Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1934 Nr. 14

Spalte:

248-252

Autor/Hrsg.:

Munck, Johannes

Titel/Untertitel:

Untersuchungen über Klemens von Alexandria 1934

Rezensent:

Stählin, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

247

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 14.

248

dieser Wendung schloß. Die Abschwächung des Schlusses hängt vielmehr
offenbar mit der Einfügung jener kleinen Predigt 14,15 — 17 zusammen
, die sieh auch unter diesem Gesichtspunkt als Werk des Autors
der Acta erweist.

Das Hauptinteresse der Autoren wie der Leser gilt
natürlich den großen literarischen und historischen Fragen
, die die Apostelgeschichte dem Erklärer stellt. Sie
sind im Kommentar meist nur gerade gestellt; und werden
dann im fünften Band untersuch.! Untersucht, und
nicht immer gelöst, denn gerade in den endgültigen
Schlußfolgerungen zeigt sich die Selbstbescheidung der
Autoren. Ihr Bestreben ist es vor allem, Material zur
Lösung zu beschaffen und zu bearbeiten. So werden
eine Menge von Einzelheiten dargeboten, Untersuchungen
, auf die man in einem Kommentar zur Apostelgeschichte
gar nicht von vornherein rechnet, die aber
Einsichten in die Probleme und Aussichten auf Lösungen
gewähren. Ich erwähne die Exkurse über die Topographie
von Jerusalem, über die römische Armee (von
Broughton), über Simon Magus (von Casey, der es
übrigens für möglich hält, daß die berühmte Semo-Statue
in Rom doch einmal wirklich von Simonianern gebraucht
sein könnte), und über Paulus und den Magier (von
Nock). Auch die Literatur ist reichlich angeführt, so
daß das Fehlen von Weinreichs „Gebet und Wunder"
bei Acta 16,25.26 schon auffällt. Von den literarischen
Fragen zum Anfang und zum Ende der Apostelgeschichte
ist die erste von Lake zugunsten des jetzigen Textes (abgesehen
von der Streichung von (ivE/a'iiwplhi)entschieden;
jedenfalls sei nicht etwa eine Fortsetzung der Periode
mit ö£ verloren gegangen, denn niemand würde etwas so
Natürliches und Gewohntes gestrichen haben. Die Frage
des Schlusses wird nicht mit derselben Sicherheit gelöst
, doch erscheint die Annahme eines wohl überlegten
Endes an dieser Stelle, da Rom erreicht ist, als die
wahrscheinlichste.

In der chronologischen Frage, die für die Acta .ja
auch eine literarische ist, stellt sich Lake auf den Standpunkt
von Eduard Schwartz (doch ohne wie dieser den
Tod des Zebedaiden Johannes in die Zeit von Act 12
zu setzen): Act 11,30 ist bereits die Fahrt zum Apostelkonzil
gemeint, und die „erste" und „zweite" Missionsreise
fallen in Wahrheit zusammen; Ursache aller Verwirrung
ist die Benutzung verschiedener Quellen über
dasselbe Ereignis. Hier ist mein Widerspruch am entschiedensten
. Ich kann erstens nicht annehmen, daß
der Autor der Apostelgeschichte, der ja seinen Quellen
nicht ohne weiteres verfällt, ahnungslos diesen Irrtum
begangen haben sollte. Und ich finde eine unbegreifliche
Überschätzung der kurzen Notiz Act 11,30 in der
Beziehung der Worte auf den Apostelkonvent. Diese
Notiz stammt wahrscheinlich gar nicht aus einer Quelle,
sondern ist vom Autor den Angaben über Agabus und
den Kollektenbeginn hinzugefügt, um gleich die Ausführung
des Kollekten-Planes zu erwähnen; er hat sich
dann lediglich darüber getäuscht, daß die Ausführung
erst später und nicht schon vor dem Apostelkonvent
ins Werk gesetzt wurde. Im Grunde hängt dieser mein
Widerspruch natürlich mit einer verschiedenen Beurteilung
der literarischen Frage zusammen. Ich rechne mehr
als die Verfasser mit der Verwendung von Nachrichten,
die dem Autor der Acta zuflössen und auch noch mehr
mit dessen literarischer Arbeit. Ich möchte infolgedessen
zwischen der Materialverwendung und den pragmatischen
Bemerkungen des Autors scheiden, und z. B.
13,1 ff. zu der ersten Gruppe, den vorhergehenden Vers
12,25 aber zu der zweiten rechnen; ebenso ist 16,1—4
Wiedergabe von Personalnachrichten durch den Autor,

16.5 aber gehört ihm allein und steht hier durchaus
zu Recht, weil der eigentliche Reisebericht, d. h. das
Stationsverzeichnis oder was es sonst war, erst von

16.6 an beginnt. Übrigens sind die Autoren solchen
Scheidungen an sich nicht abgeneigt und führen das
Auftreten des Namens Paulus, wie mir scheint, richtig
auf das Einsetzen dieses Stationsberichtes zurück.

Die literarischen Fragen kommen im allgemeinen
mehr in den Exkursen von Cadbury zur Darstellung,
so in der über die Sammelberichte und vor allem in der
ausgezeichneten Arbeit über die Reden der Apostelgeschichte
, zu der Cadbury auf Grund seiner früheren
Untersuchungen besonders geeignet war. Hier finden
sich allerlei Gesichtspunkte, die in der Diskussion noch
immer nicht genügend zu Wort gekommen sind; etwa
der Hinweis, daß der Autor gern Dinge in Reden mitteilt
, die er in der Erzählung überhaupt nicht gebracht
hat. Und wenn ich in dieser Anzeige betont habe, daß
die Absicht der Verfasser augenscheinlich mehr auf
die Darstellung der Problematik als auf neue Theorien
gerichtet ist, so möge man nicht meinen, daß neue Gesichtspunkte
und Vermutungen völlig fehlen: ich nenne
etwa die Hypothese über die Verbindung von Taufe
und Handauflegung, die erst allmählich den Charakter
der christlichen Taufe geprägt habe, oder über die geschichtliche
Rolle des Barnabas im Unterschied von der
Stellung als Gutachter der jerusalemischen Autoritäten,
wie sie ihm die Apostelgeschichte zuweist.

Das Letzte aber, was von dem umfangreichen und
gehaltvollen Werk zu sagen ist, darf nicht den Einzelheiten
, sondern muß dem Ganzen gelten. Hier ist mit
großer Gelehrsamkeit, aber in lichtvoller Darstellung
die Welt der Apostelgeschichte beschrieben; hier ist mit
Achtung aller Einzelheiten, aber mit klarem Blick für das
Ganze des Buches wie der Zeit, die es darstellt, der
Umkreis aller in Betracht kommenden literarischen und
historischen Probleme abgeschritten. Es ist noch vieles
an der Apostelgeschichte zu tun; ich nenne nur als Aufgabe
das theologische Begreifen sowohl der alten Verkündigung
in den Reden von Kap. 2 bis Kap. 13 als
auch der ganz neuen und einen wesentlich philosophischen
Gottesbegriff ankündigenden Reden in 14 und 17.
Aber alles das kann nun ganz anders in Angriff genommen
werden als vorher, weil das Verständnis des
Buches, das allem theologischen Begreifen vorauszugehen
hat, von diesem Werk, das uns zu größtem
Dank verpflichtet, wesentlich gefördert worden ist.

Heidelberg. Martin D i b e 1 i u s.

Mnnck, Johannes: Untersuchungen über Klemens von Alexandria
. Stuttgart: W. Kohlhammer 1933. (VIII, 232 S.) gr. 8°. =
Forschgn. z Kirchen- u. Qeistesgesch. Hrsg. v. E. Seeberg, E. Caspar,
W. Weber. 2. Bd. RM 12 -.

Die Schrift, die von der Theologischen Fakultät der
Universität Kopenhagen als Doktorarbeit angenommen
wurde, war ursprünglich in dänischer Sprache verfaßt
' und wurde aus ihr ins Deutsche übersetzt, woraus
j sich einzelne sprachliche Mängel erklären. Ihren Inhalt
bilden literarische Untersuchungen über die Schrif-
| ten des Clemens von Alexandria und zwar vor allem
j im Anschluß an die Arbeiten von Eugene de Faye,
I Clement d'AIexandrie, Etüde sur les rapports du Chri-
I stianisme et de la Philosophie grecque au He siede,
< Paris 1898, 2. ed. 1906, Karl Heussi, Die Stroma-
] teis des Clemens Alexandrinus und ihr Verhältnis zum
• Protreptikos und Paidagogos, Zeitschr. f. wiss. Theol. 45
I (1902) S. 465—512, und Wilhelm Bousset, Jüdisch
-Christlicher Schulbetrieb in Alexandria und Rom,
Literarische Untersuchungen zu Philo und Clemens von
Alexandria, Justin und Irenaus, Göttingen 1915. Die
Arbeit zerfällt in zwei Teile: der erste untersucht aufs
neue die von de Faye und Heussi behandelte Frage
nach dem Verhältnis der Stromateis zu Protreptikos
und Paidagogos, der zweite geht von den Quellenunter-
! suchungen Boussets aus und erörtert im Zusammenhang
; damit das Verhältnis des Clemens zu Philosophie und
Gnosis.

De Faye suchte bekanntlich nachzuweisen, daß die
Stromateis nicht das von Clemens nach der Ankündigung
in Paid. 11,2 geplante dritte Werk sei, das als „Didas-
kalos" dem „Protreptikos" und „Paidagogos" zur Seite
j hätte treten sollen; weder der Titel noch der Inhalt der
; Stromateis entspreche dem angekündigten Werk; Cle-