt in
Anspruch nahmen (S. 80), übrigens das einzige Blut,
das in den langjährigen Kämpfen geflossen ist, wie
D. höhnt „im Namen des Evangeliums" (S. 168). Auch
die Ablehnung der von dem Prediger Hausmann den
Franziskanern vorgeschlagenen Disputation, die zähe Verteidigung
ihrer Privilegien, besonders der Kampf um
das Recht der Beerdigung fremder Personen auf dem
eigenen Friedhof, kann, auch wenn man von dem Widerspruch
dieser Haltung zu der damals wenigstens aus
dem Liber conformitatum einigermaßen bekannten Meinung
des Ordensstifters ganz absieht, doch ganz
anders gewertet werden, als D. tut. Der Bettel war
bisher als Zeichen der Demut seitens des Bettelnden
und als Gelegenheit zu verdienstlichem Almosengeben
für den Gebenden angesehen worden, jetzt aber begann
man es als Belästigung des arbeitenden Volkes durch
arbeitsscheue Mönche anzusehen und demgemäß mehr
und mehr zu bekämpfen, übrigens wurde es in Zwickau
noch 1523 den Franziskanern gestattet (S. 73). D. beanstandet
besonders, daß das 1522 unter dem Vorsitz
der kurfürstlichen Räte zwischen dem Rat der Stadt
Zwickau und den Franziskanern abgeschlossene Weimarer
Abkommen (S. 60 ff.) so bald schon vom Rat
der Stadt nicht eingehalten worden ist. Die Tatsache ist
nicht zu leugnen, aber schon 1525 wies der Kanzler des
Kurfürsten darauf hin, daß das Abkommen so günstig
für die Franziskaner abgefaßt war, daß ihm die Abfassung
eines solchen Rezesses unverständlich gewesen
sei (S. 162), und wir erleben es in unsern Tagen, wie
neue große Ideen, die mit revolutionärer Gewalt ein

| Volk durchbrausen, frühere Rechte wie Zwirnsfäden hin-

i wegfegen.

„Wie ein roter Faden zieht sich die Unduldsamkeit
! der Neugläubigen gegen die Franziskaner durch unsere
I ganze Arbeit", so faßt D. das Ergebnis seiner Darlegung
! zusammen (S. 157). Ja, so kann man urteilen, wenn
| man von dem Begriff von Toleranz ausgeht, den der
| Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts ausgebildet
j und durchgesetzt hat. Aber das verstößt gegen jede
historische Gerechtigkeit. D. muß wissen, daß die Kirche
, in der Luther aufgewachsen war, keine Spur von
] Duldsamkeit gegen Andersgläubige kannte, daß schon
I 1523 in kaiserlichen Erblanden zwei Anhänger Luthers