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Ausgabe:

1934 Nr. 10

Spalte:

179-181

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Carl

Titel/Untertitel:

Ein Mani-Fund in Ägypten 1934

Rezensent:

Heussi, Karl

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179

Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 10.

180

Goldschmidt, Lazarus: Der babylonische Talmud. Neu übertragen
. Baba Qamma. Baba Meciä. Berlin: Jüdischer Verl. 1933.
(VI, 865 S.) 8°. = ^bnn -nribn Der babylon. Talmud. Nach d.
ersten zensurfreien Ausg. unter Berücksichtigung d. neueren Ausg.
u. handschriftl. Materials neu übertragen. 7. Bd.

i. Subskr. Lwd. RM 18-; Hldr. 22.50.

Die Befürchtung, daß dieses nützliche Unternehmen
unter der Ungunst der Zeitumstände zum Stillstand
kommen könnte, ist durch das Erscheinen dieses 7. Bandes
als unnötig erwiesen. Es ist für seinen Fortgang
günstig, daß in dem gegenwärtigen Augenblick
dieser Band zwei Traktate bringt, die nicht nur für
den Theologen von Interesse sind, sondern ebenso den
Juristen und den Volkskundler wie den Kulturhistoriker
angehen. Denn die in diesen und dann auch den folgenden
Traktaten beschlossenen und diskutierten
Rechtsmaterien fordern eine Verknüpfung mit gleichartigen
Materien nach rückwärts wie vorwärts, um in
ihrer Eigenart und eventuell in ihrem Fortschritt erkannt
zu werden. Dazu wird der Scharfsinn in der
Durchdenkung der Rechtsmaterie und das stark entwickelte
Rechtsgefühl uns zur Bewunderung zwingen.

Einrichtung, Charakter und Ausstattung des Werkes
sind unverändert geblieben. Darum auch ist der Wunsch
zu wiederholen, daß auch bis in die Kleinigkeiten der
Übersetzung hinein Genauigkeit herrschen möge, weil
so nicht nur für ein erstes Verständnis gesorgt ist,
sondern damit auch eine für die wissenschaftliche Diskussion
ausreichende Grundlage geschaffen sein würde.
Auch dieses Mal sollen ein paar Beispiele das Gemeinte
erläutern.

Warum wird S. 274 in Baba Qamma fol. 81b „Säge", wofür es ja
ein besonderes Wort gibt, übersetzt, während der Text nur ein Schneideinstrument
fordert? Warum wird S. 695 Anm. 2 die sicher richtige
Textkonjektur Tip statt "Up gemacht, dagegen die durch die Cambridger
Mischna und den cod de Rossi 138 bezeugte einzig richtige Lesart
„Zenon" in Baba Megia V, 3 überhaupt nicht erwähnt? Warum wird
S. 492 Anm. 496 zur Erläuterung auf Syn Fol. 23 a hingewiesen, auf
der nächsten Seite ein Citat aus Schebu'ot VII 7 nicht einmal als solches
gekennzeichnet, noch weniger die Herkunftsstelle angegeben, wie auch
gleich darauf die Worte aus Sabb. 31b nicht angemerkt sind? Schwer
verständlich ist S. 154 B q 45 b die Übersetzung: „er hat daher die
voraussetzlich nötige Bewachung übernommen, daß er nicht hingehe und
andere beschädige." Warum wird nicht wörtlicher und damit klarer
übersetzt: „Stillschweigend ist es so, daß er nicht hingeht und andere
schädigt; aber daß andere kommen und ihn schädigen, ist ihm nicht in
den Sinn gekommen." Vielleicht hätte S. 674 B m fol. 70 a die Lesart
des Cod. Monac. Erwähnung verdient: „Waisen, die Geld (*W) verzehren
, das ihnen" usw. „Wieso denn" S. 534 Textzeile 3 v. u. (B m
fol. 31c) ist unklar; „warum dann?" wäre klarer gewesen. Ebenso
hätte es in der Fortsetzung besser geheißen: „(Er meint) immer, daß
er bewacht wird."

Diese wenigen Beispiele beweisen die Möglichkeit
einer Erhöhung der wissenschaftlichen Brauchbarkeit.
Es soll noch hervorgehoben werden, daß der Satz außerordentlich
rein ist. Trotz des großen Umfanges des
866 Seiten starken Bandes kommen Druckfehler kaum
vor.

Goslar/Harz. Hugo Duensing.

Schmidt, Prof. D. Dr. Carl, und Dr. H. J. Polotsky: Ein Mani-

Fund in Ägypten. Originalschriften des Mani und seiner Schüler.

Mit einem Beitrag von Dr. h. c. H. Ibscher. Berlin: Akad. d.

Wissenschaften, W. de Gruyter & Co. in Komm. 1933. (89 S. u.

2 Taf.) gr. 8°. = Sonderausg. a. d. Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d.

Wiss., Phil.-hist. Kl. 1933 I. RM 7.50.
Die Entdeckung einer Anzahl von Originalschriften
des Mani und seiner Schüler, mit der Carl Schmidt
die gelehrte Welt überraschte, bedeutet fraglos eine
Sensation. Denn so dankenswert das Material war,
mit dem uns Expeditionen nach Turfan, Chinesisch-
Turkestan und der chinesischen Provinz Kan-su seit
1902/03 beschenkt hatten, es trug doch nur zur Kenntnis
einer späteren.....Phase des östlichen Zweiges des

Manichäismus bei. Dagegen sind wir jetzt in den Besitz
wirklicher manichaischer Originalschriften gelangt,
in einer bis ca.. 400 hinaufreichenden handschriftlichen
Überlieferung; wir besitzen nun in den „Kephalaia"

unbedingt Manis Lehrsystem ohne jede Verfälschung
(S. 62); so muß man von einem „Wendepunkt der
Maniforschung" sprechen. Auch für die Erforschung
des Mandäismus dürften sich neue Aussichten eröffnen
(s. 641). Schm. gibt zunächst eine Schilderung
der Auffindung, Erwerbung und Bergung der Papyri;
leider hatten die ägyptischen Händler, als Schm. in
Kairo den entscheidenden Fund machte, schon einen
Teil davon an Mr. ehester Beatty veräußert, so-
daß sich nun Berlin und London in den Besitz der Dokumente
teilen. Durch lange anhaltende Lagerung in
feuchter Gegend waren die Papyri in so desolaten Zustand
geraten, daß sie bei längerem Unentdecktbleiben
gänzlich unverwendbar geworden wären; überdies sind
sie von den Handschriftenhändlern teilweise durcheinandergeworfen
und unsachgemäß behandelt worden; als
die Handschriften in das Berliner Museum gelangten,
wurden sie von einigen als vielbenutzte Fußmatten, von
anderen als Ballen Torf angesprochen (S. 81). So bedarf
es schon der virtuosen Konservierungstechnik von
Dr. H. I b s c h e r, um die Blätter brauchbar zu machen,
um von der Schwierigkeit der Entzifferung, an der
H. J. Polotsky mitgewirkt hat, ganz zu schweigen.
Aus der Verwendung des sub-achmimischen Dialektes
erschließt Schm. die Gegend von Assiut als Ursprungsort
der Übersetzung der vorliegenden Manibücher; die
Sprache, aus der sie übersetzt sind, ist das Griechische.
Er vermutet, daß die Übersetzung für die Zwecke der
manichäischen Propaganda in Ägypten hergestellt wurde
und daß die Papyri später in den Besitz eines Mani-
chäers übergingen, der seinen Sitz in Fajüm hatte
(S. 11). Durch kritische Ausbeutung von Nachrichten
in den Acta Archelai, bei Epiphanius, Alexander von
Lykopolis, Serapion von Thmuis, sowie einigen Papyrus
- und Pergamentfragmenten gewinnt Schm. ein
anschauliches Bild von Verbreitung und Bekämpfung
des Manichäismus in Ägypten im ausgehenden 3. und
im 4. Jahrhundert (S. 11—17). Nach dieser einleitenden
Orientierung bietet dann ein größerer Abschnitt (S.
17—34) eine Übersicht über die entdeckten Handschriften
, auch die jetzt in London liegenden. Die Hauptmasse
der Abhandlung (S. 34—81) verdeutlicht mit
Hilfe ausgewählter Stücke aus den „Kephalaia" die
Bedeutung des Fundes für die Mani-Forschung. Der
letzte Teil (S. 81—89) bietet eine Beschreibung der
Handschriften und in einem Anhang koptische Texte.
Die Ergebnisse für Manis Schriftstellerei, Lehre, Ziele,
Lebensumstände sind schon jetzt höchst bedeutsam; man
darf gespannt sein, welches Gesamtbild sich ergibt,
wenn Konservierung und Entzifferung der Handschriften
, die geraume Zeit in Anspruch nehmen, beendigt
sein werden. Aber schon der von Schm. erstattete vorläufige
Bericht ist eine Veröffentlichung, wie wir sie
nicht alle Tage erleben.

Unter den vorliegenden Berliner Handschriften sind die wichtigsten :
1) die Kephalaia (xecpdtaua roD öiöaojcäXoi), d. i. Manis), mehr
als 520 Seiten und mehr als 172 Stück umfassend, Lehrvorträge Manis
an seine Jünger, von größter Mannigfaltigkeit des Inhalts: „kaum ein
Problem der manichäischen Lehre ist unerörtert geblieben" (S. 22). Dazu
kommt 2) die zweifellos auf Mani zurückzuführende Briefsammlung
, die von Anfang an zum heiligen Schriftenkanon Manis gehört
hat und die als Quelle für die Zeitgeschichte Manis von größter Bedeutung
sein dürfte. 3) Ein weiteres Papyrusbuch ist historischen
Inhalts, berichtet z. B. über Manis Tod und über die Zeit nach seinem
Hinscheiden. Von den Londoner Papyrusbüchern ist das wichtigste eine
Sammlung von Psalmen, mehr als 230 Stück enthaltend, von reichstem
Inhalt, wertvolle Quelle zur Frömmigkeitsgeschichte. Ein zweites
Buch enthält Homilien, darin ein getreuer Bericht über Manis letzte
Tage (von diesem Buch ist ein umfangreicher Teil nach Berlin gekommen
). Ein drittes hängt vielleicht mit dem „lebendigen Evangelium"
Manis zusammen. Über ein viertes läßt sich noch nicht viel sagen. —

Schon die Untersuchung nur von drei Abschnitten der Kephalaia,
die uns S. 34 ff. geboten wird, ist erstaunlich ergiebig. Aus Kap. 148,
in dem Mani selbst von den fünf (eigentlich sieben) Bestandteilen seines
Schriftenkanons spricht, ergeben sich interessante Schlüsse auf seine
Weltmissionspläne und Missionsreisen (nach Indien, Persien, Babylonien,
Mesene, Chüzistän, Parthien usw.), seine Beziehungen zum Buddhismus,
seine Beurteilung der älteren Weltreligionen, seine Lebensumstände