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Ausgabe:

1933 Nr. 2

Spalte:

31-33

Autor/Hrsg.:

Baumstark, Anton

Titel/Untertitel:

Missale Romanum. Seine Entwicklung, ihre wichtigsten Urkunden und Probleme 1933

Rezensent:

Hohlwein, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 2.

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thek dafür exzerpierte, aber wenig Eigenes hinzutat. Er
hat dann in Johannes diaconus einen Fortsetzer gefunden
, bei dem sorgfältig diejenigen Notizen, welche aus
der in der alten Weise weitergeführten Bischofsliste
stammen, von den überwiegend wertlosen eigenen Zutaten
geschieden werden müssen.

S. 46, Zeile 15 v. u. ist zu lesen: 15. Juli 872 (statt 772).

Die mühevolle Untersuchung ist ein neuer wichtiger
Beitrag zur Aufhellung der Kirchen- und Kunstgeschichte
des alten Neapel.

Breslau. H. Lother.

Baumstark, Prof. Dr. D. h. c. Anton: Missale Romanum. Seine
Entwicklung, ihre wichtigsten Urkunden u. Probleme. Eindhoven:
W. van Eupen [19291. (V, 238 S.) 8°. 2.70 Fl.

Der Verf. gliedert die Geschichte des Missale Romanum
in zwei große Abschnitte. Der erste umfaßt
die tausendjährige Entwicklung der drei Stoffgruppen:
der Gebetstexte, der Gesangstexte und der gottesdienstlichen
Lesungen von den ersten Anfängen liturgischer
Gestaltung bis zu ihrer Vereinigung in der liturgischen
Bucherscheinung M. R. um die Wende des 12. Jahrhunderts
. Im zweiten wird die eigentliche Geschichte
des M. R.: die Gestaltung, Umformung, Reinigung und1
Erweiterung seines Textgutes behandelt.

B.'s Arbeit gilt im wesentlichen dem ersten Abschnitt
, in dem die eigentlichen Probleme der liturgiegeschichtlichen
Forschung liegen. Einmal: zwischen
den Anfängen einer liturgischen Gestaltung, die im N. T.
wurzelt und aus den Quellen der nachapostolischen Zeit
zu erheben ist und dem inhaltlich und zeitlich genau zu
fassenden gregorianischen Sakramentar in seiner ursprünglichen
Gestalt klafft eine Lücke von nahezu vierhundert
Jahren. Innerhalb dieser vier Jahrhunderte ist
der gewaltige Bau der Liturgie gewachsen: das Kirchenjahr
mit der Fülle seiner Christus-Apostel und Heiligenfeste
hat sich ausgebildet; der Kanon erhielt seine Gestalt
; Gebetstexte und Gesänge sind um den Kanon
herumgewachsen. Wir haben das Ergebnis, die Ordnung,
aber wir vermögen nicht im Einzelnen die treibenden
Kräfte der Gestaltung aufzuzeigen und die Linien der
Entwicklung nachzuziehen.

B. untersucht die vorhandenen Quellen mit peinlicher
Genauigkeit und kommt zu dem Ergebnis: „es leben
im römischen Kanon in seiner durch Gregor d. Gr. festgelegten
Gestalt als ältestes Stück das lateinische
Eucharistiegebiet Roms und in den Charfreitagsgebeten
des M. R. das große römische Bittgebet fort. Diese Bestandteile
sind „wesenhaft gleichaltrig mit dem schlichten
Epitaph in der Lucia Region von San Callisto: Cornelius
martyr ep (iscopus)". Für die Masse der ungelösten
Fragen, die diese Erkenntnisse umlagern, bringt B. eine
Fülle von wertvollen Teiluntersuchungen. Er beweist
den nichtrömischen Ursprung und den privaten Charakter
der ältesten erhaltenen Sammlung von Gebetstexten
. Aus der Zahl der für ein Formular gebotenen
Gebete will B. auf ihr Alter schließen können. Doch
dürfte dieses Kriterium sehr mit Vorsicht zu verwenden
sein, da einmal gerade die ältesten und liturgisch festesten
Teile in der Handschrift des Leonianums nicht erhalten
sind und zum andern keineswegs in diesen Zeiten
die Entwicklung auf „ein Normalschema stadtrömischer
Meßformulare" ohne Präfation mit der charakteristischen
Dreizahl der Gebete hinausläuft. Jedenfalls gilt
diese Behauptung weder für die Quadragesima noch für
die Osteroktav.

Sodann: für die Entwicklung der liturgischen
Bücher, die auf das M. R. hinführen, ist bestimmend
gewesen nicht nur das aus der Paduaner Handschrift
D 47 zu rekonstruierende „Urgregorianum" — sondern
eine Fülle liturgischen Gutes z. T. außerrömischen Ursprunges
, insbesondere das unter dem Namen Sacramen-
tarium Gelasianum gesammelte. B. führt mit Entschiedenheit
den Nachweis, daß das Gel. kein offizielles vorgregorianisches
Sakramentar der römischen Kirche ist,

sondern daß „eine auf dem Boden des merowingischen
Galliens erfolgte Redaktion einen von vornherein nicht
streng und ausschließlich römischen Stoff italienischer
Herkunft mit einheimischem Gute zusammengearbeitet
hat". Daß diese Redaktion nach Gregor d. Gr. erfolgt
sein muß, ist allein an der Gestalt des Kanons im Gelasianum
zu ersehen. Bedeutsam für die weiteren liturgiegeschichtlichen
Folgerungen erscheint mir jedoch ein
Anderes: in diesem Sakramentar ist eine Fülle stadtrömischen
Materials enthalten, das sicher vorgregorianischen
Ursprunges ist. Denn es finden sich Gebete dieses Gela-
sianums an entscheidenden Stellen des Gregorianums wieder
, was den römischen Ursprung dieser Gebete, der
sicherlich ältesten Stücke des Gelasianums, zu großer
Wahrscheinlichkeit erhebt. Die Redaktion des Gelasianums
, wie sie Cod. Vat. 316 vorstellt, mag auf nichtrömischem
Boden erfolgt sein, in seinen Ursprüngen
erscheint mir das Gelasianum doch römischen. Ursprunges
.

Weiter : Während die stadtrömische Liturgie sich
um das Urgregorianum und von ihm aus entwickelt —
B. bietet im 4. Kapitel eine ausgezeichnete Darstellung
darüber — vollzieht sich auf außerrömischem Boden
die entscheidende Ausgestaltung des Meßbuches. Als
Festmissale des Papstes konnte das' Urgregorianum auf
außerrömischem Boden nicht genügen, sondern mußte
mit liturgischem Gut anderer Quellen erweitert werden.
Diese Fragestellung in B.'s Untersuchung allein kennzeichnet
bereits den Wandel der Erkenntnis. Während
bis in die jüngste Zeit hinein die außerrömische liturgische
Entwicklung auf gelasianischer Grundlage gesehen
wurde, gibt nun auch B. zu, daß die Grundlage
aller fränkischen Sakramentare eine
gregorianische ist. „Der rätisch - pannonische
Südosten und der angelsächsische Norden vertreten
mit gleicher Treue die gleiche Tradition der gemeinsamen
römischen Mutter" — Vom Gelasianum des
8. Jahrh. soll man nun aber wirklich nicht mehr reden,
sondern entweder vom „fränkischen Gregorianum" oder
wenn man B.'s Urteil vom englischen Ursprung dieses
Typs zustimmen will, vom „Bonifatius-Sakramentar".

Schließlich: Das Verhältnis dieses fränkischen
Sakramentars zu seinem stadtrömischen Urtyp sowie zu
dem amtlichen Meßbuche des karolingischen Reiches:
dem hadrianischen Gregorianum bestimmt die endgültige
Grundlage des M. R. Denn es wird von B. ein nachhaltiger
Einfluß des fränkischen Sakramentars auf die
stadtrömischen Bücher, vor allem in der Aufnahme
der Apostelfeste nachgewiesen, es wird aber auch bei
der Untersuchung der Schicksale des Hadrianums und
seiner Erweiterung durch Einfügungen und im Alcuin-
schen Anhang die Übernahme älteren fränkischen Gutes
vermerkt. Die Dinge werden in diesen Kapiteln nicht
untersuchend, sondern lediglich die Tatsachen beschreibend
behandelt. Da weite Gebiete der Quellen noch
nicht einmal ediert und kaum bearbeitet sind, kann es
auch nicht anders sein.

Im zweiten wesentlich kürzeren Abschnitt
des Buches zeichnet B. den Weg zum Vollmissale, indem
er die Gründe für eine Vereinigung der verschiedenen
liturgischen Bücher und die Möglichkeiten der Ineinanderschiebung
der Teile des Sakramentars: des proprium
sanctorum und des proprium de tempore untersucht.
Die Arbeit wird beschlossen durch eine ausgezeichnete
Darstellung der verschiedenen Bearbeitungen des Missale
Curiae bis hin zu den jüngsten Restaurationen und Erweiterungen
des M. R. nach der tridentinischen Reform
durch Pius X. und Pius XL Der besondere Reiz dieser
Kapitel beruht auf der Darstellung der theologischgeistlichen
Gedanken, die Anlaß zu Erweiterungen gaben.

Dem Buche, das einen ausgezeichneten Überblick
über die Geschichte des M. R. und die darin umschlossenen
Probleme vermittelt, ist als Anhang eine Übersicht
über die Entwicklung des unbeweglichen Festjahres vom
6. bis 16. Jahrh. beigegeben. In ihm sind nicht nur