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Ausgabe:

1934 Nr. 11

Spalte:

199-201

Titel/Untertitel:

Pauluskommentare aus der griechischen Kirche 1934

Rezensent:

Bauer, Walter

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199

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 11.

200

hältnisse beim Lukasevangelium durch das Marcionproblem
besonders verwickelt sind und das zweite Evangelium
von T. kaum herangezogen wird, baut sich die
Untersuchung wesentlich auf dem ersten und letzten der
biblischen Evangelien auf. Deren Text bei Tertullian
wird fortlaufend in übersichtlichen Tabellen verglichen,
einmal mit dem griechischen Wortlaut, sodann mit den
wichtigsten Italahandschriften, für Matth, mit k (Bobien-
sis), € (Palatinus), b (Veronensis), Gi (Sangermanensis),
q (Monacensis), für Joh. mit e, b, q und ff2 (Cor-
beiensis II).

Das Ergebnis, zu dem A. gelangt, hält einigermaßen
die Mitte zwischen den bisher vertretenen Auffassungen,
freilich mit Hinneigung zu Th. Zahns Ansicht, nach
der Tertullian keine lateinische Übersetzung gebraucht
hat. Die sehr zahlreichen Abweichungen der Zitate
Tertullians von den, üns bekannten altlateinischen Texten
läßt es ihm als ziemlich sicher erscheinen, daß Tertullian
auf dem griechischen Texte selbst fußt. Immerhin
will A. nicht leugnen, daß es schon vor Tert.
lateinische Übersetzungen gegeben hat, die ihm durch
kirchliche Verwendung bekannt geworden sind und gelegentlich
seine eigene Übersetzung beeinflussen.

Man scheidet auch von dieser Studie mit dem, von
A. ausdrücklich bekräftigten, Empfinden, daß es sehr
schwer ist, hier zu abschließenden Einsichten zu gelangen
und daß sich größte Vorsicht im Urteil empfiehlt.
Auch muß die Möglichkeit offengehalten werden, daß
Tertullian weder zu allen biblischen Büchern den gleichen
Standpunkt eingenommen, noch durch die Jahrzehnte
seiner schriftstellerischen Tätigkeit hindurch den
einzelnen ntl. Schriften gegenüber eine einheitliche Haltung
bewahrt hat. A. weist z. B. darauf hin, daß, während
sich in adv. Praxean die genauen Zitate aus dem
Johannesevangelium häufen, in den anderen Traktaten
dieses Evangelium überwiegend in einer Form angeführt
wird, die die Annahme selbständiger Übersetzung durch
Tertullian nahelegt.

Göttingen. W. Bauer.

Staab, Prof. Dr. Karl: Pauluskommentare aus der griechischen

Kirche. Aus Katenenhandschriften gesammelt. Münster i. W.: Aschendorff
1933. (XLVIII, 674 S.) gr. 8°. = Neutest. Abhandlgn. Hrsg. v.
M. Meinertz. XV. Bd. RM 31.85.

Nach zehnjähriger Beschäftigung mit den griechischen
Katenenkommentaren zu den ntl. Briefen läßt
Staab der 1926 in Rom erschienenen gründlichen Erforschung
der handschriftlichen Überlieferung („Die Pau-
luskatenen nach den handschriftlichen Quellen untersucht
") seine Ausgabe der in den Katenen erhaltenen
Pauluskommentare folgen. Er hat damit allen denen
ein kostbares Geschenk gemacht, denen die altchristliche
Literaturgeschichte am Herzen liegt und die andererseits
eine Ahnung davon haben, was die alten
griechischen Ausleger für ein sprachliches und sachliches
Verständnis des NTs. beizusteuern vermögen. Ihr
Dank wird umso wärmer sein, wenn sie ihrer eigenen
Gefühle gedenken bei dem Versuch, sich mit den
Drucken der A. Mai, J. A. Cramer oder auch solcher
Früherer, die wie O. F. Fritzsche (zu Theodor von
Mopsuestia) von jenen abhängig waren, den Gegenständen
zu nähern, oder wenn sie es einmal versucht
haben, den byzantinischen ,,'Bibelgelehrten" ökumenius,
Theophylakt und Euthymius Zigabenus mit den vorhandenen
unzulänglichen Hilfsmitteln hinter ihre Schliche
zu kommen. Diese, wesentlich von der Wiederholung
der Weisheit des Chrysostomus lebenden, Skribenten
werden, wie zu hoffen steht, in Zukunft aus der gelehrten
Behandlung neutestamentlicher Schriften verschwinden
.

Der Titel des Buches, wie die den „Inhalt der Ausgabe
" beschreibenden Sätze (S. VII) versprechen nicht,
den exegetischen Stoff zu den Paulusbriefen, soweit
er in Katenen erhalten ist, beizubringen, sondern sie
setzen als Ziel die Wiedergewinnung der in der griechischen
Kirche vorhandenen Pauluskommentare, soweit
j sie von Kettenhandschriften aufbewahrt worden sind.
Damit scheiden planmäßig die zahlreichen Bruchstücke
aus, in denen Athanasius, die Kappadozier, Isidor von
i Pelusium u. a. sich über Paulusworte ausgesprochen
; haben, „da sie sicherlich nicht eigentlichen Kommentaren
entnommen sind".

Noch eine weitere Verkürzung findet insofern statt,
als die Katenen auch dann zu schweigen haben, Wenn,
wie im Falle des Chrysostomus und des Theodoret,
| die Auslegung, aus der sie schöpfen, noch vollständig
in der Ursprache erhalten ist. Endlich bleibt beiseite,
i was von Katenenfragmenten bereits in brauchbaren Aus-
J gaben vorliegt oder doch in Bälde vorhanden zu sein
| verspricht: Cyrill von Alexandrien (ed. Ph. Ed. Pusey
III 1872), die griechischen Überbleibsel der Erklärung
der zehn kleinen Paulusbriefe von Theodor von Mopsuestia
(ed. H. B. Swete, 2 Bde. 1880/82) und Origenes
(Ausgabe der Berliner Akademie).

Das Programm wird nicht genau eingehalten —
aber wir wollen uns nicht beschweren, denn wir
empfangen mehr, als uns zukommt — weil z. B. gleich
das erste Stück über Rom. 7 von einem Manne stammt,
der nie einen Römerbriefkommentar geschrieben hat,
von Didymus von Alexandria, mutmaßlich aus seiner
Schrift gegen die Manichäer. Auch bei manchem anderen
der mitgeteilten Abschnitte bleiben Zweifel übrig,
ob sie aus einem „eigentlichen Kommentar" stammen,
selbst wenn man diesen Begriff so weit faßt, daß er
auch die „Vermischten Probleme" des Akazius von Cä-
sarea (S. XXIII) mit begreift. Da — vor allem bei der
gekennzeichneten Begrenzung des Gegenstandes — von
„Klemens v. AI., Dionysius v. AI. und Methodius"
(S. VII) wirklich nichts zu erwarten war und auch
Origenes ausgeschlossen bleibt, beginnt die in unserem
Bande vereinigte Schriftdeutung erst mit der nachkon-
stantinischen Zeit.

Elf Ausleger kommen im Ganzen zum Wort, darunter
acht aus dem vierten und fünften Jahrhundert:
außer den schon genannten Didymus und Akazius noch
Eusebius von Emesa, der einen Kommentar zum Galater-
brief verfaßt hat, Apollinaris von Laodicea mit seiner
Römerbriefauslegung, Diodor von Tarsus, der Begründer
der antiochenischen Schule und als solcher von Einfluß
auf die beiden Folgenden, Theodor von Mopsuestia und
Severian von Gabala (S. XXVf., XXXI), gleichfalls
zum Römerbrief. Es schließen sich an die Bruchstücke
zu den vier großen Briefen (Rom. 1.2. Kor. Hebr.) von
Theodor, der aber ebenso wie Severian sämtliche Schreiben
des Apostels erklärt hat (s. oben). Severian scheint
seinen Pauluskommentar in zwei verschiedenen Bearbeitungen
der Öffentlichkeit vorgelegt zu haben (XXXIII ff.),
was in der Druckanordnung zum Ausdruck kommt.
Ins fünfte Jahrhundert gehört endlich noch Gennadius
von Konstantinopel (f 471), bei dem wir uns wiederum
im wesentlichen auf Rom. beschränkt sehen.

Besonders folgenreich ist die von St. bereits in seinem
früheren Buche angebahnte Prüfung der Rolle gewesen
, die Ökumenius von Trikka (6. Jahrh.) als Pau-
lusexeget spielt. Schon damals war er zu dem Ergebnis
gelangt, daß jene große Kompilation zu sämtlichen Paulusbriefen
, auf der des Ökumenius Ruhm beruht, ihm
nicht gehört. Sie enthält vielmehr nur eine Anzahl
Scholien von seiner Hand, die unsere Ausgabe zusammenzustellen
unternommen hat. Darüber hinaus gelangt
St. jetzt zu der Einsicht, daß Ökumenius überhaupt
eigentlich nur als Codexschreiber anzusehen wäre.
Er hat lediglich die Paulushomilien des Chrysostomus
abgeschrieben und dazu am Rande eigene Bemerkungen
gemacht unter Berücksichtigung früherer Theologen von
Klemens von Alex. an.

Den größten Raum nimmt Photius von Konstantinopel
(etwa 820—891) ein. Wir erhalten hier zugleich
mit dem Nachweis, daß es einen Kommentar zu den
Paulusbriefen aus der Feder des Photius wirklich ge-