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Ausgabe:

1933 Nr. 4

Spalte:

71-73

Autor/Hrsg.:

Porter, Frank Chamberlain

Titel/Untertitel:

The mind of Christ in Paul 1933

Rezensent:

Strathmann, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 4.

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lehrten C. G. Montefiore zu wünschen (Montefiores 1930
erschienenes Buch, Rabbinic Literature and Gospel Tea-
chings handelt S. 342—375 über Luk.). Die zurückhaltende
Vorsicht des Verf. ist dem Charakter des Handbuchs
angemessen. Doch würde man in manchen Fällen
gerne ein bestimmteres Urteil in quellenkritischen Fragen
hören. Für die Frage nach der großen „Markus-
Auslassung" zwischen Luk. 9, 17 und 18 hat der Verf.
keine Antwort; die Quellenfrage für die Passionsgeschichte
bleibt in der Schwebe; das Verhältnis von Luk.
5,1—11 zu Jon. 21,1—14 bleibt dunkel usw.

Bei dem ungeheuren Reichtum der Literatur ist Vollständigkeit
unmöglich; doch darf ich auch hier Einiges
nachtragen, das m. E. Erwähnung verdient hätte. Zum
Proömium: B.W. Baoon, Rev. d'Hist. et de Phil. Rel. 8
(1928), 209—226. Zu |*f| o-oßoü 1,13: L. Köhler, Schweizer
Theol. Zeitschr. 1919,1—6. Zu 1,35: A. Fridrichsen,
Symb.Osl. 6 (1928), 33—36; ibid. 36—38 zu 2,52.
Ober ävwpcovelvfl, 42) handelt E. Petersen, ETgOeog 191, 3;
über die Hymnen in c. 1 und 2 Marty, Rev. d'Hist. et
de Phil. Rel. 9 (1929), 371ff. Zu 2, lff. wäre noch auf
Groag, Prosopograph. Beirr. Abschn. VII (Jahresh. d.
Oesterr. Arch. Inst. 2L22, 1924, Beiblatt, Sp. 445-478) und
auf Groags Art. C. Sentius Saturninus bei Pauly-Wisso-
wa IIA, 15201, sowie auf A. v. Premerstein, Zeitschr.
d. Savigny-Stiftung für Rechtsgesch. 48 (1928), Romanist
. Abt. 449 ff. zu verweisen. Zum Begriff amxrQ 2, 11
sollte doch auf Dibelius' Exkurs im Handbuch zu 2. Tim.
1,10 aufmerksam gemacht sein. Zu y,a<n<;4, 22: Dalman,
Jesus-Jeschua 46; ibid. 48 zur Zeitangabe 4,25, über
die auch G. Kittel, Rabbinica 31—35 und Die Probleme
des paläst. Spätjudent. 53 handelt. Zu 19,1: Dalman,
Orte und Wege Jesu M5. Zu 20,171: Joach. Jeremias
, Golgotha 77—80. Zum Schluß des Evg.: L. Brun,
Die Auferstehung Christi 90 ff. und A. Fridrichsen,
Norsk teol. tidsskr. 1927, 32 ff. Mehrfach wäre ein
Hinweis auf H. v. Baer, Der Heil. Geist in den Lukasschriften
und H. Windisch, Jesus und der Geist (Stu-
dies in early Christianity 1928, 209 ff.) erwünscht.

Seit dem Erscheinen ist manches Neue veröffentlicht,
das in einer dritten Aufl. Beachtung finden wird wie
Schlatters Lukas-Kommentar und Goguels Vie de Jesus.
Ich darf vielleicht auf einige kleinere leicht übersehbare
Aufsätze hinweisen, ohne meinerseits Vollständigkeit beanspruchen
zu können. Über Fragen der Komposition
des Luk. handeln Schaarschmidt, Theol. Stud. u. Krit.
101 (1929), 357—380 und L. Brun, Symb. Osl. 9 (1930),
38—50. Zu Luk. 4,16—30: L. Brun, Serta Rudbergiana
(1931), 7—17; zur Verleugnung des Petrus M.Goguel,
Harv. Theol. Rev. 25 (1932), 1—27; zu 24,42: L.Köhler
, Zeitschr. d. Pal.-Ver. 54 (1931), 289 ff. und G.
Dalman, ibid. 80 f.
Marburg. R. Bultmann.

Porter, Frank Chamberlain: The mlnd of Christ in Paul. New

York: Ch. Scribner 1930. (323 S.) 8°. $ 2.50.

Das Buch des langjährigen Professors der biblischen
Theologie der Divinity-School der Yale-University in
New-Haven (Conn.) trägt den Untertitel: Light from
Paul on present problems of Christian thinking. Diese
sind durch die Notwendigkeit der Anpassung des Christentums
an die Erkenntnisse und Bedürfnisse der Gegenwart
gegeben. Eine solche Anpassung ist aber nur
möglich, wenn man sich von dem Buchstaben der Geschichte
freimacht und zwischen dem rein Zeitbedingten
und dem Unvergänglich-Wertvollen unterscheidet. Eine
solche Unterscheidung wiederum setzt eine geistig-persönliche
Auffassung des Christentums oder vielmehr
Jesu voraus, wie sie in vorbildlicher Weise von Paulus
dargeboten wird. Fiel ihm doch bei der großen Frage
des readjustment des Christentums auf Grund der durch
den Tod Jesu und den Übergang in die hellenistische
Welt entstandenen Lage die wichtigste Rolle zu. Denn
da trat zum ersten Mal die Frage nach der Beziehung
zwischen dem historischen Jesus und dem Jesus des

[

christl. Glaubens oder dem Christ of experience auf, die
seither nicht mehr verstummte. Die Aufgabe war freilich
für Paulus nicht so schwierig, wie zumeist angenommen
wird. Denn nichts ist falscher als die Meinung
, that Paul substituted a religion about Christ
for the religion o f Christ. Vielmehr the religion of Jesus
was the religion of Paul. Ihr Inhalt ist die Liebe. I.K.
13, 4—7 constitutes a picture of Jesus himself, in whom
the love of God was present in human life. Das aber
j ist nicht etwas Vergangenes, sondern lebt im Christen
| fort, der Jesus liebt und in dem durch die Liebe Jesus
i gegenwärtig ist. Diese innere Gegenwart Jesu im per-
j sönlichen Leben des Christen, die sich alle Beziehungen
i unterwirft, ist the newness of the religion of Christ.
| Darin besteht die christliche Erlösung, die von nichts
sonst, am wenigsten von den dogmatischen Sätzen irgend
j einer sogen, hohen Christologie in Glaubensbekennt-
! nissen, abhängt. Hieraus werden dann zwei Maßstäbe
j abgeleitet, mit deren Hilfe das readjustment, d. h. die
| Ausscheidung aller der Gegenwart anstößigen dogma-
I tischen und christologischen Elemente, vollzogen wird.
Diese lauten: nothing is Christian which is not aecording
to the historical Jesus himself; and nothing is Christian
I which is not free and natural expression of the new
man which one becomes in Christ.

Diese mit kühner Energie gehandhabten „tests"
j führen im 3. Kapitel „Thinking about all things in the
I light of Christ" zur Preisgabe der Grundelemente der
| atl. Gottesvorstellung: The view natural to us is per-
j haps nearer to the Greek Logosphilosophy than to
the Hebraic emphasis on the divine will and plan, and
j the aeeeptance of the Bible as the revelation of God's
i deeds and purposes. Besonders wird die Erwählungs-
lehre abgelehnt. Rom. 4, 5, 12 ff. 9—11 „have for us
chiefly an historical interest". Noch viel wichtiger aber
ist dem Verf. die Auswirkung dieser tests auf die
Christologie. Im Grunde gibt es überhaupt keine Christologie
. Christian thinking is not thinking about Christ,
but thinking about other persons and things in the
light of the knowledge of Christ. Eine Christologie hat
in der christlichen Erfahrung keinen Platz. Natürlich
drängten sich auf jüdischem wie griechischem Gebiet
allerlei Begriffe herzu, die die Kirche zur Ausbildung
einer spekulativen Christologie verführten mit der Wirkung
einer weiten inneren Trennung des in ein metaphysisches
Wesen verwandelten Jesus von dem Gläubigen
, anstatt beide mit einander zu vereinigen; aber
bei Paulus war das noch nicht der Fall. Wo aber sich
solche Aussagen bei ihm zu finden scheinen, philo-
I sophischer (I.K. 8,6; Col. 1,15—17 etc.) oder mytho-
j logischer Natur (Phil. 2, 5 ff.), sind sie entweder aus
dem Gemeindeglauben übernommen, um umgebogen zu
werden, oder sie sind sekundäre Fremdkörper im Text
oder sie sind so zu deuten, daß sie, gemessen an jenen
tests, unanstößig sind (Gottessohnschaft; der zweite
Adam; Aussagen über den Geist). Denn es darf über
I Christus nichts behauptet werden, which we cannot in
som real sense experience as our own because of our
oneness with him. No doctrine of the person of Christ
is Pauline that does not leave possible and even make
natural and inevitable the oneness of the Christian
I with Christ. Die Präexistenzvorstellung, jede Art Logos-
] christologie und Mythologie ist unpaulinisch und in
Phil. 2 hätte er besser getan, ein Jesuswort zu zitieren,
I als sich auf den mythologischen Hymnus des Gemeinde-
j glaubens einzulassen. Wo aber Paulus Begriffe wie
I Sohn Gottes, Herr, Geist verwendet, geschah es so,
| daß er nicht ihnen einen Einfluß auf seine Christusvor-
1 Stellung einräumte, sondern umgekehrt formte er sie
nach dem Jesusbilde um — was freilich leider die Folge-
I zeit nicht gehindert hat, umgekehrt zu verfahren. So
! war das Denken des Apostels freed from the intellectual
difficulties which the older doctrinal interpretations of
him involved. Um so wichtiger war ihm die „Christologie
" des praktischen Lebens! —