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Ausgabe:

1934 Nr. 10

Spalte:

189-191

Titel/Untertitel:

Die deutsche evangelische Heidenmission; Jahrbuch 1931 1934

Rezensent:

Witte, Johannes

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189

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 10.

190

Die deutsche evangelische Heidenmission. Jahrbuch 1934 der
vereinigten deutschen Missionskonferenzen. In ihrem Auftr. hrsg. von
Dr. W. Frey tag. Hamburg [13, Alsterchaussee 11]: Verl. d Deutschen
Evangel. Missionshilfe 1934. (120 S.) gr. 8°. RM 1—.

Das Missionsjahrbuch bringt wie jedes Jahr auch
diesmal wieder recht interessante Aufsätze. Aber das
Eigene dieses Jahrganges ist dies, daß die Aufsätze,
die am meisten Interesse erwecken dürften, nicht solche
sind, die von der Arbeit auf den Missionsgebieten draußen
handeln. Sondern der eine Aufsatz von besonderem
Interesse ist der von Professor D. K. D. Schmidt über
„die Germanisierung des Christentums im frühen Mittelalter
", der andere der von D. Knak über „Grundsätzliches
zur Neuordnung der Mission in der Kirche".
Der Aufsatz von Schmidt bringt recht lehrreiche Gesichtspunkte
und für den, der nicht Kirchenhistoriker
ist, auch gutes, neues Material. Aber er gesteht selbst
zu, daß die Frage der Germanisierung des Christentums
wirklich gründlich bisher noch nicht untersucht worden
ist. Nach meiner Meinung fehlt es bei der Behandlung
der Frage oft einfach an der Klarheit der
Fragestellung. Man muß doch erst einmal genau sagen,
was man in diesem Zusammenhange unter dem Begriff
Christentum versteht. Es hat dies Wort einen
dreifachen Sinn. Es bedeutet 1. die christliche Botschaft
, das Evangelium oder wie man es nennen will
(Christusbotschaft). 2. Den subjektiven Heilsbesitz der
Christen. 3. Das Christentum als Gesamterscheinung
in der Kirche und allen Ausstrahlungen seiner Wirkung
auf die Umwelt. Was ist denn nun germanisiert worden
? Die Botschaft nicht, die bleibt immer dieselbe.
Die subjektive Heilsaneignung und der subjektive Heilsbesitz
ist auch derselbe, es gibt keinen besonderen
Weg des Germanen zu Gott als den der Buße und Begnadigung
und keinen anderen Heilsinhalt für den Germanen
als für jeden andern Menschen. Bleibt nur die
Germanisierung der äußeren Gestalt der Kirche, ihrer
Verfassung, ihres Kultus, der Sitte usw. Wenn aber
doch in der Geschichte das Christentum bei uns in
bezug auf Punkt 1 und 2 „germanisiert" worden sein
sollte, dann würde es Entartung sein und nicht zu
billigen. Aber über diese Dinge bringt der Aufsatz von
Schmidt keine Klarheit. Er gebraucht das Wort Christentum
nicht in klarer Weise.

Der Aufsatz von Knak behandelt gleichfalls eine
sehr wichtige Frage, aber die Art der Behandlung der
Frage durch Knak ist in keiner Weise befriedigend. Knak
sagt zwar, die deutsche Mission stehe an einem kritischen
Punkt, wie Professor Richter schon früher gesagt
hat, die heutige Krisis der gesamten Mission sei
so tiefgreifend, daß nun neue Wege gesucht werden
müßten. Also, auch Knak gibt die Tatsache der Krisis
zu. Aber einer gründlichen Änderung der Dinge, um die
es geht, ist er in keiner Weise geneigt. Denn daß die
deutsche Mission so geworden sei, wie sie sei, das sei
Christi eigenes „Kirchenregiment". Das dürfe nicht als
Fehlentwicklung „zu irgend einem Punkte der Geschichte
von Menschenhänden wieder zurückgebogen werden"
(S. 9). Ich gratuliere Knak zu diesem hervorragend
katholischen, ja überkatholischen Standpunkt! Dann war
Luther ein verruchter Rebell. Denn er hat die Geschichte
der Kirche als „Fehlentwicklung" um 1500 Jahre zurückgebogen
! Die Folgerung von Knaks Standpunkt wäre,
daß es in der evangelischen Mission Fehlentwicklungen
nicht geben könne! Soll ich ihm aus der Missionsgeschichte
ungezählte Fehlentwicklungen nachweisen? Aber
das Eigenartige ist dies: Zwar hat Christus selbst nach
Knak die Art der deutschen Missionsentwicklung geleitet
, ohne Fehl, aber daß es dann 30 deutsche jvfis-
sionsgesellschaften geworden sind, das, so sagt Knak:
„Ist schlechterdings nicht mehr aus einer inneren Notwendigkeit
zu rechtfertigen" (S. 14). Hier, wo Knak
etwas als Ergebnis der angeblich fehlerfreien Entwicklung
nicht paßt, da ist plötzlich doch Fehlentwicklung!
Und dabei wird natürlich jede der 30 Gesellschaften

in sich die Überzeugung haben, sie sei von Christus
gewollt, so gewollt! Nein, so wie Knak das hier tut,
kann man diese Probleme nicht anpacken. Wie dem
ganzen Barmer Beschluß über die deutsche Mission
im Rahmen der neuen Zeit, so haftet auch den Gedanken
von Knak eine unheilvolle Halbheit an, und daher
kommt der Versuch, das geschichtlich Gewordene unter
allen Umständen als gottgemäß zu verteidigen. Und
) keine gründliche Änderung als nötig zuzugeben. Man
will z. B. Hilfe von der Kirche. Aber die Kirche soll
in der Mission beileibe nichts zu sagen haben. Welchem
Vertreter der Kirche will Knak die klägliche Rolle zu-
i muten, die er den Vertretern der Kirche in den Missionsvorständen
zubilligt? Das wären ja doch nur Puppen
! Dabei kann nur eine zielbewußt geleitete, kirchlich
geleitete Ge s a m t mission der unheilvollen Zersplitterung
wehren, die heute herrscht. Wir haben das
I ja eben erst erlebt. D. Richter und D. Knak haben der
j Hermannsburger Mission gesagt, sie müsse ihre Mis-
1 sion in Abessinien aufgeben. Aber die Hermannsburger
Mission denkt garnicht daran, das zu tun, sondern er-
i klärt, Christus wolle, daß sie in Abessinien arbeitet!
Was Knak gegen meine Reformvorschläge geltend macht,
ist alles andere als einleuchtend. Ich habe nicht nur
im Reichsboten darüber geschrieben, sondern auch in
der D. A. Z. vom 17. November. Die Einzelheiten stehen
zur Diskussion. Es gibt zwei Wege zur Reform. Aber
| daß von Grund auf reformiert werden muß, wenn aus
j der deutschen Mission etwas werden soll, das kann
I doch eigentlich niemand im Ernst leugnen. Man denke
i doch nur an wenige Tatsachen: Wir haben in dem
j englischen Südafrika mit 9 Millionen Farbigen mehr
Missionare als in China mit 480 Millionen Einwohnern!
Wir haben in Südafrika hundert mal soviele Missionare
als in dem doch wahrhaftig wichtigen Japan! Und das
alles infolge der Missions-Kleinstaäterei, die jede großzügige
Arbeit unmöglich macht. Und die Tatsache bringt
eben auch keiner aus der Welt, daß wir Deutschen
keine Missionshochschule haben. Was Basel hat, ist
kein Vollwerk. Was Knak über das Übergewicht der
Anstalten über die Gemeindearbeit sagt gegen meine
Vorschläge, ist vollständig abwegig, denn wir haben
ja überhaupt keine großen Anstalten in
der deutschen Mission. Man will eben keine
Änderungen. Man sollte (abgesehen vom Theologischen)
auf das Buch „Rethinking Missions" mit aller Auf-
i merksamkeit hören. Das täte auch der deutschen Mis-
i sion dringend not. Aber statt dessen verharmlost man
die praktischen, hochbedeutsamen Reformvorschläge des
j Buches, wie J. Müller das in diesem Jahrbuch in bezug
auf China tut, oder man flößt den „Missionsfreun-
den" vor diesem Buche und vor mir Schrecken ein,
indem man sagt, seit lange habe kein Buch in
Amerika auf den Missionswillen so katastrophal lähmend
gewirkt wie dieses. Überlegt Knak nicht, daß doch
auch die Möglichkeit besteht, daß eben dieser amerikanische
„Missionswille" falsch sein könnte, wenn er
von diesem Buch so erschüttert werden konnte? Man
hatte eben auch in Amerika von der Mission ein fal-
j sches Bild, das dies Buch allerdings in vielem zerstört
hat, Gottlob! Ich wiederhole, man will eben nicht
j hören! Man hat auf G. Warneck nicht gehört, wenn
er forderte, daß man nur Theologen senden solle. Knak
i erklärt hier wieder, man müsse weiter Seminaristen
J senden. Was er gegen die Akademiker aber sagt, gilt
j natürlich erst recht gegen die Seminaristen. Also, auf
Warneck hört man nicht. Man hat auf Graul nicht gehört
, auch nicht auf Schomerus. Man wird auch heute
i nicht hören. Die Missionen nicht. Man hat dabei dieselben
Argumente bei der Hand wie in der Politik für
die Kleinstaaterei! Genau die gleichen. Aber vielleicht
greift nun doch die Kirche ein. Es wäre wahrhaftig
[ Zeit. Um des heimischen Lebens der Kirche willen.
Um der Arbeit draußen willen. Die kleinen Reformen,
die Knak nach den Barmer Beschlüssen vorschlägt, wer-