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Ausgabe:

1933

Spalte:

52-53

Autor/Hrsg.:

Oppenheim, Philippus

Titel/Untertitel:

Symbolik und religiöse Wertung des Mönchskleides im christlichen Altertum. Vornehmlich nach Zeugnissen christl. Schriftsteller d. Ostkirche 1933

Rezensent:

Dörries, Heinrich

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konstruieren. Aber G. hat dabei ganz unterlassen nachzuprüfen
, ob nicht die Texte selbst schon durch ihre
Gestalt auf verschiedene Herkunft weisen. Ebensowenig
wird die Frage gestellt, welche Triebkräfte denn die Bildung
der Tradition beherrscht haben. So nimmt G. nach
Mk. 6, 53ff. an, daß die Menge empfinde, daß Jesus Galiläa
endgültig verläßt und darum seine Anwesenheit noch
ausnützen will. Eine genaue Analyse des Textes aber ergibt
, daß wir hier einen Sarnmelbericht des Evangelisten
haben wie Mk. 1,32 ff. 3, 7 ff., der nur die Nachrichten
der Einzeiberichte verstärkend zusammenstellt, also kein
verläßlicher Einzelbericht ist. Und wenn Mk. 3,6 die
Annahme stützen muß, daß Herodes feindliche Maßnahmen
gegen Jesus ergriff, so ist dabei gänzlich übersehen
, daß dieser Vers eine Stufe auf dem Wege ist, die
Verantwortung für den Tod Jesu auf die Juden zu schieben
, also keine brauchbare Einzelnotiz darstellt. So
zeigt sich deutlich, daß es unmöglich ist, die evangelischen
Berichte nur nach ihrer literarischen Entwicklung
beurteilen zu wollen. Am ehesten ist das natürlich
bei der Leidensgeschichte möglich, die von vornherein
einen Zusammenhang bildete, und hier zeigt denn
auch G.s Untersuchung die sichersten Resultate.

Die Entwicklung der Tradition aber ist, und damit
komme ich zum dritten Einwand, nur aus den Tendenzen
der eschatologisch denkenden, missionierenden ersten
Gemeinde heraus zu verstehen. Nun zeigt jede Prüfung
der evangelischen Einzelberichte, daß man die Worte
und Taten Jesu mit den praktischen Tendenzen der
Miissionierung, Erbauung, Auseinandersetzung erzählte.
Gänzlich fehlte aber jedes Interesse für die psychologische
, biographische Entwicklung Jesu als eines Menschen
. Daraus folgt aber, daß jede psychologische Konstruktion
an den Quellen keinerlei Anhalt hat, ja an
dem richtigen Verständnis der Texte oftmals vorbeisehen
muß. Daraus folgt ferner, daß es unmöglich ist, die
Betrachtung Jesu in eine historische und eine religiöse
Aufgabe zu zerlegen; vielmehr kann nur der die fordernde
Botschaft Jesu verstehen, der sie anzuerkennen bereit
ist. Es ist aus diesen Gründen keine Folgerung
aus den Quellen, sondern Phantasie, wenn G. das Messiasbewußtsein
Jesu aus dem galiläischen Mißerfolg ableiten
will. Ein Einblick in das religiös bedingte Wesen
der Tradition wird sich hier dabei begnügen, die Tatsache
anzuerkennen, ohne vergebliche Versuche zu
ihrer Erklärung zu machen. Ebenso ist die Umdeutung
der Tempelreinigung in ein Protestwort Jesu ein unbegründeter
Versuch, psychologisch begreiflich zu machen,
warum diese Handlung nicht direkt zur Verhaftung
Jesu führte. Und schließlich ist auch der Versuch,
Stadien im Denken Jesu aufzuweisen, ganz illusorisch,
weil wir nur ganz willkürlich die einzeln überlieferten
Worte Jesu in eine chronologische Ordnung bringen
können, während sie vielleicht in eine sachliche Ordnung
gehörten! Soweit G. also die psychologische Konstruktion
als Ausgangspunkt seiner Darstellung benutzt, muß
ich die Haltbarkeit dieser Konstruktion a limine bestreiten.

Aber wenn man von dieser genetischen Darstellung
absieht, so hat G. viele Einzelberichte in eine neue und
überzeugende Beleuchtung gestellt. Ich zähle dahin neben
der Darstellung der Leidensgeschichte z. B. den Verweis
auf Lk. 17, 25 als ältestes Zeugnis für die Leidenserwartung
. Und besonders zu beachten ist G.s Versuch,
die Nachrichten des Joh.-Ev. in seine Darstellung einzu-
beziehen. Das geschieht gewöhnlich so, daß G. bei der
Analyse der Berichte des Joh. auf Widersprüche in
der Darstellung aufmerksam macht und daraus die verarbeitete
Tradition erschließt. Über die Sicherheit dieser
Methode kann man kaum endgültig urteilen, ohne
daß man sie am ganzen Evangelium durchgeführt sieht.
Ich enthalte mich darum in diesem Punkt eines endgültigen
Urteils, möchte nur bemerken, daß sich bei G.s
Methode manche recht wahrscheinlichen Ergebnisse ergeben
(z. B. betreffs des Rahmens des Jerusalemer
Aufenthalts).

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß G. eine
sehr nützliche und vielfach überzeugende Untersuchung
des gesamten Materials vorgelegt hat. Weit weniger
befriedigt aber der Versuch, das Material zu einem

i „Leben Jesu" zusammenzufügen, und aus den genannten
Gründen scheint mir, daß G.s Versuch nur die Meinung

i bestärken wird, daß alle historische Kunst nicht ausreicht
, um ein Leben Jesu im biographischen Sinn zu
schreiben. Hier bleibt uns nur der Versuch, der Botschaft
Jesu und von Jesus in ihrem sachlichen Kern

! verstehend nachzugehen. Trotzdem bleibt G.s Werk eine

j dankenswerte Leistung, die den Wunsch erweckt, daß der
angekündigte 2. Band nicht zu lange auf sich warten

! lasse.

Zürich. Werner Georg Kümmel.

; Oppenheim, Dr. theol. P.Philippus: Symbolik und religiöse
Wertung des Mönchskleides im christlichen Altertum. Vornehm-

: lieh nach Zeugnissen christl. Schriftsteller d. Ostkirche. Münster i. W.:
Aschendorff 1932. (XXVI, 187 S.) gr. 8°. = Theologie d. christl.
Ostens. Texte u. Untersuchgn. Hrsg. v. d. Benediktinerabtei Sankt
Joseph, Coesfeld. H. II. RM 9.45.

Das altkirchliche Mönchtum hat zu den mannigfaltigen
Formen seiner Tracht eine reiche Symbolik hinter-
, lassen. Wenn jede Standestracht etwas von der Le-
| bensform und selbst den Idealen ihrer Träger zum Aus-
I druck bringt, so läßt sich an der Abfolge der verschiedenen
Ausdeutungen zugleich der Wandel der Ideale verfolgen
. So ist es ein lohnendes Thema, um das sich die
stoffreiche Studie bemüht, die die Deutungen der einzelnen
Bestandteile der Mönchskleidung in den altkirchlichen
und frühmittelalterlichen Schriftstellern aufsucht
j und dazu Aussagen zusammenstellt, aus denen die be-
j sondere Wertschätzung dieses Kleides erhellt. Das Verständnis
der oft keineswegs naheliegenden symbolischen
Deutungen wird durch reichliche Parallelen aus Kultur
und Religionen des Hellenismus zu fördern gesucht. In
der Fülle des Materials, das es zusammengebracht hat,
liegt denn auch das Verdienst des Buches.

In der Sichtung des Materials vermißt man gelegentlich
die Anwendung kritischer Maßstäbe. Die Bezeichnung
«ayiov oxmun" ist darum noch nicht für den Anfang
des christlichen Mönchtums nachgewiesen, daß es in
den Apophthegmata Patrum vorkommt: dieser Schatz
enthält Altes und Neues, sollte übrigens im griechischen
Original benutzt werden. Nach Cassians Anschauungen
darf man nicht einen Schriftsteller des 11. Jahrh.s befragen
. Die vita Basilii des Amphilochius ist ein spätes

I Produkt. Der byzantinische Ritus des Officium magni et
angelici habitus kann doch nicht deswegen der Mitte

| des 4. Jahrh.s zuerkannt werden, weil er Worte des
Euagrius Pontikus benutzt, und weil damals die dreijährige
Probezeit der Novizen aufkomme; denn die Wirksamkeit
des großen Mönchsphilosophen (f 399) setzt
erst im 5. Jahrh. recht ein, und für die andere Behaup-

I tung dürfte der Beweis nicht leicht zu erbringen sein!
Anfechtbarer ist noch, daß bei dem Nachweis der
Deutungen einigermaßen willkürlich verfahren wird. So
ist gewiß die cuculla einmal von „Armen, Arbeitern und
Sklaven" getragen worden (wenn auch nicht lediglich
von ihnen), aber die Mönchsschriftsteller weisen nicht
darauf, sondern auf das Säuglingskleid als das Vorbild
ihrer eigenen Tracht. Soll sein Gewand den Mönch
zur Demut bewegen, so deshalb, weil es an die Kindesunschuld
gemahnt und nicht, weil es ihn in den Sklavenstand
einreihte. Der auf den ersten Blick beweiskräftigste
Beleg aus Euagrius aber schaltet ganz aus, denn
die xoiavtai cpwvai beziehen sich nicht auf das r.ovxovlwv,
sondern auf den Inhalt eines hier nicht mitabgedruckten
Psalmworts! Ebenso wenig aber ist für dieses Kleidungsstück
die Bedeutung des Brautschleiers nachzuweisen
, soviel Mühe der Verf. auch darauf verwendet.

Das Beispiel der wichtigsten aller Mönchsinsignien
aber führt auf den Hauptwunsch, den die Arbeit unerfüllt
läßt.