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Ausgabe:

1933 Nr. 24

Spalte:

438-440

Autor/Hrsg.:

Schornbaum, Karl (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte. VI. bis VIII. Jahrg., Heft 2 1933

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 24.

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an der Kirche, in deren Dienst ihn einstmals jugendliche
Begeisterung geführt hat. Um so mehr schmerzt
ihn all das, was er als Grundfehler des heutigen römischen
Katholizismus, als Haupthemmnisse für seine erfolgreiche
Wirksamkeit in der Gegenwart und als schwerste
Gefahren für seine Zukunft erkannt hat, besonders
die „gerarchia burocratica" und deren „scandolosa incom-
prensione delle genuine tradizione cristiane" (S. 143). Er
meint damit das Entweichen des „Geistes" und das Verschwinden
des Gedankens an das Reich Gottes und seine
in der Liebe gipfelnde höhere Gerechtigkeit, eine Klage,
die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht.
In Verfolgung dieses Gedankens wird er römischer als
Rom und päpstlicher als der Papst, indem er nicht bloß
den heutigen Nationalismus als den „centauro della
modernitä" und als „wiederauflebendes Heidentum" (S.
135 f.) betrachtet, sondern auch der Kirche zu große
Nachgiebigkeit in diesem Punkte vorwirft. Das mag
von der „Universalität" des Christentums und vollends
von urchristlicher Enderwartung aus gesehen richtig sein,
betrifft aber doch nur ein Entgegenkommen, das seit den
Tagen Kallists nicht das erste war und voraussichtlich
auch nicht das letzte sein wird. Der Römer B. scheint
mir auch nicht genügend zu würdigen, daß der römische
Katholizismus oder, um mit B. selbst zu sprechen,
der „Romanesimo" (S. 167) selbst im Grunde nichts
anderes als ein religiöser „particolarismo nazionale"
(S. 167) geworden ist, so sehr er sich auch für den
Katholizismus schlechthin ausgibt. Er schreibt ferner
(S. 146), daß die katholische Kirche gerade die sei, die
in ihren Grundlagen und ihren tiefen Eingebungen noch
heute, ohne davon ein klares und bestimmtes Bewußtsein
zu haben, die geschichtliche Hauptforderung des Christentums
verwirkliche, nämlich die Trennung zwischen
den religiösen und den politischen Werten. Das trifft
bezüglich der Abwehr von weltlichen Eingriffen in geistliches
Gebiet gewiß zu. Aber anderseits ist es gerade
die römische Kirche, die schon in ihre Verfassungsger
danken politische Begriffe hereingenommen hat und in
ihrer Betätigung alles Gefühl dafür, wo Religion aufhört
und Politik anfängt, verloren zu haben scheint. B.
selbst fordert von ihr (S. 168) einen Verzicht auf ihre
„ramificazioni diplomatiche" und „acquiescenze politi-
che", um in „einer völlig heidnisch gewordenen Welt"
mit verzehrender Leidenschaft wieder das vergessene
Banner des Gottesreiches und seiner höheren Gerechtigkeit
zu entfalten. So ungünstig aber „il bilancio fra
l'attivo e il passivo del Romanesimo nell' ora presente"
S. 128 ff. ausfällt, so trübe die Aussichten für die Zukunft
erscheinen (S. 173 ff.), so glaubt B. doch, daß die
römische Kirche noch „riserve carismatiche" besitze,
die lebhaft eingesetzt genügen würden, die ganze, Masse
der heutigen Bildung aufs Neue zu durchsäuern. „E vero:
ogni ritorno e una mutilazione e ogni reviviscenza e un
rinnegamento" (S. 168). Ob aber die römische Kirche
sich zu einem Verzicht auf das, was ihrer religiösen Zukunft
im Wege steht, jemals verstehen wird? Das
letzte Wort, das sie bis jetzt gesprochen hat, ist der
Jesuitenorden mit seinem Begriff von Religion und den
Auswirkungen, wie sie in der Kirche vorliegen. Es gibt
eine nicht unbegründete Anschauung, daß die Kirche mit
ihm, wie nach Schopenhauer die Natur mit dem Juden,
in eine Sackgasse geraten sei, aus der sich kaum mehr
ein Ausweg finden lasse. Auch B. spricht von der vom
Jesuitismus ausgegangenen „paralisi intima", seiner
„opera dissolvitrice", seinen „armi sataniche" (S. 103 ff.
181ff.). Das sind scharfe Urteile, aber Urteile, die sowohl
durch die Geschichte wie durch die persönlichen
Lebenserfahrungen des Verfassers gerechtfertigt erscheinen
. Aber eben darum ist angesichts der beherrschenden
Machtstellung der Jesuiten in der römischen Kirche die
Besorgnis mancher begreiflich, es könnte bei ihr bereits
jener Zustand eingetreten sein, den ihre eigene Dogmatik
als „impoenitentia finalis" bezeichnet.

München. Hugo Koch.

! Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte. Im Auftrag des
Vereins für bayr. Kirchengeschichte hrsg. von D. Dr. Karl Schornbaum
. Jahrg. VI bis VIII Heft 2. München: Chr. Kaiser 1931 bis
1933. (256, 256, 128 S.) 8°.

Dem M. A. gelten 9 Aufsätze. W. Kraft, Inven-
tare und Aufzeichnungen über Meßgewänder
, Kleinodien und anderen Kirchenschmuck
des Klosters und der Liebfrauenkapelle
zu Pappenheim, (1931, 87ff.) gibt über
das Augustinerkloster Nachrichten von 1563, über die
Kapelle von 1440 bezw. 1637. L. Theobald, Die
Regensburger Heiltumweisung und das Re-

( gensburger Heiltumverzeichnis von 1496
(1932, 17 ff.) erzählt von den bis 1524 in Regensburg
alljährlich gezeigten Heiltümern. K. Münzet, Mittelhochdeutsche
Klostergründungsgeschichten
des 14. Jh.s (1933, lff., 81ff.) bespricht vor
allem die Regensburger Schottenchronik und die in ihr
sich findende Weihsandpeterlegende. Die Legende wird

j philologisch untersucht und als typisches Erzeugnis der
irischen Mönche (scoti genannt) nachgewiesen, die in

I Regensburg von ca. 1185 bis 1518 waren. Die Entstehung
der Chronik legt der Vf. auf ca. 1270—1294, die
Übersetzung in die Zeit Ludwigs d. B. Deutlich erkennbar
wird in der Übersetzung das Auftreten bürgerlicher

j Kräfte in der Literatur. Die Gründungsgeschichten von
Waldsamen, Kastl, Zwettl und S. Bernhard sind kürzere
Dichtungen, welche die Mönche aus historischen und
finanziellen Interessen den Salbüchern der Klöster voranstellten
; sie stammen aus der ersten Hälfte des 14. Jh.s
und sind für Leser aus den Kreisen der Klosterangehörigen
, der adligen Gönner und Gäste bestimmt. Frz.
J. Bendel, Kirchenpatrozinien im Erzbistum
Bamberg (1933, 36ff.) kritisiert scharf eine
gleichnamige Arbeit von Fr. Hiller und fordert als Vorarbeit
für die weitere Patrozinienforschung ein Corpus
Reliquiarum, ein Repertorium aller in Deutschland jemals
vorhandenen Reliquien. Beachtung und weitere
Nachprüfung verdient die Notiz, daß das Begräbnisrecht
schon 1225 nicht mehr Vorrecht der Pfarrkirchen gewesen
sei (S. 44). E. von Guttenberg äußert sich
„Nochmals zum Alter der Pfarrkirche S.
Lorenz in Nürnberg" (1933, 102ff.) unter Hinweis
auf die von R. Schaffer als veri rectores von S. Lorenz
nachgewiesen, in Bamberg residierenden Domherren
und sucht die Zeit der Loslösung der zwei Nürnberger
Pfarrkirchen von ihren Mutterkirchen in Fürth
und Poppenreuth zu ermitteln. L. Engelhardt, Kir-
chenpatronat zu Nürnberg, seine Entstehung
und Gestaltung im Wandel der Zeit
(1932, lff., 65 ff.) zeigt dann, wie der Nürnberger Rat
sich 1474—1517 bemühte, durch Verhandlungen mit
dem Papst und dem Bamberger Bischof und unter
großen Geldopfern die Besetzung der beiden Propsteien
zu S. Lorenz und S. Sebald in seine Hand zu bekommen.
Das Gelingen erleichterte der Reformation den Weg;
in ihrem Verlauf wurden die Propsteien durch Prediger-

I stellen abgelöst. K. Schornbaum, Zum refig.
Volksleben im Ausgang des M.A.s (1932, 81f.)
weist auf das Mirakelbuch in der S. Jobstkapelle bei
Nemmersdorf in Oberfranken hin und druckt den erhaltenen
Rest desselben ab. Weiter gibt derselbe das „I n-
ventar des Pfarrers Dr. decr. Georg von

| Gotsfeld (t 1495) in Hof" (1932, 243f.) bekannt.

I Darunter befand sich auch Helm und Kürass. Das Verzeichnis
seiner 74 Bücher fehlt leider und muß an anderer
Stelle gesucht werden. Einkommen, kirchliche Gebäude
und fromme Gebräuche einer kleinen Stadt schildern
K. Schornbaum und W. Kraft in Pappen-
heim am Ausgang des M.A. in kirchlicher
Hinsicht auf Grund des Pfarrbuchs des
Pfarrers Stefan Aigner (1932, 129ff., 193ff.)
und machen auf die Bedeutung der alten Pfarrbücher
erneut aufmerksam. G. Lenckner gibt (1931, 24 ff.)
eine fleißige Zusammenstellung der Krakauer Studenten
aus der Markgrafschaft Branden-