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Ausgabe: | 1933 Nr. 2 |
Spalte: | 27-29 |
Autor/Hrsg.: | Barnikol, Ernst |
Titel/Untertitel: | Der nichtpaulinische Ursprung des Parallelismus der Apostel Petrus und Paulus (Gal. 2,7-8) 1933 |
Rezensent: | Behm, Johannes |
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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 2.
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Barnikol, Prof. D. Dr. Ernst: Die vorchristliche und frühchristliche
Zeit des Paulus nach seinen geschichtlichen und
geographischen Selbstzeugnissen im Qalaterbrief. Kiel: W. Mühlau 1929.
(94 S.) gr. 8°. = Forschgn. z. Entstehung d. Urchristentums, d. N.
T. u. d. Kirche. Hrsg. v. E. Barnikol. H. 1. RM 3.50.
Ders.: Die drei Jerusalemreisen des Paulus. Die echte Konkordanz
der Paulusbriefe m. d. Wir-Quelle d. Apostelgesch. Ebd. 1929.
(63 S.) gr. 8°. = Forschgn. z. Entstehung d. Urchristentums, d. N.
T. u. d. Kirche. H. 2. RM 2.50.
Ders.: Personen-Probleme der Apostelgeschichte: Johannes
Markus, Silas und Titus. Untersuchngn. z. Struktur d. Apostelgeschichte
u. z. Verfasserschaft d. Wir-Quelle. Ebd. 1931. (32 S.)
gr. 8°. = Forschngn. z. Entstehung d. Urchristentums, d. N. T.
u. d. Kirche. H. 3. RM 1.60.
Ders.: Römer 15. Letzte Reiseziele des Paulus. Jerusalem,
Rom und Antiochien. Eine Voruntersuchung z. Entstehung d.
sogenannten Römerbriefes. Ebd. 1931. (23 S.) gr. 8°. = Forschngn.
z. Entstehung d. Urchristentums, d. N. T. u. d. Kirche. H. 4. RM 1.20.
Ders.: Der nichtpaulinische Ursprung des Parallelismus der
Apostel Petrus und Paulus (Gal. 2,7- 8). Ebd. 1931. (31 S.)
gr. 8°. = Forschngn. z. Entstehung d. Urchristentums, d. N. T. u.
d. Kirche. H. 5. RM 1.60.
Die Reihe von Studien zur Geschichte des Urchristentums
, die B. in rascher Aufeinanderfolge hat erscheinen
lassen, ist Einzelproblemen der neutestamentlichen Ge-
schichts-Überlieferung gewidmet und will Vorarbeit leisten
vor allem für die endliche Gewinnung des echten,
geschichtlichen Paulusbildes.
Die 1. Untersuchung gilt der Jugendzeit des Paulus
nach den Angaben des Galaterbriefes. Aus Gal. 5,11
schließt B. reichlich schnell, daß Paulus schon als jüdischer
Theologe Heidenmissionar gewesen sei. Daß Paulus
der „Genossenschaft" der Pharisäer angehörte, soll
sich aus kv reo yevsi pou 1,14 ergeben, wobei mit zweifelhaftem
Recht der Sprachgebrauch des Josephus dem
sonstigen paulinischen Verständnis von Ysvoc(vgl. o-uYYsWjs)
vorgezogen wird. Auf die Frage nach den Wirkensstätten
des Christenverfolgers und des christlichen Missionars
Paulus nach seiner Bekehrung findet B. in breiten
Ausführungen die Antwort: weder in Judäa-Jerusalem
noch in Syrien und Kilikien noch in Arabien-Damaskus
, obwohl Paulus in dieser Stadt als jüdischer Heidenmissionar
festen Wohnsitz gehabt zu haben scheint, sondern
in dem durch die 3 Städte Caesarea am Meer, Damaskus
und Antiochia bezeichneten Dreieck des syrischjüdischen
Zwischenlandes (Nordgaliläa). In diesem Zusammenhang
spielt eine Hauptrolle die neue Erklärung
von Gal. 1, 17: „ich zog hin nach Arabien" == „ich
kehrte wieder nach Damaskus zurück", die beweisend
wäre sowohl für früheren Aufenthalt des Paulus dort
wie für einen anderen Schauplatz seiner Bekehrung.
Aber die auch exegetisch gezwungene Erklärung scheitert
an der Tatsache, daß Damaskus nicht zu Arabien
gehörte (vgl. U. Kührstedt, Syrische Territorien in hellenistischer
Zeit (1926) S. 101 u. ö.). B.s zuversichtlichen
Schluß, daß die spärlichen Zeugnisse des Galaterbriefes
, zumal bei der von ihm gewählten isolierten
Betrachtung, ein scharfes und getreues Bild von der
judaistischen Vergangenheit des Paulus und seinen mühsamen
christlichen Anfängen lieferten (S. 94), liest man
mit einigem Erstaunen.
Die 2. Untersuchung befaßt sich mit dem Problem
der Jerusalemreisen des Paulus. Historisch sind nach
B. nur 3: Gal. l,18 = Apg. 9,26; Gal. 2, l=Apg. 18,
22; Rom. 15,25 = Apg. 21,15. Apg. 11,30 enthält
keine Reise des Paulus; wenn die antiochenische Gemeinde
ihre Beihilfe „durch die Hand des Paulus und
Barnabas" sendet, so heißt das nicht: diese reisen
nach Jerusalem, sondern sie sind die Organisatoren der
Kollekte, welche andere, nicht genannte antiochenische
Gemeindeglieder überbringen (S. 43). Apg. 15 ist legendarische
Ausschmückung und Vordatierung des kurz vor
Apg. 21,18 anzusetzenden, ohne Paulus erfolgten Beschlusses
des Aposteldekrets. In der Gleichsetzung von
Gal. 2,1 mit Apg. 18,22 bewegt B. sich zwar auf Wegen
, die u. a. Wieseler und vor allem Volkmar ihm vorangegangen
sind, muß aber für die Jerusalemreise von
j Apg. 18 freihändig Antiochia als Zwischenstation ergänzen
und die Mitnahme des Barnabas und Titus so
gut wie die Anwesenheit des Petrus und Johannes
i in Jerusalem postulieren. B. geht in Negation und Po-
| sition dieser Studie, ohne Berücksichtigung der neuesten
j Literatur, allzu leichten Schrittes über Berge von Schwierigkeiten
hinweg, an die seit Generationen die schärfsten
Köpfe die größte Mühe gewandt haben.
Die 3. Untersuchung sucht neue Lösungen für viel
erörterte Personenfragen der Apostelgeschichte. Johannes
Markus ist nach B. Cyprier, der bei dem Besuche
des Barnabas, seines Verwandten, und des Paulus in
seiner Heimat Christ und Aposteldiener wurde. Zum
Jerusalemer, zur „Verklammerungsperson" hat ihn erst
die schriftstellerische Tendenz des Verfassers der Apostelgeschichte
gemacht, die den Gang der urchristlichen
Mission in wohlverbundenen Etappen und durch von
Jerusalem ausgehende „Leit-Persönlichkeiten" schildern
will. Dieselbe Tendenz hat die Apostelgeschichte zu
der Identifikation Silvanus-Silas geführt: der „Dekret-
Silas" (15,22—34) war Paulusgegner, vielleicht einer
von den Jakobusleuten in Jerusalem, der „Reise-Silas"
(15,40—18,5) der Silvanus der Paulusbriefe. Silvanus
aber heißt auch Titus, und dieser Titus Silvanus ist der
Verfasser der Wir-Quelle. B.s Johannes Markus-Hypothese
ist ein Luftgebäude, errichtet auf konstruktiven
Quellen- und Urtext-Annahmen (verblüffend zu Apg.
12,12: der Johannes hier ist der Zebedaide; das Haus
der Zebedaiden ist eine Stätte des Kultus der Jünger
Jesu gewesen). Die Unterscheidung zwischen „Dekret-
Silas" und „Reise-Silas" steht und fällt mit B.s Urteilen
über Ort und Zeit des Aposteldekrets. Sehr schwach
sind die Gründe, mit deren Hilfe B. die längst begrabene
Hypothese Silvanus = Titus wiederbelebt: aus 2.
Kor. 8, 6. 23 herauszulesen, Titus sei Mitbegründer der
Gemeinde von Korinth gewesen, ist fast ebenso kühn wie
die Erklärung, daß Paulus „aus irgend einem Missionsgrunde
" (S. 21) den Korinthern Silvanus später als
Titus bezeichnete. Und die Leichtigkeit, mit der B. bei
der Beantwortung der Frage nach dem Verfasser der
Wir-Quelle zugunsten seines Silvanus = Titus den Kon-
| kurrenten „Lukas" erledigt, steht im umgekehrten Ver-
j hältnis zur Tragkraft der Argumente; ist im Ernst der
Hinweis auf den fehlenden vierten Mann in der paulinischen
Reisegesellschaft Apg. 15, 35 ff. grundstürzend
für die Autorschaft des Lukas? Als „Untersuchungen
zur Struktur der Apostelgeschichte" sind die Ausführun-
j gen dieses Heftes in sich widerspruchsvoll und methodisch
anfechtbar, weil der Verf. bald von einer — vorausgesetzten
, aber nicht bewiesenen — schriftstellerischen
Tendenz des Werkes auf die Behandlung der Personen-
; probleme schließt, bald umgekehrt.
Die 4. Untersuchung beschäftigt sich nach Römer-
j brief und Apostelgeschichte mit den letzten Reisezielen
des Paulus. B. sieht den geschichtlichen Tatbestand so:
der Apostel hat am Schluß seiner kleinasiatisch-griechischen
Mission ursprünglich folgenden Reiseplan im Au-
j ge: Antiochia:—Jerusalem—Rom; er ersetzt ihn dann
] aber durch den anderen: Jerusalem—Antiochia—Rom.
Quelle dafür ist der Urtext von Rom. 15,22—33, der
aus einem Brief nach Antiochien stammt, den Paulus
- nach der notgedrungenen Änderung seiner Absicht schrieb
und durch Trophimus übersandte. Einen „Römerbrief"
hat Paulus so wenig je geschrieben wie eine Spanien-
| reise geplant. Bei seiner Ankunft in Rom gab es dort
j noch keine Christengemeinde. Den entscheidenden Be-
I weis für diese originellen Erkenntnisse läßt B. sich durch
j die ad hoc rekonstruierte Urgestalt von Rom. 15, 22 ff.
I liefern, wo, von anderen aufgedeckten Interpolationen
j abgesehen, in v. 24 statt „Spanien" ursprünglich „Jeru-
' salem" und in v. 28 statt „Spanien" ursprünglich „Italien
" stand: so schildert Paulus aus Korinth der ihm
vertrauten und seit Jahren bekannten Gemeinde von
Antiochien seine Reisepläne im Einklang mit der Wir-
Quelle der Apostelgeschichte. Der tiefere Grund für