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Ausgabe:

1933 Nr. 9

Spalte:

165-167

Autor/Hrsg.:

Ebers, Godehard Josef

Titel/Untertitel:

Reichs- und preußisches Staatskirchenrecht 1933

Rezensent:

Klingenburg, G.

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 9.

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den des Auslandes dargeboten, Berlin 1926 — sei daran
erinnert, daß Carl Schneider dies Problem bereits
gestreift hat in der Franz Rendtorff-Festschrift 1930
S. 337 ff. —

Im Übrigen ist das Buch nach einem Geleitwort
von Schmidt-Ott in fünf Abschnitte: 1. Staat. 2. Fragen
der Forschung, 3. Kulturpolitik, 4. Volkstum und
Volkskunde, 5. Über die Grenzen, gegliedert, es schließt
mit einer Betrachtung von Adolf Jürgens: das Buch
als Wegbereiter, ein Beitrag zur Erkenntnis des Aufstiegs
der Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit
einer Schreiberbibliographie und einem Sachregister. Als
besonders wertvolle Aufsätze von grundsätzlicher Bedeutung
nennen wir noch: Staat, Kultur und Erziehung
von J. P. Steffes, das Ethos im neuen Völkerrecht
von Theod. Greentrup, Staat und Wissenschaft von
Fieinrich Konen, aus den Anfängen gesamtdeutscher
Wissenschaftspflege von Karl G r i e w a n k, deutsche
Kulturpolitik im Ausland von Adolf M Orsbach, durch
Volksgeschichte zur Neuformung unserer Staatsgeschichte
von Adolf Helbok und die Minderheitenfragen in
der deutschen Außenpolitik von Walter Hagemann.
Berlin. Olto Lerche.

Ebers, Prof. Dr. Godehard Josef: Reichs- und preußisches Staatskirchenrecht
. Sammig. d. religions- u. Idrchenpolit. Gesetze und
Verordnungen d. Deutschen Reiches u. Preußens nebst d. einschläg.
kirchl. Vorschriften. Textausgabe in Anmerkungen u. Sachverzeichn.
München: M. Hueber 1932. (LI, 834 S.) 8Ü. geb. RM 17 80.

Prof. Dr. G. J. Ebers, Direktor des kirchenrechtlichen
Seminars der Universität Köln, derzeitiger Rektor magni-
ficus, gab nach mancherlei Vorarbeiten auf seinem Forschungsgebiet
1930 seine umfassenden grundsätzlichen
Untersuchungen über „Staat und Kirche im neuen
Deutschland" heraus. (München, M. Hueber, XX. 432
S. 8°, geb. RM 13.80.)

Prof. Paul Schoen, Göttingen, hat das Werk in der
Theologischen Literaturzeitung, 1931 Nr. 3, 67 ff., besprochen
, anerkannt und kritisiert.

Die Kritik Schoens bezieht sich unter Hinweis auf
schon gegen frühere Arbeiten von Ebers erhobene Einwände
auf das deutliche Hervortreten einer katholischen
Einstellung des Verfassers.

Schon ehe ich den kritischen Standort von Schoen
kannte, mußte ich bei dem Studium des sehr wertvollen
Buches zu demselben Urteil kommen, möchte es meinerseits
dahin präzisieren, daß unverkennbar ein katholisch
hierarchisches Interesse mit einer Beurteilung preußischer
kirchenrechtlicher Maximen verbunden erscheint,
die vom evangelischen Standpunkt aus nicht immer geteilt
werden kann.

Trotz dieser Feststellung möchte ich das Studium
der grundlegenden Arbeit von Ebers evangelischen Juristen
, Theologen und Beamten der staatlichen und kirchlichen
Verwaltung empfehlen.

Wenn wir uns mit der Tatsache abfinden müssen,
daß der Historiker und der Dogmatiker auch im Gewände
des juristischen Forschers aus den letzten Bindungen
seiner persönlichen Überzeugungen und aus der
Bestimmtheit durch seine Ergebenheit gegen seine Kirche
"icht heraus kann, auch als Wissenschaftler nicht heraus
kann, dann wird uns ein Blick in sein So- und anders-
sein-müssen zum Verstehen seiner Bedingtheiten, damit
zum besseren Verständnis des Kirchentums in römisch
hierarchischem Gewand, aber auch zu klarerer Würdigung
der evangelischen Sonderart verhelfen. Je deutlicher
wir aber auf beiden Seiten die kirchliche Sonderart
mit den Mitteln ruhiger wissenschaftlicher Forschung
herausstellen, um so leichter werden wir den Weg zu
gemeinsamem Geistesbesitz finden, in diesem Falle zu
einer vom überkonfessionellen Recht geprägten kirchlichen
Ordnung, die für die verschiedenen Konfessionen
gleichmäßig sein kann, auch wenn sie nicht immer
gleichlautet.

Noch eins sei der Würdigung obiger Arbeit vorausgeschickt
. Schoens Kritik findet eine grundsätzliche Ergänzung
und Erweiterung durch die Festrede, die Prof.
Dr. Fritz Fleiner als Rektor am 29. 4. 1932 in Zürich

| gehalten hat. (Orell Füßli, Zürich). Fleiner gab seiner
Festrede das Thema „Geistliches Weltrecht und weltliches
Staatsrecht". Nach seinen Ausführungen dürfte
auch auf Ebers der Satz bezogen werden „von dem
großen geistigen Ringen, in welchem der moderne Katholizismus
sich anschickt, mit den Waffen seines kon-

I fessionellen Gesetzbuches, des codex iuris canonici, die
ihm widerstreitenden Anschauungen des modernen konfessionslosen
Staates zu überwinden" (S. 3). Das neue
„geistliche Weltrecht" stellt sich dem „staatlichen Recht"
als ein selbständiges Rechtssystem zur Seite. Es verliert
seinen Charakter als „Recht" auch da nicht, wo es mit
dem staatlichen Gesetz in Konflikt gerät (S. 7). Wenn
Fleiner weiter ausführt (S. 8) „mit einem einzigen Satz
hat der codex für die katholische Kirche die vollständige
und selbständige Gesetzgebungsgewalt gegenüber dem
Staat in Anspruch genommen, nämlich mit den Worten
der Publicationsbulle, es übe die Kirche die ihr stiftunggemäß
von Christus übertragene Rechtsetzungsgewalt
aus als eine „societas perfecta" (S. 8) und das auf den
verschiedensten Gebieten des rechtbestimmten Lebens
nachweist, dann wird ein Lehrer des Kirchenrechts, der
zugleich gläubiger Sohn seiner Kirche ist, nicht ohne
Hemmungen zu der weltüberlegenen Entscheidung Christi
durchdringen können, die mit Math. 22, 21 auch für
die „Eigengesetzlichkeit" des Rechts als einer Erscheinungsform
des •• 67-toc gegeben ist.

Muß man hier vom protestantischen grundsätzlichen
Urteil aus dem katholischen Systematiker des Kirchenrechts
, ihn kritisierend, gerecht werden, so verdient die
jetzt zur Besprechung stehende Sammlung von staatlichen
, das kirchliche Leben berührenden Gesetzen, Ka-
binetsordres. Erlassen usw. die volle Anerkennung als
eine umfassende, streng objektive Arbeit. Nur einmal
in der Anmerkung 3 auf Seite 19 tritt der kanonistisch
bestimmte Standort des Verfassers heraus. Das Ebers'-
sche Werk ist für die kirchliche Rechtsfindung und für
die profane Rechtssprechung ebenso wertvoll, wie für
die kirchliche, staatsaufsichtliche und auch, in manchen
Punkten der Berührung, kommunale Verwaltungspraxis.
Hier ist ein umfassendes und durch die Inhaltsübersichten
und Sachregister leicht zu handhabendes Material
geboten, das nach der Änderung deutscher Staatsverfassungen
in Reich und Ländern mit ihren notwendig
folgenden geänderten Kirchenverfassungen der evangelischen
Seite ebenso gute Dienste leisten kann wie der
katholischen und den verschiedenen, in Deutschland anerkannten
Kirchenkörpern öffentlichen Rechtes, bis hin
zu den jüngsten und kleinsten Gebilden.

Waren bisher die verschiedenen Gesetze in Erlassen
und Verordnungsblättern zerstreut, dann bedeutet es
für die vergleichende kirchliche Verfassungskunde und
für die Praxis eine große Erleichterung, daß jetzt die
Gesamtheit kirchlicher Rechtsbildung auf deutschem und1
preußischem Boden in einem Gesamtüberblick erfaßt ist.

Die Durchführung der Sammlung bis zum 1. IX.
1931, im Nachtrag bis zum 14, IX. 1932, wird die
Herausgabe eines nach gleichen Gesichtspunkten geordneten
Ergänzungsbandes unschwer für jedes Jahrzehnt
ermöglichen.

Die Einbeziehung aller Bestimmungen, in denen Kirche
und Unterrichtswesen, Kirche und Jugendfürsorge,
Kirche und kommunale Wohlfahrt u. a. sich berühren,
macht die Sammlung für den praktischen Gebrauch besonders
wertvoll.

Das Werk „Deutsches und preußisches Staatskirchenrecht
" ist mit seinem Rückblick in den verschiedenen
Abteilungen bis auf die Anfänge der behandelten Materie
, z. T. bis ins 18. Jahrhundert, auch für den Historiker
von großem Interesse.

Wenn ein weiterer Band den Abdruck des codex iuris
canonici und der zwischen außerpreußischen deutschen
I Staaten und der Kurie geschlossenen Staatsverträge