Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1933 Nr. 23

Spalte:

428-432

Autor/Hrsg.:

Wilpert, Giuseppe

Titel/Untertitel:

I sarcofagi cristiani antichi 1933

Rezensent:

Campenhausen, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

427

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 23.

428

Man wird zu diesem von ihm ausgezeichnet fundierten
Grundgedanken erst dann Stellung nehmen können
, wenn der 2. Band vorliegt, der sich mit den Wertgedanken
der Neuzeit auseinandersetzen will. Hier wird
sich auch erst zeigen, ob dieser Gedanke wirklich nichts
anderes als eine Wiederholung eines mittelalterlichen Gedankens
ist; ob er, umfassend und wirklich in unserer
Zeit gedacht, nicht doch stärker von neuzeitlichen Wertideen
befruchtet ist, als R. es wahrhaben möchte. Das,
was der V. in dem vorliegenden 1. Band zur Abgrenzung
und Verteidigung seines Wertrealismus gegenüber
dem wertphilosophischen Idealismus Richerts sagt, genügt
noch nicht. Denn auch Rickert geht es nicht um
eine Loslösung des Wertes vom Sein, so wenig wie dem
V., sondern, geradeso wie dem V., um ihre Wiedervereinigung
in einem vom Wert durchleuchteten Sein.
Ein besonderes Verdienst des V.s ist es, am Gang der
Geistesgeschichte von der Antike über das Mittelalter
bis zur Schwelle der Neuzeit aufgezeigt zu haben, wie
die subjektivistische Zersetzung des Wertdenkens immer
parallel geht mit einer Lösung des Individuums aus den
es umfangenden Ganzheiten.

Heidelberg. Robert Winkler.

Leese, Kurt: Die Krisis und Wende des christlichen Geistes.

Studien z. anthropolog. u. theolog. Problem d. Lebensphilosophie.
Berlin: Junker & Dünnhaupt 1932. (XV, 420 S.) gr. 8°.

RM 17.50. geb. 20—.

Auf Grund einer geschichtskritischen Auseinandersetzung
mit einer Reihe von Denkern, die „abseits von
der breiten philosophischen und theologischen Heerstraße
" auch da noch weiterfragen, wo sich die anderen
mit überlieferten Antworten begnügen, verkündet der
Verf. „die Krisis und Wende des christlichen Geistes".
An der Gedankenwelt von Böhme, Sendling, Herder,
Hamann, Arndt, Görres, Bachofen, Nietzsche, Scheler
und Klages, um nur die wichtigsten zu nennen, werden
in dem Hauptteil des vorliegenden Buches die Probleme
einer Philosophie und Theologie des Lebens entwickelt.
Gerade diese Denker haben das Interesse des Verfassers
, weil sie einen Sinn für die vitale Urkraft des
natürlichen Lebens haben und etwas von einer „Natur
in Gott" wissen. Im Bunde mit ihnen will er der Natur
, dem Triebhaften, dem Unbewußten, dem Dionysischen
, der Seele, den nach dem All- und Erdleben hin
offenen unendlichen Regsamkeiten des Leibes und der
Seele, kurz dem „Leben" sein philosophisches und theologisches
Recht erkämpfen gegenüber dem „Geist". Er
wendet sich dabei sowohl gegen Bachofen, für den der
Geist dazu berufen sei, das Leben in sich aufzuheben
als auch gegen Klages, dem der Geist der Widersacher
der Seele und des Lebens sei, dazu bestimmt, wieder
aus dem Leben ausgeschieden zu werden. Demgegenüber
verficht L. einen Ausgleich von Geist und Leben,
Geist und Seele, Geist und Natur; nicht Lebensmonis-
mus, aber auch nicht Geistmonismus, sondern die Dialektik
einer gegenseitigen Durchdringung von Geist und
Leben, die die Eigenherrlichkeit beider anerkennt, statt
ihres Auseinanderbrechens aber ihr Sichaneinander- und
Ineinanderspannen setzt (S. 370): vergeistigtes Leben
und lebendiger Geist. Sie bleiben in einer Urspannung,
in der weder das Leben den Geist noch der Geist das
Leben verdrängt (S. 408). Man darf im Sinne des
Verfassers vielleicht sagen, daß der Geist das Auge des
Lebens und das Leben das Herz des Geistes sein müsse.

Diese Apologie des Lebens in seiner Sinnenfreudigkeit
, dionysischen Rauschhaftigkeit und Erd- und
Leibgebundenheit bedeute nun aber die „Krisis des christlichen
Geistes". Denn das Christentum habe eine Hypertrophie
des Geistes auf Kosten des leib-seelischen Lebens
verschuldet (S. 35). Der von schwellenden Lebenswonnen
schäumende Becher der Unendlichkeit habe keinen
Platz im Neuen Testament und in den Bekenntnisschriften
der christlichen Kirchen (S. 135 f.). Gott sei im herkömmlichen
Christentum zum Widerspruch des Lebens

abgeartet, statt dessen Verklärung und ewiges Ja zu
sein (S. 261). Das Christentum wisse nichts von der
„Natur in Gott" (S. 73). Gott aber sei xpeTttov tov
Xöyov, er sei mehr als Geist (S. 336). In dem Dogma
von der Erbsünde mit seiner Ächtung des natürlichen
Lebens habe sich das Christentum ein Denkmal seiner
Sinnen- und Lebensfeindschaft gesetzt. Aber mit dem
Geltendmachen des Rechtes des Lebens, mit dem „Pathos
des leib-seelischen Lebens" trete das Christentum
in eine neue Phase seiner Selbstmanifestierung ein
(S. 234). Es brauche nicht bloß Freiheit von seinen
großen Theologen, sondern die Freiheit auch von seiner
ursprünglichsten historischen Inkarnation (S. 234). Das
Erlebnis der „Mutter Erde" beruhe auf dem Neuerieben
des in der unermeßlichen Breite der Wirklichkeit
und Gegenwärtigkeit sich offenbarenden Gottes
(S. 143). Daher bedeute die mit der Lebensphilosophie
aufbrechende Krisis des Christentums nicht seinen Untergang
, sondern seinen Gesundungsprozeß (S. 167).

Die Stärke des Buches liegt in den kritischen Analysen
der in ihm behandelten Lebensphilosophien von
Böhme bis Scheler und Klages. Aber ihre Auswertung
für eine vernichtende Kritik der Gegenwartstheologie
macht sich die Auseinandersetzung mit letzterer denn
doch zu leicht, wenn sie in ihr nur eine unschöpferische,
weil den dogmatischen Autoritäten übermäßig hörige
Epigonentheologie sieht (S. 337). Im Hinblick auf die
seit Schleiermacher nie mehr ganz aussetzende Wechselbeziehung
zwischen der theologischen Arbeit und der
jeweiligen geistigen Situation kann man diesem Urteil
den Vorwurf der Leichtfertigkeit nicht ersparen. Vor
allem aber hat sich L. keine Mühe gegeben, in den
Sinngehalt der christlichen Erbsündenlehre einzudringen.
Seine Polemik gegen die landläufige Theologie, die angeblich
wegen der Belastung mit diesem Dogma mit
dem Problem der Natur und des natürlichen Lebens
nicht fertig wird, nährt sich von einem pietistisch-methodistischen
Sündenbegriff, der, aufs Ganze gesehen, gar
nicht von ihr vertreten wird. Sünde ist nach der Meinung
echt evangelischer und speziell lutherischer Theologie
gerade nicht das Sichregen des natürlichen Lebens,
wie L. den Leser glauben macht, sondern gerade der sich
auf geistiger Ebene ereignende Aufstand des Menschen
gegen Gott. Der Revolte des Lebens gegen den
Geist braucht sich daher auch die traditionsbewußte
christliche Theologie nicht entgegenzustemmen. Aber
die Lebensphilosophie des Verfassers will nicht bloß die
Rechte des Lebens gegenüber dem Geist anmelden,
sie kommt vielmehr darauf hinaus, Leben und Geist in
ihrer dialektischen Einheit als Verbündete gegen Gott
zu führen. Mit der Ächtung des Sündenbegriffes fallen
bei L. die Schranken zwischen Schöpfer und Geschöpf,
zwischen Jenseits und Diesseits; die Natur selbst wird
als das strömende Leben der Gottheit begriffen. L. will
den ersten Artikel ohne den zweiten bekennen. Damit
aber ist der christliche Charakter seiner Lebensphilosophie
, den er doch gerne retten möchte, verwirkt.
Heidelberg. Robert W i n kl er.

Wilpert, Giuseppe: I sarcofagi cristlani antichi. Monumenti
dell 'antichita cristiana, pubblicati per cura del Pontificio istituto di
archeologia cristiana I. 4. Bd. Rom: Pontificio istituto di archeologia
cristiana 1929 — 1932. (XVI, X, 22*, 381 S. u. 256 Taf.) Fol.

Das Werk, das zur Besprechung steht, bringt eine
Lebensarbeit zum Abschluß. Fast ein halbes Jahrhundert
steht Joseph W i 1 p e r t in der Erforschung der altchristlichen
Denkmäler in der vordersten Reihe als eine
für Anhänger und Gegner repräsentative Gestalten der
christlich-archäologischen Arbeit, und so, wie seinerzeit
die Veröffentlichung der „Malereien der Katakomben
Roms" (1903) und das noch großartigere Tafelwerk
über die „römischen Mosaiken und Malereien" (1916)
jeweils ein ganzes Gebiet frühchristlicher Kunst der
Forschung geradezu neu erschlossen, ist die vorliegende
Publikation bestimmt, die christlichen Funeralskulpturen