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Ausgabe:

1933 Nr. 7

Spalte:

118-119

Autor/Hrsg.:

Poebel, Arno

Titel/Untertitel:

Das appositionell bestimmte Pronomen der 1. Pers. sing. in den westsemitischen Inschriften und im Alten Testament 1933

Rezensent:

Gustavs, Arnold

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 7.

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wiederzufinden glaubte, und die indische, die allen Religionen
eine stufenmäßige Entwicklungsberechtigung zugestehen
will. Dazu kommen dann die neueren Erklärungsversuche
, wie die völkerpsychologische und die
durch Rud. Otto so eindrucksvoll vertretene Konvergenz
-Theorie, die dieser als ein „Oesetz der Konvergenz-
und Parallelbildungen in der religiösen Entwicklung der
Menschheit" ansieht. Unter voller Würdigung der Berechtigung
dieser Theorien möchte H. W. Schomerus den
Grund für die Gestaltungsformen der Religion bei den
verschiedenen Völkern „außer in dem nur Psychischen
auch noch in einem Transpsychischen suchen, indem man
nämlich der Religion eine gewisse Eigengesetzlichkeit
in der Art und Weise ihrer Entfaltung, ihrer Hyposta-
sierung, zugesteht". So hypostasiert sich denn die Religion
in einigen wenigen Haupttypen (Gesetzesreligion,
Mystik, Gnosis und Bhakti), „die immer wiederkehren
und sich überall in ähnlicher Weise entfalten, überall
verwandte Formen und Gebilde hervorrufen". Und der
Verfasser wirft dann die Fragen auf: Wenn in den verschiedenen
Typen ein Konstantes sich zeigt, worin besteht
„dieser Genius-Charakter gegenüber den verschiedenen
Spezies" der Religion? „Worin beruht dieses
Vermögen trotz aller Anpassungsfähigkeit und Wandlungsmöglichkeit
die spezifische Eigenart zu bewahren?
Sollte dieses Konstante nicht auf eine zwar nicht starre,
wohl aber lebendige, bewegliche Eigengesetzlichkeit und
Zielstrebigkeit zurückzuführen sein, die jeder Religionstyp
in sich trägt?"

Gibt man nun zu, daß auch im Christentum sich
Spuren der genannten Religionstypen finden lassen, so
erhebt sich das weitere Problem, ob es damit nicht auf
eine Stufe mit allen anderen Religionen gestellt und
seines Offenbarungscharakters sowie seines Absolutheits-
anspruchs beraubt wird. Nachdrücklichst warnt nun der
Verfasser davor, diese Fragenkomplexe in dem orthodox-
pietistischen Sinne zu lösen, als ob es „in der außerchristlichen
Welt nur Finsternis und Lüge und im Christentum
nur Licht und Wahrheit" gebe. Wohl „konnte
einst diese Formel in den Kreisen des Pietismus, ohne
subjektiv unwahrhaftig zu werden, aus aufrichtiger Überzeugung
heraus vertreten werden, weil man die fremden
Religionen nicht oder nur höchst unvollkommen kannte.
Heute, wo wir sie doch bedeutend1 besser kennen, kann
man doch schwerlich noch mit gutem Gewissen zu
dieser Formel stehen, es sei denn, daß man sich bewußt
gegen die Macht der Tatsachen verhärtet. In gewisser
Gestalt aber scheint sie doch neuerdings wieder aufleben
zu wollen, indem man die außerchristliche Welt als
völlig unter der Herrschaft der Dämonie oder als unter
dem Gerichte Gottes stehend hinstellt... Es ist doch
schlechterdings nicht zu leugnen, daß sich in den nichtchristlichen
Religionen auch Wahrheitsmomente finden."
Wie aber erscheint dem Verfasser der Absolutheitsan"-
spruch des Christentums gegenüber einer von den Parallelen
her drohenden Gefahr gesichert zu sein? Nur
dadurch daß es sich seinem Wesen nach prinzipiell und
essentiell und nicht nur graduell von allen anderen Religionen
unterscheidet, kann es seinen Absolutheitsan-
spruch geltend machen und dies Wesentliche ist eben
Christus, zu dem es keine Parallelen gibt; „er ist das absolut
Neue und Einzigartige" (Althaus). In Christus
bekommt aber dann auch das mit anderen Religionen
Gemeinsame und Ähnliche einen ganz anderen Sinn. Als
letztes wichtiges Problem beiührt der Verfasser die
Frage, wie wir die in außerchristlichen Religionen tatsächlich
vorhandenen Offenbarungswahrheiten dem göttlichen
Heilsweg einordnen und möchte er gegenüber
einer neuerlich sich geltendmachenden Depravationsten-
denz von heilspädagogischer Führung, einer „Korrektur"
°der „Reinigung" im religiösem Entwicklungsprozeß
sprechen. „Wir haben uns die in Christo geschehene
Volloffenbarung nicht plan- und ziellos in Absehung der
bisherigen Religionsgeschichte, der menschlichen Wege
und des menschlichen Fragens in die Menschheit hineingeschleudert
zu denken oder als ein in der stillen Werk-

i statt Gottes fernab von allem Weltgeschehen verfertigtes
und fein säuberlich als auf einer Isolierplatte stehend
in die Welt hineingesetztes Kunstwerk vorzustellen."

! Es ist eben allein Christus als die Erfüllung aller Religionen
zu denken, nicht das Christentum in seiner zeitlich
wandelbaren Gestalt. — So dankenswert fördernd
die Ausführungen des Verfassers für weitere Kreise unseres
kirchlichen Lebens sein werden, mag doch bemerkt
sein, daß einzelne Gedankengänge für den kritischen
Standpunkt nicht unbedingt zwingend sein können, da
namentlich im zweiten Teil die Darlegung den Pro-

j blemen des Urchristentums nicht ganz gerecht wird.

I Die Betonung ,Christi' entspricht wohl einer systemati-

j sehen Einstellung, aber das Problem der Vergleichung
wird dadurch nur komplizierter, als auch im Osten
eine starke ahistorisch-metaphysische Tendenz der Cöli-
sierung religiöser Gestalterlebnisse vorhanden ist. Hier

I erhebt sich dann aber das schwierigste Problem, das der
Verfasser nicht berührt hat: worin die überlegene Wert-

| höhe des christlichen gegenüber dem außerchristlichen
Erlebnis überhaupt liegt.
München. R. F. Merkel.

Po ebe I.Arno: Pas appositionell bestimmte Pronomen der
1. Pers. sing, in den westsemitischen Inschriften und im
Alten Testament. Chicago: University of Chicago Press 1932.
(VIII, 86 S.) gr. 8°. = The Oriental Institute of the University of
Chicago. Assyriological Studies, 3. $ 1—.

„Soweit das nominativische, bzw. absolut gebrauchte
Pronomen, also "038, -p» oder rn«, in Betracht kommt,
ist hierbei von den Übersetzern durchweg der zu -p»
gehörende Appositionskomplex als prädikative Aussage,
oder mit anderen Worten die Phrase "pt* irrtümlich als
„Ich bin der so und so" statt als „ich, der so und so"
gefaßt worden." So präzisiert Poebel das Thema seiner
Untersuchung. Und da diese Aufgabe nicht durch eine
Betrachtung der Phrase selbst, sondern lediglich durch
Erfassung ihres Zusammenhanges mit dem umgebenden
Text gelöst werden kann, unterzieht er die in Frage
kommenden Inschriften und Textstellen einer eingehenden
Prüfung. Nach einer Voruntersuchung über die
Phrasen X-men und X anäku im Sumerischen und Akka-
dischen behandelt er: die Inschrift Mesa"s von Moab;
von phönizischen Inschriften die Inschrift Jehawmilk's
von Byblos, die Inschrift auf dem Sarge des Tabnit, die
Inschrift auf dem Sarge des 'Esmun-'azar, Grabinschriften
, Graffiti an ägyptischen Tempeln und Weihinschriften
; von Inschriften des aramäischen Sprachgebiets die
Kilamü-Insehrift, die Inschrift des älteren Panamü auf
der Hadadstatue, die Bauinschrift des Bar-Rakkäb und
die Felsinschrift im Lamastal; von Alttestamentlichen
Teststellen Exod. 20, 2 f. 5 (Dekalog), Gen. 28,13. 15 f.
(J), Gen. 31, 12 f. (E), Gen. 26, 24 f. (Jb), Gen. 46, lff.
(E), Gen. 35, 1 lf. und 17, lf. (P), Gen. 15,7f. (Jb).
Am Schluß gibt er einen Überblick über die Kriterien für
die appositioneile Auffassung der Phrasen -px usw.
und spricht in einem Anhang über die Abweichung der
i akkadischen Phrase von den westsemitischen.

In vielen Fällen machen Poebels Darlegungen einen
überzeugenden Eindruck. Besonders einleuchtend ist seine
Auffassung bei der Inschrift des älteren Panamü auf
der Hadadstatue: „Wären die am Anfang der Inschrift
stehenden Worte ixdd -ps als „Ich bin Panamü"
(usw.) zu deuten, so würden die Leser der Inschrift unbedingt
annehmen müssen, daß die durch die Statue
I dargestellte Person die Worte spräche, die Statue also
I den König Panamü und nicht, wie doch tatsächlich aus
I der Inschrift zu ersehen ist, den Gott Hadad darstellt.

Jene Worte können also unmöglich die Bedeutung „Ich
I bin Panamü" haben. Sie stellen auch hier lediglich das
durch den Königsnamen appositioneil bestimmte -p«
J dar, welches ein späteres Pronomen der 1. Pers. Sing.,
I nämlich das Genetivpronomen i von ""HS „mit mir" im
ersten Satz der Inschrift, emphatisch antizipiert" (S. 48).
i Beachtenswert ist noch, daß Poebel glaubt, den Anfang