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Ausgabe:

1934 Nr. 14

Spalte:

261-263

Autor/Hrsg.:

Meurer, Waldemar

Titel/Untertitel:

Selbsterkenntnis, Welteinsicht und Rechtfertigung 1934

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 14.

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ausgewählt und übersetzt von D. T sch i ze w k i j, der
dann in einem zweiten Aufsatz P. O. Kuli sch (1819
bis 1897) als „ukrainischen Philosophen des Herzens
" vorführt; Kulisch war „eine der Zentralfiguren
der ukrainischen Nationalbewegung" im vorigen Jahrhundert
. Sehr willkommen ist von D. Doroschenko
eine „historische Beleuchtung" der ukrainischen auto-
kephalen Kirche „im Rahmen der allgemeinen Kirchenverhältnisse
in der Ukraine nach 1917." Hinzu tritt im
weiteren chronikartig ein Bericht Tschizewk ijs „Aus

auch der Einzige bin, der zu aller Zeit da ist und da
sein muß (627).

Das Buch gliedert sich in drei Teile. In einer Einführung
wird sehr eingehend der Kampf des erstarkenden
Selbstbewußtseins gegen den Götter- und Gottesglauben
geschildert. Mit dem Erwachen der Persönlichkeit
kann Ich (Verf. vermeidet stets, „das" Ich tzu
sagen) nicht mehr einem anderen verantwortlich sein
(vergl. auch S. 186 ff., 197ff.). Das erste Buch behandelt
die Darstellung der Welteinsicht. Diese be-

dem religiösen Leben des ukrainischen Volks" und F. : steht darin: „Ich bin" (219). Meurer's Versuch er
Liebs über „Die Leiden" desselben in seiner jetzigen , innert an Fichtes Wissenschaftslehre (vergl. besonders

1928 gab es rund 40 Millionen Ukrainer,
davon wohnen stark 31 in Sowjetrußland, etwa 1 Million
in Rumänien [ Bessarabien und Bukowina], weitere
600 000 in der Tschechoslowakei [Karpathen], etwa
6 Millionen im heutigen Polen, (d. h. im ehemals österreichischen
Ostgalizien und jetzt von Rußland abgetrennten
Wolhynien und Podolien]: „Emigrationen" gibt
es in der ganzen Welt, besonders große Kolonien in
Amerika.)

Eigens erwähnt sei noch, daß jedes Heft viele
literarische Anzeigen, besonders von F. Lieb, enthält
. O.-O. ist und bleibt für Kon f es s ion s ku nd e
von heute unentbehrlich.

Nachtrag: Die letztere Bemerkung gilt zumal auch
von einem inzwischen erschienenen Heft 15 „Kirche
und Schule in Rußland". Inhalt: A. Kartasch ew,
Die provisorische Regierung und die russische Kirche;
L. A. Stratonov, Die Entstehung der gegenwärtigen
Verfassung der Russischen Patriarchalen Kirche; A. Re-
mizow, Das Schwert des Glaubens. Eine byzantinische
Legende. Chronik: F. Upiegger, Schule und Erziehung
in Sowjetrußland (ein Überblick über Aufbau
und Umfang des russischen Bildungswesens; 1932 „Totale
Kursänderung"!). Ich bedauere, auf das Konkrete
für dieses, Februar 1934 herausgegebene Heft nicht
eingehen zu können.

Halle a. S. F. Kattenbusch.

Meurer, Waldemar: Selbsterkenntnis. Welteinsicht und Rechtfertigung
. Berlin: Mittler & Sohn. (VIII, 633 S.) gr. 8°.

RM 30—; geb. 33 — .

Ein Buch, das nicht hält, was es verspricht. Verf.
will ein starkes Selbstbewußtsein zum Ausgangspunkt
der Lebensgestaltung, der Wertbeurteilung und der echten
Wissenschaft machen. Der Leser wird in seinen
Erwartungen aufs Höchste gesteigert: „Unermeßlich ist
so das Gebiet der Wissenschaft und es gibt schlechthin
nichts, was sich der Entscheidung über die Möglichkeit
der Wissenschaft entzieht. Alles wird durch sie erfaßt:
Sein, Bewertung, Wert als Erlebnis . . . und nicht zuletzt
die Religion" (277). Was aber vorgelegt wird, besteht
lediglich darin, auf hunderten von Seiten nachzuweisen,
daß die bisherigen Wissenschaften diesen echten Wissensinhalt
der Selbsterkenntnis nicht haben, weil sie von
dem Einzelich und einem ihm gegenüberstehenden Anderen
ausgehen. Sie sind daher als Wissenschaften unmöglich
. Nach dieser Zerstörung folgt aber weder ein
Neuaufbau der echten Wissenschaft, noch ein Hinweis
auf ihre künftige Gestalt.

Die Grundeinsicht des ganzen Buches heißt: „Ich
bin, und das heißt: Ich weiß: ,lch bin', stehe anschaulich
vor Mir. Das ist die einzige Wirklichkeit, außerdem ! wähn+*n"«r*J«+'sr.oV,7~ ~ ü'<' V-----'

ist nichts" (55). In dieser Gmndeinsicht ist enthalten i kctntnh müssen noen ™d h/ÄS" Selbster"
1. Die Selbstgewißheit mit der Gleichsetzung von Wirk- ! erhoben wlrHPn h?p■ «irh^„PauPtein,wuande gegen M.
lichkeit und Wissensinhalt; 2. Die Gleichursprünglict z e h e^ s^ be"
keit dieses Wissensinhaltes mit dem Seelischen und mit BesSit«^ t ^s und d'e

dem Erlebnishaften 3 Die Unbedenklichkeit allein diese! j ElfLff ffft MNi

v" *Zä**ZÄ*~i 109«' aah es rund 40 Millionen Ukrainer, j die Betonung des Handelns S. 255 u. ö.). "Aber im Ge-

--"~J gensatz zu Fichtes ernstem Bemühen, durch die Reflexionstätigkeit
des Ichs die Welt in ihrer Gegenständlichkeit
zu begreifen (vergl. W. L., 1794, bes. den 3. Teil),
beruft er sich einfach darauf, daß außer Ich nichts ist.
Er beachtet weder den intentionalen Charakter des Wissens
noch das Transzendieren des Seins. Unter Welt Verstellt
er die Gesamtheit der Grundeinsichten und der
von ihnen abhängigen Einsichten, wobei zu bemerken
ist, daß diese Einsichten auf Grund der Ausgangseinsicht
die Seinsauszeichnung ohne weiteres besitzen
(240 f.). Diese Grundeinsicht selber kann nicht begründet
oder durch Tatsachen erklärt werden. So bringt M.
in dieser Darstellung der Welteinsicht nur den Übergang
von dem falschen Welt- und Lebenswissen zu dieser
Grundeinsicht.

Das zweite Buch bringt die Rechtfertigung, und
und zwar die des Weges von der falschen Wissenschaft
zur Selbsterkenntnis. „Die Rechtfertigung ist der Abschluß
Meiner wiederum zum ersten Male klar gewordenen
Selbsterkenntnis" (224). Das große Bedenken,
das gegen alle Wissenschaften ins Feld geführt wird,
kämpft „gegen das Ansichsein des Einzelnen" (310).
M. verlangt von einer echten Wissenschaft, daß sie eine
Rechtfertigung dafür geben kann, daß ihr Gewußtes an
sich auch so besteht, wie es gewußt wird (227). Da
sich diese Rechtfertigung nur für die Ausgangseinsicht
geben läßt, weil in dem „Ich bin" der Wissensinhalt
mit dem Seinsgegenstand zusammenfällt, ist sie als
echter Wissenschattsinhalt verbürgt (264). Das Bedenken
wird im einzelnen durchgeführt gegen die Naturwissenschaft
, die Bewußtseinslehre (besonders gegen die
Einzelich-Auffassung), gegen die Erfahrungslogik, Erfahrungswerllehre
und Ertahrungsphiloi-ophie. Erfahrung
nennt M. das Lernen aus dem Vorliegenden (311), sodaß
bei ihm das Erfahrungswissen nichts anderes ist als
eine Fortsetzung des Aosichtswissens (113). In schärfsten
Gegensatz zur Erfahrung stellt er das zeitlose Wissen
des Selbst. Das Leben ist die große Gefahr für
dieses Wissen, weil es als das Augenblickliche und als
das unersättliche Begehren und Genießenwollen alles
Zeitlose verdrängt. Es ist der Grundirrtum der Erfahrung
, der Natur ein Ansichsein beizulegen (318, vergl.
auch besonders die Ergebnisse S. 365, 408).

Bei diesem großangelegten Angriff auf alle Wissenschaften
kommen Ungerechtigkeiten vor. Von Einzelheiten
seien nur die sehr einseitige Beurteilung der Phänomenologie
genannt (286, 361 630 f. u. ö.), die Behauptung
, daß bis jetzt noch nie eine Wissenschaft versucht
habe, sich als Ganzes zu rechtfertigen (278) und
die völlig unmögliche Ichverwandlung in die Härte, in
das Licht und in die Wärme (53 ff.). Außer dem er-

ches wird diese Ausgangseinsicht wiederholt: „,Ich bin'
ist der einzige Wissensinhalt, der echt wissenschaftlich
ist, nicht nur deshalb weil Ich immer sein muß, wenn
Ich etwas weiß,... sondern auch weil Ich als Zeitloser

Sumpf (147), vor dem wir nur durch die Zuchtrute
des Leidens bewahrt werden. Diese Lebensauffassung
und die Ablehnung Gottes können nur deshalb voro-e-
tragen werden, weil M. weder das Volk noch das Du