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Ausgabe:

1934

Spalte:

235-239

Titel/Untertitel:

Philosophia perennis 1934

Rezensent:

Leese, Kurt

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Theologische Literaturzeitung; 1934 Nr. 13.

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Gegenden des Landes, in die auch ein Pfarrer verwickelt
war, und zeigt die gesetzlichen Maßnahmen (Todesstrafe
) gegen sie. — J. Smit: Eenige gegevens voor
de oudste geschiedenis van enkele zuidhofiandsche, pro-
testantsche gemeenten gibt aus Rechnungsbüchern zahlreiche
Personalien zur Geschichte des Pfarrerstandes
1572ff. — E. E. Gewin: Het huwelijksverbod voor
zwager en schoonzuster gibt, anhebend mit unkultivierten
Völkern, Nachrichten über Verbot und Gestaltung
der Ehe zwischen Schwager und Schwägerin. Hugo
Grotius wie Calvin verwarfen eine solche Ehe als
Blutschande, in England ist sie jetzt gestattet, in Holland
noch nicht. — Außer Bücherbesprechiungen enthält
dann der Band noch das höchst dankenswerte, von A.
Brinkerink angefertigte Register „op honderd Jaar freilief
' 1829—1929".

Heidelberg. W. Köhler.

Das Tagewerk eines Papstes. 84 Bilder, eingeleitet von Dr. P. M.
Krieg. Zürich: Orell Füßli 1929. (16 S. u. 72 Abb.) 8°. = Schaubücher
1. RM 2.40.

Pichon, Charles: Le Pape et la Cit6 du Vatican. Photo-
graphies inedites de Jean Clair-Guyot. Prcface de S. E. Mgr.
Baudrillart. Paris: Plön [1933]. (XII, 96 S. m. Abb.) gr. 8".
Diese beiden Publikationen anzuzeigen, ist ein Vergnügen. Ich habe

die wesentlich ältere deutsche der französischen beigesellt, weil sie über

der jüngeren Rivalin nicht übersehen werden sollte. Bei der deutschen

liegt der Nachdruck ganz auf der Einführung in das „Tagewerk eines

Papstes", wobei Pius XI in den Vordergrund tritt; bei der französischen

mehr auf der „Cite du Vatican", deren anschauliche Schilderung besonders
willkommen ist. Die Ausführung der Bilder ist vorzüglich, die

Erläuterungen, zumal Baudrillarts, dankenswert. Einen amüsanten

Textfehler hat Krieg selbst nachträglich verbessert. Zu Bild 55 hatte

er geschrieben: „Pius IX erhebt ... die Lehre zum Dogma, daß Maria

ohne Erbsünde empfangen habe." Ich würde das nicht erwähnen,

gäbe es nicht unter Katholiken, wie vollends unter Protestanten immer

noch solche, die mit der immaculata conceptio falsche Vorstellungen

verbinden.

Gießen. G. Krüger.

Rintelen, Fritz-Joachim von: Philosophia Perennis, Abhandlungen
zu ihrer Vergangenheit und Gegenwart hrsg. I. Bd.: Abhandlungen
über die Geschichte der Philosophie. II. Bd.: Abhandlungen
zur systematischen Philosophie. Festgabe JosefGeyserznm 60. Geburtstag
. Regensburg: J.Habbel 1930. (XIX, Xu. 1244S.)gr.8°. geb.RM37-.
Das Werk bringt einen historischen und einen systematischen
Band und ist ein Spiegel des Arbeitsreichtums
des Gefeierten, an dessen eigene Arbeiten überall
erinnert wird, und ein konkretes Beispiel weiten Horizontes
katholischer Philosophie. In- und ausländische
Gelehrte, zumeist katholischer Konfession, sind mit Arbeiten
auf allen philosophischen Gebieten beteiligt. Es
wird wohl kaum einen Rezensenten geben, der dieser
Festgabe in all ihren Beiträgen kritisch gewachsen ist.
Wir müssen uns auf die Andeutung des Wesentlichen
beschränken und machen uns nicht anheischig bei der
Vielsprachigkeit der Festgabe ihrem internationalen Charakter
gerecht zu werden. Der Verlag stellt eine Übersetzung
der fremdsprachigen Beiträge in Aussicht. Durch
das ganze Werk geht die Sicherheit des katholischen
Denkstils. Erst aus dieser Sicherheit wird weitherzig
zu allen Problemen Stellung genommen.

Wir heben heraus: Gottlieb Söhngen, Zum aristotelischen
Metaphysikbegriff (S. 29 ff.). Der Verfasser spricht von
einer Zweischichtigkeit des Metaphysikbegriffs. Die Metaphysik des Aristoteles
ist sowohl Ontologie wie Theologie.

Matthias Meier, Aristoteles als H i s t o r i ker (S. 41 ff.).
Hier wird Aristoteles als eine seltene Synthese von Historiker und Systematiker
gesehen. Die Philosophiegeschichte von Thaies bis Piaton ist
ein Bestandstück seiner wichtigsten Lehrstücke. Ob man mit dem Verfasser
bei Aristoteles von „herrlichen historischen Perspektiven" sprechen
kann, ist doch wohl im Blick auf neuere Forschung zweifelhaft. Ein
ungebrochenes Lob verdient Aristoteles als Historiker nicht.

Alois Mager, Augustinus als Mystiker (S. 85 ff.). Der
Verfasser arbeitet die interessante These heraus, daß die Mystik als Erkenntnisweise
zwischen dem Schauen der visio beata und dem schlußfolgernden
Denken eine Tatsache sei. In diesem Sinne ist auch Augu- 1 hingen, aus denen wir herausgreifen : Pau 1 S i m o n , W i ssen s ch af t s

Michael Wittmann, Neuplatonisches in der Tugendlehre
des hl. Thomas von Aquin (S. 167ff.). Die scholastische
Lehre von den Kardinaltugenden ist nicht nur durch Piaton und Aristoteles
sondern auch durch die Stoa und den Neuplatonismus bedingt.
Bei den Neuplatonikern steht die Tugend im Zeichen der Weltflucht.
Schau, Apathie, Reinigung kennzeichnen die höhere Tugend der Neu-
platoniker. Die Tugend ist ihrem Wesen nach Reinigung oder Abkehrung
von den Dingen, Hinwendung zu Gott und Verähnlichung mit
ihm, eine Auffassung, die allen Tugenden einen gemeinsamen Inhalt
geben will. Neuplatonische ethische Elemente werden der christlichen
Tugendlehre beigefügt. Die neuplatonische Weltflucht wird etwas abgeschwächt
. Die Beschäftigung mit menschlichen Dingen ist eine Sache
der Tugend. Auch der Neuplatonismus muß dem leiblichen Dasein
Rechnung tragen. Der Aquinate erweist sich auch in diesem Punkte
als harmonisierender Universaltheologe, der auch aus neuplatonischen
Quellen schöpft.

Alexius Usenicnik, Das Unbewußte bei Thomas von
Aquin (S. 181 ff.). Die philosophia perennis muß ihre Wahrheit immer
von neuem erweisen. Auch an dem neuen Problem der „Tiefen der
Seele". Wie verhält sich zu ihm die thomistische Lehre von der Indi-
viduation der Seele? Der Verfasser nennt „unbewußt" alles sich im
Subjekt vor allem Bewußtsein Vorfindende und das Seelenleben in seiner
Eigenart Mitbestimmende. Thomas wertet ,,die körperlichen Anlagen . . .
als bei seelischen Betätigungen mittätig". Es ist tatsächlich die Ansicht
des heiligen Thomas, daß die körperlichen Anlagen die Seele auch innerlich
irgendwie bestimmen. In subtilen psychologischen Erörterungen
versucht der Verfasser das „Unbewußte" bei Thomas zu eruieren und
so die philosophia perennis gegenüber der neuesten Psychologie ins
Recht zu setzen.

Bernhard Jansen gibt einen fördernden Beitrag zum Nicola
u s C u s a n u s - P r o b 1 e m (S. 269 ff.). Nach einem kurzen Überblick
über die bisherige Forschung kommt Jansen zu dem Resultat daß
„das Cusanus-Problem als Ganzes noch nicht gelöst ist". Die Forschung
kommt zu verschiedenen und sich widersprechenden Ergebnissen.
„Man wird sich damit begnügen müssen, die verschiedenen nicht zur
Einheit gekommenen Schichten bloßzulegen, das Vorherrschen der einen
über die andern, und das wahrscheinlich in verschiedenen Perioden in
verschiedenem Grad, das Ringen des Denkers mit den Problemen und
sein Nichtherrwerden über dieselben festzustellen." Gegenüber den bisherigen
Darstellungen ergibt sich dem Verfasser: „Ziehen wir aus den
bisherigen Angaben, den Zeitumständen, dem Werde- und Lebensgang,
dem Inhalt der Bücherei (im Spital zu Cues) und den Zitaten des
Cusaners das Ergebnis: so drängt sich die Überzeugung auf, daß er
keine gründliche dialektisch-logische, metaphysisch-philosophische und
dogmatisch-theologische Schulung durchgemacht hat, daß auch sein Interesse
nicht in dieser Richtung ging, sondern neben den neuen humanistischen
und mathematisch-astronomischen Fächern vor allem der Mystik
neuplatonischer Färbung zugewandt war." Da sein letztes Ziel ein praktisches
war: religiös-mystisch, kirchlich-reformatorisch, so war dem
Cusaner die Wissenschaft nur Mittel zum Zweck, vergleiche darin Leib-
niz. „Nicolaus v. Cues ist inhaltlich und formell betrachtet im weitesten
Ausmaß von Eckehart abhängig." Ob dieses letzte Wort des Verfassers
über Cusanus entscheidet, kann getrost der weitergehenden Forschung
überlassen werden, die ja im übrigen (Cassirer etwa) die modernen
Elemente auch rein wissenschaftlicher Art im Cusaner herausarbeitet. —
Unter den Beiträgen zur Philosophie der Neuzeit ragt hervor:
E. Nink, Zum ontologischen Gottesbeweis bei Kant
(S. 311 ff.). Seit Anselm sei die Diskussion um die Gültigkeit und
Eigenart des ontologischen Beweises nicht zur Ruhe gekommen. Der
Verfasser folgt interpretierend dem Abschnitt der Kritik der reinen Vernunft
: „Von der Unmöglichkeit eines ontologischen Beweises vom Dasein
Gottes." Kant spreche hier aus der innersten Haltung der Kr. d. r.
V., die gleich von den ersten Sätzen der Einleitung an jede absolute
Notwendigkeit der Erfahrungsgegenstände leugne. Nink meint: „Wenn
man Gott die absolute Notwendigkeit seines Daseins und seiner Vollkommenheiten
zuspricht, dann ist von einer Notwendigkeit die Rede,
die mit seinem Wesen gegeben ist; doch folgt aus dieser Hinsicht allein
noch nicht, daß Gott existiert." Nink gelangt zu neuer Stellungnahme.
Er will Kant gerecht werden, aber er muß ihn zugleich ergänzen.
„In dem Begriffe Gottes liegt tatsächlich sein Dasein und die Unwelt-
lichkeit seines Seins; aber diese sind nur Wesensmerkmale; dadurch ist
noch nicht erkannt, daß Gott existiert." „Bei dem Urteil: Gott existiert
, ist noch eine Unterscheidung notwendig, welche die scholastische
Philosophie hervorgehoben hat. Der Satz: Gott existiert, ist eine pro-
positio per se nota quoad se, aber nicht quoad nos; d. i. in sich gehört
das Prädikat des Satzes zum Wesen des Subjektes ; aber uns ist
deswegen die wirkliche Existenz Gottes noch nicht bekannt." Die
scharfsinnigen Analysen des Verfassers sind auch dann interessant, wenn
man einer Auseinandersetzung mit Kant von der Scholastik her nicht zu
folgen vermag.

In die unmittelbare Gegenwartsproblematik führen mehrere Abhand-

stin ein Mystiker gewesen, wie ja auch die ganze christliche Überliefe- I ideal und Philosophie in besonderer Berücksichtigung
rung ihn als den Vater der mystischen Theologie verehrt. I von Bergson. Das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft wird