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Ausgabe:

1934 Nr. 12

Spalte:

224

Autor/Hrsg.:

Kochheim, Gustav

Titel/Untertitel:

Faust im Zeichen des Kreuzes 1934

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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223

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 12.

224

nichts zu tun hat, ihr Glaubenscharakter vielmehr darin
liegt, daß sie es wagt, auf das Wort hin zu den fremden
Völkern zu gehen, so wird man einigermaßen skeptisch,
ob es nicht bei einer theoretischen Selbstbesinnung der
Mission bleiben wird, während man in der Praxis weiter
so fortfährt, als gebe es keine Krisis. Man hat bisher
die Besinnung noch nicht tief genug angesetzt, und ob
man es wagen wird, auch nur aus dem bereits jetzt
Erkannten, die logischen Folgerungen zu ziehen, bleibt
mir auch nach dem Buche Hartensteins fraglich.
Berlin. J. Witte.

dies Problem systematisch zu behandeln. Das tut es
nicht. Und darum ist man zunächst, wenn man zuerst
den Titel las und dann den Inhalt kennen lernte, etwas
enttäuscht. Aber der Inhalt ist auch so gut. Die
Mission ist in ein Stadium der Selbstbesinnung eingetreten
. Sie ist von außen und von innen schwer erschüttert
(S. 18 f.), von außen durch die religionsfeindlichen
Strömungen, den Nationalismus der Farbigen,
die Umwälzungen der Völker infolge ihrer Verwestlichung
und durch die Geldnot, von innen durch die
Frage, ob sie ihr Werk überhaupt richtig treibt. Bisher
war die Mission sehr nervös und empfindlich, wenn

man wagte an ihr Kritik zu üben, sei es auch die j Kochheim, Gustav: Faust im Zeichen des Kreuzes. Eine neue

wohlmeinendste. Auch jetzt ist hier noch nicht alles Deutung der Faustgestalt als Einführung in die Lebensphilosophie.

SO, wie es sein sollte. Aber Hartenstein hat doch An- | Hamburg: Agentur des Rauhen Hauses 1930. (200 S.) 8°. geb. RM 4.80.

Sätze zu wirklicher Selbstkritik der Mission. Was er | Der Zweck des Buches ist nicht in erster Linie ein
z. B. kritisch zu der eigenen Arbeit der Basler Mission i literarischer, sondern ein weltanschaulicher, ja ein seelauf
der Goldkuste und zum Erziehungsproblem in In- . sorgerlicher. Aus Arbeitsgemeinschaften erwachsen, will
dien ausführt, das in seinem höheren Schulwesen vor ; es Goethes Faust so deuten, daß daraus der Anstoß zu
der Tatsache steht, daß es missionarisch so gut einer Lebensphilosophie kommt. K. geht von der Unter-
wie ergebnislos ist, ist erfreulich offen und klar. Nicht scheidung des Einheits- und Besonderungsstrebens, des
immer werden freilich die Konsequenzen gezogen. Das Liebes- und Erkenntniswillens, des Triebes zur Bindung
wird deutlich an seiner Kritik des Pietismus. Er ge- , und zur Schejdung, des ganymedischen und promethei-
steht zu, daß dieser in manchem eine Verkürzung der schen PrmZ(ips aus> wobei dieS€ Gegensatzpaare etwas
Reformation brachte, daß sich sein „Absteifen auf das schematisch untereinander gleichgesetzt werden. Das
persönliche Erlebnis und auf den frommen Individualls- , Kreuz ist daher-zu n äch st die Polspannung zwischen
mus" gerächt habe und daß sein Bemuhen draußen j den Gegensätzen und damit zwischen Vollkommenheit
eine ecclesiola wahrhaft Bekehrter zu schaffen , viel | und tatsächlichem Zustand, dann aber die Durch-
Not gemacht habe. Das ist alles sehr schon. Aber j kreuzung durch eine andere Linie, die aus der 3. Dimen-
mir ist nicht bekannt, daß die Missionen nun sich sk> von Qott ^ kommt Macht das erste Kreuz
zu Arbeitsmethoden entschlossen haben, die diese Feh- | dem Tier in uns Schmerz und Unbehagen, so schmei-
ler vermeiden. Man geht ja doch die alten Wege weiter. ! chelt es uns doch mit dem Büd unserer Gottähnlichkeit;
Und bleibt beim Pietismus. Und hier liegt nun auch der ; das zweite Kreuz aber setzt unserem Streberstolz hart
Hauptmangel in bezug auf das Hauptproblem, das Har- : m stößt unsere Gottähnlichkeit in die Tiefe des Todes
tenstein am meisten am Herzen hegt Das ist die i und macht offenbar) daß nur von Oott Heil kommt.
Auseinandersetzung mit den großen Religionen, zumal ; Damit ist der religiöse Gehalt von Goethes Faust klar
mit dem Hinduismus. Hier hat Emil Brunner ganz , herausgehoben, aber ebenso deutlich gezeigt, was ihm
richtig gesehen, wenn er gesagt hat, vom Pietismus noch fehlt Die Dichtung wird zum Gleichnis gemacht,
aus ist eine Überwindung desselben unmöglich Denn , der ewige Karfreitag des faustischen Wesens zur Aufer-
was eben gerade der Pietismus an „Erlebnissen fordert | stehungskraft geführt. Diese Art, Dichtungen zu be-
und preist, das hat der Hinduismus viel besser. Nun gegnen, ist zukunftsreich und sollte viele Nachfolger fin-
bemüht sich freilich Hartenstein, und darin hat er Recht, den Ich selbst übe sie seit langen Jahren, nur daß ich dem
den Unterschied der Christusbotschaft und der Welt- Dichtwerk eine Stufe näher bleibe. Jedenfalls ist Kochreligionen
herauszuarbeiten und einen reformatorischen ; heims Faustbuch viel höher zu schätzen als das Friso
Glaubensbegriff zu gewinnen. Aber er bleibt im Halben : Melzers (Goethes Faust), der Goethe geradezu schulstecken
, weil er im Grunde doch am Pietismus fest- meistert und dabei noch behauptet, „wohl den ersten Anhält
. Das kommt sogar in einem rein Äußerlichen satz zu evangelisch-wissenschaftlicher Auslegung deuit

zum Ausdruck, in der Erbaulichkeit dieses Buches, das
theologisch sein will, in manchem auch ist. Aber ganz
theologisch ist es nicht. Theologie ist nun einmal klare
Wissenschaft, oder sie ist nicht Theologie. Sachlich
habe ich an dem, was an dem Buch theologisch-wissenschaftlich
ist, nichts auszusetzen, auch nicht religionswissenschaftlich
. Es wird viel Gutes gesagt. Was
er über den Synkretismus und das Christusbild Indiens
und den Sinngehalt des Heidentums ausführt,
ist ganz vortrefflich. Man sieht hier heute wirklich
klarer als noch vor 10 Jahren. Die These des Evolutionismus
wird heute auch von nicht-theologischen Religionswissenschaftlern
abgelehnt. Es gibt keinen allgemeinen
Religionsbegriff, unter den auch das Christentum

scher Dichtung überhaupt" zu geben (S. 11), vgl. meine
Besprechung im „Geisteskampf der Gegenwart", 1933,
S. 175 ff.

Als Beispiel dafür, wie Kochheim den tiefsten Gehalt des Faust erhebt
, sei seine Deutung des „Himmels" am Schluß erwähnt: Oott ist
nicht eine abstrakte Größe, nicht das unterschiedslose All-Eine: sondern
als der All-Eine ist er die Fülle und der Inbegriff gestalthaften Lebens.
Wir können zu Gott kommen nur auf dem Weg, auf dem der Heilige
und Gnädige zu uns kommt. Alles Geschaffene ist sein Weg; aber
auch der von Ewigkeit her Ungeschaffene ist in sich voller Gestalt.
Heidelberg. Wilhelm Knevels.

6ocben erfchien:

fällTsei eSbÄ rachtfform^So klären sich die j SHtd)tMIQtltllltt Ulli) ÄtTCBCllftTClt

Fronten. Und zur Klärung dieser Fronten kann auch 1

dies Buch beitragen. Es wirkt anregend zur Weiterar- 33o" ®tf iur- ©berftorb Steblet

beit. Und das ist viel wert. Ob freilich die Missions- | 9*ed)tsanroalt in Cetpäfg

gesell schaffen dem Neuen folgen werden? Selbst Hartenstein
kritisiert (dies mit Recht) die theologischen
Partieen des Buches „Re-Thinking Missions", aber die
sehr guten Reform-Vorschläge dieses Buches übergeht
er. Wenn man es zudem erleben muß (nicht bei Harten-

^reis geheftet 9iSDT —60

Sic 6d)rift aeigt als ben Kernpunkt bas Verhältnis oon
Äirdje unb Staat. 3)aburd) roirb ber Kampf um bas Ätrdjen*
regiment jum Brennpunkt ber 21useinanberfe§ung. 2)te
6d)rift äeidjnet bie ©runblinien biefes Kampfes oon ber

stein), daß man den Vorschlag, die Mission durch feste Deformation bis heute unb roeift als (Srgebnis ben SBeg,

Kirchenbeiträge zu stützen, als Ruin des Glaubenscha- Qllf *>?.'" unfc" 3cit Mc 5ra9e lm 6,nnc bcr ^formotion

rakters der Mission bezeichnet, obwohl die Art, wie i _ neu lo)en mufe.

man das Geld aufbringt, mit Glauben aber auch gar- i Eerldfl ber 9. £. $lHTid)5 fCÖClt ^U^anblUng, ßci^ifl

Mit einer Prospektbeilage der Aschendorffschen Verlagsbuchhandlung, Münster.
Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 23. Juni 1934.

Verantwortlich: Prof. D.W.Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14; für den Anzeigenteil: C. Kunze, Leipzig.

Verla? der J. C. H i n r i C h s'schen Buchhandlung in I.pinzier C 1 Srhprlstraßp 7 — Drnrkprpi R a 11 p r in Marhuro