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Ausgabe:

1933 Nr. 10

Spalte:

172

Autor/Hrsg.:

Carlebach, Joseph

Titel/Untertitel:

Die drei großen Propheten. Jesajas, Jirmeja und Jecheskel. Eine Studie 1933

Rezensent:

Caspari, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 10.

172

und zu Pergament und Papyrus führen, da doch S. 21
von der Mesa-Inschrift handelt?

In der vorköniglichen Zeit wird nicht der Entstehung
des Volkstums nachgegangen; Israel ist überhaupt
kein Personenname! Abraham, dessen Name durch
Zerdehnung verlängert sein soll — sogar für Elohim wird
der gleiche Vorgang gelehrt! — gehört zu den Habiru.
Daß damit für das Verständnis von Gen. 12—21 nichts
gewonnen würde, ist wohl leicht zu sehen. Die hierdurch
bedingte enge Chronologie gestattet nun freilich
kaum mehr das Werden eines Volkstums. Bezüglich
des Sinaj schließt sich der Verf. noch an Guthe an —
obwohl er mehrfach Verdienste Ed. Meyers, auch problematische
, rühmt. Ein Beispiel von Verjüngungs-Berechnung
sind die 6 000 (S. 60) statt überlieferter
600 000, parallel dazu 25 000 gegenüber 272 Millionen
(ebenda, s. aber S. 67: 3000 etc.). Zimmermanns Zahlen
(Klio 1927) kommen den schlichten Angaben der
Amarnabriefe doch erheblich näher. Indem der Verf.
ausführen möchte, eine Midjanitische Herleitung des
mosaischen Gottesglaubens treffe dessen Wesen nicht,
glaubt er letzteres mit Ausschließlichkeit Bildlosigkeit
und Bundesgedanke umschreiben zu können S. 63. Hiermit
ist er dann bei einer Formaltheologie angelangt, obgleich
er S. VII die Bearbeitung des Stoffs durch Theologen
, zu denen er doch wohl auch die jüdischen rechnet
, tadelt. Und damit, daß der Theologe der Aufgabe
eines vollkommen durchgebildeten Geschichtsforschers
nicht genügt, hätte er an sich durchaus Recht. Nur
warten die Theologen immer noch auf den Nichttheo-
logen, der ihnen diese Arbeit, in der sie Aushelfer sind,
abnimmt. Gerade in der Gründungszeit Israels ist der
bisherige Vorantritt des Theologen doch in dem Gegenstande
begründet. Denn ein unableitbares Volkstum als
Voraussetzung kann den Leser nicht zufrieden stellen;
gar zu leicht finden sich dann Vorwegnahmen hinzu
wie S. 70: „ungewöhnlich begabte Völker wie Israeliten
und Griechen"; Offenbarung der — Genialität der Rasse,
hier in Religion, anderswo in Baukunst und zwar beiderseits
zu Anfang der nationalen Geschichte. Das sind
Sätze, an denen ein Theologe kein Interesse hat, ein
Historiker aber ebensowenig. Baukunst und Religion
liegen nicht auf einer Ebene. Nach S. X u. 3 ist das
Spezifische der Israeliten ihr geschichtlicher Sinn (S.175).
Dann aber löst eine nach rückwärts, nämlich in den
Pentateuch, erstreckte Ebjatar-Hypothese die Grundlagen
dieser Behauptung auf; der geschichtliche Sinn blüht
in einer einzelnen Familie. Ebjatar-Hypothese hat ausgedient
; in keiner anderen Literatur eines Einzelvolks
würde man seine wissenschaftliche Zuflucht zu einem
solchen Glücksfalle nehmen. Worte, die S. IX über den
gelehrten Apparat gesagt sind und deren Berechtigung
im Übrigen auf sich beruhen kann, hätten Geltung
gegenüber der Quellenkritik des Vfs. Es gibt aber, um
bei dem von dem Vf. gewählten Bilde zu bleiben, neben
gelehrten Geräuschen noch andere, die nicht anerkennenswerter
sind; so S. 61: die Frage nach dem Dasein
eines persönlichen Mose sei nicht ernsthaft zu
stellen. S. 52 findet abgesehen von der Unmöglichkeit
eines exakten Nachweises die Wahrscheinlichkeit groß
genug, daß Verwandte der Israelstämme oder Teile dieser
in vormosaischer Zeit in Palästina saßen. Vielmehr
besteht bis zur Erbringung des exakten Nachweises die
Unwahrscheinlichkeit. Inwiefern ist der geistige Inhalt
der mosaischen Stiftung eine weltgeschichtliche (S. 69)
Größe? Was ist „das Theologische" (S. IX)? Was
eine sekundäre Stätte des Völkergottes S. 65?

Was der Vf. über die Stadt Tamar, über die Aristokratie
bei den Philistern, den Separatismus (S. 55), Ur-
dekalog, Geographie u. A. sagt, ist teils richtig, teils
erwägenswert. Überhaupt hinterläßt das redliche Bemühen
des Vf.s einen sympathischen Gesamteindruck.
Kiel. Wilhelm Caspari.

Carlebach, Joseph: Die drei großen Propheten. Jesajas,
j Jirmeja und Jecheskel. Eine Studie. Frankfurt a. M.: Hermon-Verl.
i 1932. (VIII, 133 S.) 8°. KM 3—; geb. 4-.

Die Broschüre, welche der Lebhaftigkeit den Vorzug
: gegenüber der Sprachreinheit gibt, gewährt einen Einblick
in eine chronische Krise der heutigen jüdischen
| Theologie. Doch können Meinungsverschiedenheiten auf-
j treten, ohne die Beteiligten bis in die Tiefe des Gegen-
| Satzes zu führen, wo er erst zwingend wird. So sagt der
J Vf. nicht, e r sehe in den drei Propheten den Schwer-
| punkt des Alten Testaments, und wenn er in der oft ge-
| hörten Weise Jirmeja den zweiten Mose, Mose den einzigen
Nicht-Ekstatiker gegenüber den alttestamentlichen
Propheten nennt, so bedeutet das letztlich doch wohl
j wieder daß der Schwerpunkt im Pentateuch liege. Mit
Gegnern, unter denen Vf. ausnahmsweise S. 71 M. Lazarus
nennt, hat es Vf. zu tun, um die Grenze des Intel-
j lekts innerhalb der prophetischen Verkündigung zu bestimmen
: Jeremja konnte den Untergang der Heimat
aus ihrer Schuld ableiten und hätte gleichwohl diese
I Einsicht für göttliche Eingebung halten können; doch
j dann hätte er kein Recht zu einem Einsprüche gegen
I seine prophetischen Gegner. Erst daß er zugleich den
[ Untergang für bedingt verm eidlich hält (S. 74f.),
ist ein überintellektuelles Element in seinem Innenleben
und hebt die Voraussetzung, die Untergangsdrohung beruhe
auf einer durch Zeitbetrachtung gewonnene Er-
j kenntnis, auf. Ein gewiß beachtenswertes Argument
gegen eine verstandesmäßige und daher letzten Endes
psychologische Herleitung der alttestamentlichen Aus-
i sagen über Gott, das sich aber verleugnet und um seine
j Wirkung bringt, wenn es einem Schlußverfahren einge-
| ordnet wird: also muß der Prophet, der droht und
I verheißt, von einem jenseits der gesetzmäßigen Be-
j stimmtheit menschlicher Handlungen Stehenden abhän-
| gen und dieser Jenseitige muß eine Wirklichkeit sein.
Ist dieser Schluß statthaft, so wäre man an seinem Ende
in Bezug auf Gewißheit und Wirklichkeit nicht weiter
als zuvor. Dies muß namentlich von einer Theologie
gelten, die ein Wirken Gottes nur als kooperatives
kennt (S. 6), worunter hier deutlich die Homogenität
des beiderseitigen Wollens verstanden wird. Ist sachlich
das, was Gott will, im Menschen vorhanden, so erhebt
sich die Frage, ob für einen Kooperanten neben den
Menschen noch ein Bedürfnis besteht. Dahin wollten
Lazarus und Viele. Vf. macht weiter zur Bedingung seiner
Unabhängigkeit von einer im Grunde skeptischen
religiösen Phänomenologie die Freiheit von einer wissenschaftlichen
Literarkritik, gegen welch' letztere er jedoch
nichts Entscheidendes zu sagen hat. Diese zweite Front,
die der Vf. außer der ersten verteidigungswillig bezieht,
hängt mit der ersten nur gefühlmäßig zusammen. Die
unnötige Vervielfältigung der Kämpfe dürfte beweisen,
wie wenig eine mit wissenschaftlichen Mitteln erreichbare
Entscheidung von einer durch die Tradition getragenen
jüdischen Theologie gefürchtet wird.

Kiel. Wilhelm Caspari.

Mflller, Ernst: Der Sohar. Das heilige Buch der Kabbala. Nach
dem Urtext hrsg. Wien: Dr. H. Glanz 1932. (XI, 394 S.) et. 8°. RM20-.
Der Titel des Buches ist insofern irreführend, als er
die Vorstellung erweckt, es werde hier der ganze Sohar
geboten. Das ist nicht der Fall. Das Buch bringt vielmehr
eine Auswahl aus diesem kabbalistischen Werke,
die unter systematischen Gesichtspunkten zusammengefaßt
ist. Diese Auswahl folgt deshalb auch nicht dem
Verlauf des Textes, sondern ist aus allen Teilen des
Sohar zusammengestellt. Auf zwei Einleitungsstücke
folgt der Stoff in sieben Abschnitte gegliedert, nämlich:

I. Preis der Thora und der Forschung.

II. Höhere Bereiche. Engelswesen. Schöpfungslehren
.

III. Das Menschenreich: Der Urmensch. Erschaffung
des Menschen. Seele und Geist. Mann
und Weib. Sünde und Sündenfall. Tod und