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Ausgabe:

1933 Nr. 8

Spalte:

150-151

Autor/Hrsg.:

Aufhauser, Johann Bapt.

Titel/Untertitel:

Umweltsbeeinflussung der christlichen Mission 1933

Rezensent:

Lerche, Otto

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149

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 8.

150

zipien gegeben: oberste logische Gesetze, oberste onto-
logische Gesetze, oberste sittliche Prinzipien (S. 221f.).
Der übernatürliche Gegenstand kann durch verschiedene
Arten übernatürlich religiöser Intuition erreicht werden,
durch die affektive Gottesschau (S. 249) und durch den
Akt des donum intellectus (S. 252), der sich auf die
Heilswahrheiten richtet, und durch den Akt des donum
scientiae, der die Sicherheit der Erkenntnis darüber
schenkt, was um des Heils willen zu tun ist. Voraussetzung
ist für den ersten Akt, daß der Mensch im
Stande der Gnade ist und „eine gewisse spekulative Erkenntnis
Gottes, nämlich die des Glaubens" besitzt (S.
252). Voraussetzung für den Empfang der Gaben in
dem donum intellectus ist; der Mensch muß in möglichst
vollkommener Disposition Gott proportioniert sein, d. h.
er muß im Besitz der Tugenden des Glaubens, der Hoffnung
und der Liebe sein, der gratia gratum faciens und
der Herzensreinheit im Sinne der Freiheit von den ungeordneten
Leidenschaften und Irrtümern (S. 255). Für
den Empfang der prophetischen Vision ist nicht der
Gnadenstand, der Besitz der Caritas erforderlich, wohl
aber die höchste Konzentration des Geistes auf das
Geistige und die Fähigkeit, das Geschaute richtig zu
deuten (S. 265 f.). Der Erkenntniswert der Intuition
liegt in der höchsten Gewißheit, die sie gibt (S. 274 ff.).
„Die intuitive Erkenntnis der Prinzipien ermöglicht und
garantiert die objektive Gewißheit aller andern wissenschaftlichen
Erkenntnis. Darum muß logisch gesehen,
alle diskursive Erkenntnis von der intuitiven Erkenntnis
der Prinzipien ihren Ausgang nehmen, und sie kann
ihren Abschluß, ihre Gewißheit nur durch Zurückfüh-
rung ihres Resultates auf die Prinzipien finden" (S. 275).

Das zusammengefaßte Resultat gehet dahin: Thomas
kennt sowohl die natürlich philosophische als auch die
übernatürlich-religiöse Intuition. Jene ist nach modernem
Urteil zu der intellektualistischen Gruppe der Intuitionstheorien
zu rechnen, da Subjekt und Struktur durchweg
intellektualistisch bestimmt sind, diese läßt sich nicht rein
in eine Gruppe einordnen, da intellektualistische und
emotionale Elemente in ihr sich überkreuzen. Eine
starke sachliche Nahstellung der natürlich-philosophischen
Intuitionstheorie des Thomas sieht der Verf. zu der
Husserls. Er sieht sie z. B. in folgenden Punkten:
Husserl sagt: Voraussetzung für die Wesenschau ist
ein unklares Haben des zu erschauenden Wesens in
einem Wort. Thomas sagt: Voraussetzung für die Prinzipienschau
ist ebenfalls ein „unklares" d. h. nicht entwickeltes
Haben der Prinzipien in einer naturhaften
Disposition. Husserl sagt: die wichtigste Vorbedingung
für den Akt der Wesensschau ist die widernatürliche
Denkrichtung: Reflexion auf den Akt der Wahrnehmung
und dessen Sinngehalt, d. h. Abwendung vom natürlichen
Blick auf den gemeinten Gegenstand; ferner Ausschaltung
aller Daseins- und individuellen Momente. Nach
Thomas muß sich der Intellekt, will er das Wesen eines
Dinges erkennen, auf das phantasma richten; er muß
daher den Blick abwenden von allem Individuellen, allem
Dasein, und hinblicken auf das gemeinte Wesen. Auf
Grund dieser Voraussetzung erfolgt nach Husserl und
Thomas von Aquin unmittelbar der Akt der Wesensschau____
Bei solcher Gegenüberstellung eines Philosophen des
Mittelalters und der Moderne muß man stets sich der
Gewagtheit und des Unzureichenden eines solchen Vergleichs
bewußt bleiben. Die Gefahr, daß moderne Fragestellungen
an die mittelalterlichen Autoren künstlich
herangetragen und die Meinungen der Vergangenheit mit
modernen Gesichtspunkten gepreßt werden, ist zu groß.
Weitgehendste Vorsicht ist bei einem solchen Versuch
geboten. Diese Vorsicht läßt allerdings der Satz des
Verf. vermissen: „Der Vergleich zeigt aber ferner ein
weiteres mit genügender Deutlichkeit, nämlich daß Husserl
keinen vollberechtigten Grund hat, die Methode seiner
Philosophie als die „erst neu entdeckte" hinzustellen,

höchstens dürfte er das Recht haben, sie als die erst neu
,wiederentdeckte' zu preisen" (S. 297 f.). An diesen Satz
schließt sich dann für den Verf. folgerichtig der spätere
an: „Die Intuitionstheorie des hl.Thomas bildet auch
heute noch die beste Grundlage einer gesunden philosophisch
-religiösen Intuitionstheorie" (S. 299).

Die Arbeit hat in strenger Gedankenschärfe über
i das schwierige Thema bedeutsame Klarheit geschaffen.
Rüstrintren-Wilhclmshaveii. Ad. Heger.

Uhlhorn, Friedrich : Die deutsch-lutherische Diasporafflrsorge.

Geschichte des lutherischen Gotteskastens. Leipzig: Dörffling 6t Franke
in Komm. 1932. (III, I00S. m. 2 Bildn.) 8U. RM 2.60; geb. 3.50.

Die vorliegende Geschichte des Lutherischen Gottes-
I kastens erscheint im Wesentlichen als eine neue Ausgabe
des Buches von W. Funcke („Das Werk der Lutherischen
Gotteskasten", 1883) und kommt heraus in einer
Zeit, in der man gerade die hundertjährige Arbeit des
Gustav Adolf-Vereins an der evangelischen Diaspora
auch mit mancherlei literarischen Veröffentlichungen ge-
I feiert hat. So wird durch das Erscheinen dieses Buches
ein Vergleich zwischen der weltweiten Arbeit des Gustav
Adolf-Vereins und der konfessionell enger gefaßten Tätigkeit
des Lutherischen Gotteskastens vielfach herausgefordert
. Mag nun ein solcher Vergleich zu dieser
j oder jener Stellungnahme führen, nie wird man bestreiten
wollen, daß die auf das lutherische Bekenntnis beschränkte
Diasporapflege neben der weltweiten evangelischen
Liebesarbeit an den verstreuten Glaubensgenossen
ihre Bedeutung und ihren Wert hat. Möchte daher der
I Lutherische Gotteskasten, der am 31. Oktober 1853 (Uhl-
| horn S. 26) gegründet wurde, 1877 seinen ersten Jahresbericht
erstattete und 1880 seine erste Hauptversammlung
abhielt, durch die internationale Organisation des
Weltluthertums weiterhin stärkere Förderung finden! Der
soeben erfolgte Anschluß der evangelisch-lutherischen
Synode von Santa Catharina, Parana und anderen Staaten
(Südbrasiliens) an den Deutschen Evangelischen Kirchenbund
, (vgl. die Evangelische Diaspora 1933: Jg. 15
S. 72) bezeugt, daß das evangelische Deutschland
alle Veranlassung hat, die Arbeit des Lutherischen Gotteskastens
— neuerdings Martin Luther-Bund — neben
der Arbeit des Gustav Adolf-Vereins mit warmherziger
Anteilnahme zu begleiten.
Leipzig. Otto Lerche.

I Aufhauser, Prof. Dr. Johann Bapt.: Umweltsbeeinflussung der
christlichen Mission. Mit 137 Abb. a. 67 Taf. München: M
Hueber 1932. (186 S.) gr. 8U. RM 4.75; geb. 6.75.

Das Hauptproblem der nationalen Diasporapflege ist
die Assimilation. Entsprechend entwickelt sich in der
Zeit der fortgeschrittenen Technik und Zivilisation die
Akkommodationsfrage zum Zentralproblem der Mission
j und weithin auch der kirchlichen Diasporapflege. A. zeigt
j an der Hand vieler Bilder, wie sich die römische Kirche
i in der Missionszeit etwa der Vorstellungs- und Gedankenwelt
der Germanen angepaßt habe und wie sie nun
versuche, auch den hochentwickelten Religionen und
Kulturen des Ostens durch Anpassung in mancherlei
Äußerlichkeiten nahe zu kommen. Wenn A. die Frage
stellt, „soll die Mission mehr als in den letzten Jahrzehnten
sich wieder ihres ureigensten Berufes, der Evangelisation
, der Lehre, Predigt und Sakramentsspendung,
: der Betonung ihres mystischen Gehaltes bewußt werden,
an Stelle des weniger erfolgreichen Umweges über das
niedere und höhere Schulwesen wieder mehr die eigent-
I liehe direkte Mission pflegen, oder soll die Mission aus
I jener Periode der Kirche, die große Völker in wenigen
I Jahrhunderten für sie gewannen, auch für unsere Zeit
: lernen, und das Prinzip der Anpassung heute wieder
mehr betonen?" — so kommt er im Laufe seiner Darstellung
zwar nicht zu einer definitiven Antwort, sondern
I mehr zu einem verklausulierten Ja auf beide Fragen, mit
! dem Tone auf dem Ja zur zweiten Frage. Aber es ist
schließlich doch etwas anderes, ob man kirchliche For-
| men in Kult und Raum den primitiven Gewohnheiten