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Ausgabe: | 1933 Nr. 23 |
Spalte: | 423-424 |
Autor/Hrsg.: | Martin, Josefus |
Titel/Untertitel: | Quinti Septimii Florentis Tertulliani Apologeticum 1933 |
Rezensent: | Krüger, Gerhard |
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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 23.
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Die Sprache hat zwar einen frischen, flotten Zug, wird
aber nicht selten nachlässig und schlampig. Vollends
im Argen liegen die Satzzeichen: Beistriche, Strichpunkte,
selbst Punkte sind nach Belieben weggelassen. Und
warum wird S. 35 u. 38 „Parousie" geschrieben? Zwei
dieser Untersuchungen sind vorher in Zeitschriften erschienen
; das ist aber nur bei der über Clemens von
Alexandrien (S. 115 A. 1) angegeben, nicht auch bei
der über Hermas, die zuerst in der Tüb. Theol. Qu.-
Schr. 111 (1930) 253—288 erschienen ist. Hier war
meine Abhandlung über die Bußfrist des Pastor Hermae
(Festgabe f. A. v. Harnack 1921, S. 173 ff.) noch nicht
genannt; jetzt ist sie (S. 21 A. 1) angegeben, aber daß
H. sie wirklich gelesen habe, glaube ich bezweifeln zu
dürfen. Meine Schrift über Kallist und Tertullian (Heidelberg
1920) kennt er offenbar nicht. In beiden nätte
er den seinen verwandte Feststellungen angetroffen. Daß
aber Häresie „nicht als schwere Sünde angesehen worden
sei" (S. 95), sage ich in meinem Aufsatz über die
Sündenvergebung bei Irenäus (ZNW 1908, S. 37) nicht,
sondern daß sie „nirgends in der Reihe der dauernden
Ausschluß begründenden Kapitalsünden erscheint", was
nicht dasselbe ist.
S. 28 meint H., daß Tertullian den Pastor Hermae oberflächlich
gelesen oder falsch verstanden habe. Sein Vorwurf gegen den „Hirten
der Ehebrecher" wird aber vielmehr zeigen, wie dieser damals auf katholischer
Seite verstanden und ausgenutzt wurde. Mit dem itagabexEoftcu
in Mand. IV, 1, 8 ist zu vergleichen das ÖE|ioücrötu bei Dionysius von
Korinth (bei Euseb. H. E. IV, 23, 6 f, S. 87 f. bei Hohe und damit
wieder das jcoocXdßefföm und elaÖEXEffüai bei Dionysius von Alexandrien
(Euseb. VI, 42, 5), ohne daß es jedoch jedesmal dasselbe bedeuten
müßte. — In de pud. unterscheidet Tertullian nicht drei Arten von
Sünden (S. 44f.), sondern vier, da noch die monstra, d. h. widernatürliche
Sünden, dazu kommen. Die göttliche Verzeihung leugnet er allerdings
nicht geradezu (S. 48), aber sein Beweisgang verläuft vielfach so,
wie wenn sie recht zweifelhaft wäre. — Sehr gut ist, was S. 45 über
das Verhalten Cyprians und des römischen Klerus in der Frage der
lapsi gesagt wird. — Bei Justin (S. 82 ff.) wäre vielleicht zu erwähnen
gewesen, daß er (etwa in c. 7 der ersten Apologie) nicht ebenso wie
später Tertullian Apol. c. 39 (vgl. auch c. 44) auf einen Ausschluß der
schweren Sünder hinweist, obwohl es für seine Zwecke ebenso dienlich
gewesen wäre. — S. 99 versteht H. irrtümlicherweise das frenum conti-
nentiae sibi et uxori suae circamdedit (sc. Adam) bei Irenäus adv. haer. III,
23, 5 (S. 549 Stieren) von einer lebenslänglichen Buße mit Eheenthaltung
und glaubt, daß „die Bußpraxis hier Modell gestanden hat". Erstens ist
eine solche Bußvorschrift, wie H. selbst zugibt, für damals nirgends
bezeugt. Im Gegenteil: aus Tertullian de paen. 9, wo die Bußübungen
einzeln aufgezählt werden, ist zu erschließen, daß die Eheenthaltung
damals noch nicht dazu gehörte. Dazu kommt, daß für den Irenäus der
eheliche Umgang der Stammeltern ja erst nach dem Sündenfall beginnt
und Kain und Abel nicht aus Eheenthaltung hervorgegangen sind. Die
continentia entspricht also nicht etwa einem griechischen ayvEia, sondern
der owmQOcmvri im Sinne von Mäßigung der sinnlichen Begierden
(vgl. etwa Justin Apol. II, 2, 1 f.).
München. Hugo Koch.
Martin, Josefus: Quinti Septimii Florentis Tertulliani Apolo-
geticum. Recensuit adnotavit praefatus. Bonn: P. Hanstein 1933.
(III, 176 S.) gr. 8°. = Florilegium Patristicum tarn veteris quam medii
aevi auctores complectens. Ed. B. Geyer et J. Zellinger. Fase. VI.
kart. RM 6—.
Durch diese Ausgabe des Apologeticum soll die von
Rauschen (1906, 2 1912) ersetzt werden, die auf dem
Titelblatt nicht mehr genannt wird. Rauschen hatte versucht
, zwischen dem Fuldensis (F) und der Vulgata (V)
einen Mittelweg zu gehen, erklärte sich aber später
(Emendationes et adnotationes ad Tertulliani Apologeticum
, Florilegium Patristicum XII, 1919), durch Calle-
waert (Le Codex Fuldensis le meilleur manuscript de
1'Apologeticum de Tertullien, Revue d'histoire et de
litterature religieuses 7, 1902, 322—353) überzeugt, für
den unbedingten Vorrang von F. Dann trat (nach einem
verunglückten Versuch von Schroers) Thörnell (Studia
Tertullianea IV, Upsala 1926) mit der Hypothese einer
zwiefachen Textgestaltung durch Tertullian selbst auf:
F stelle einen Entwurf (rudis atque inchoatus) dar, der,
nicht zur Veröffentlichung bestimmt, durch Indiskretion
eines Dritten, vielleicht desselben Apostaten, dem Tertullian
adv. Marc. I praef. die ihm unerwünschte Veröffentlichung
seines Erstlingswerkes über Marcion in
die Schuhe schiebt, bekannt wurde. Diese Hypothese
weist Martin, sicher mit Recht, ab. Er selbst schlägt,
in den Spuren von Löfstedt (Tertullians Apologeticum
textkritisch untersucht, Lund 1915, und Kritische Bemerkungen
zu Tertullians Apologeticum, das. 1918),
einen neuen Weg ein. Genaue Untersuchung der Überlieferungsverhältnisse
, insbesondere der noch nie genügend
beantworteten Frage nach dem, was in F wirklich
stand, und was Junius oder die Drucke fälschlich daraus
gemacht haben, hat ihn zu der Einsicht gebracht, daß
F und die Codices von V auf einen und denselben
Archetypus zurückgehen; den Beweis liefern vor allem
die gemeinsamen Versehen, über die Martin in der Einleitung
eingehenden Bericht erstattet. Sein Schluß lautet:
neque solum F neque V sequi debere qui genuinum tex-
tum eruere sibi proposuerit. Also doch ein Mittelweg,
wenn auch anderer Art. Wie er seinen Schluß für die
einzelne Lesart begründet, und wie weit sein Text in
jedem Einzelfall etwaigen Einwürfen Stand hält, das
nachzuprüfen mag dem Herausgeber des Apologeticum
im Wiener Corpus überlassen bleiben, auf dessen Arbeit
wir nun schon seit Jahrzehnten warten. Inzwischen bietet
uns die so vielfach erprobte Zuverlässigkeit Martins
die Gewähr, daß wir durch ihn einen kritisch überlegten
und sauber durchgearbeiteten Text erhalten haben.
Gießen. G. Krüger.
Breton, Germain: „Du Pape" de Joseph de Maistre. £tude critique.
k, Paris: G. Beauchesne 1931. (378 S.) kl. 8°.
Es ist nicht ganz leicht, diesem Buche gerecht zu
werden. Selbst bei wiederholter Beschäftigung damit
habe ich mich nicht von seinem wissenschaftlichen Wert
überzeugen können. Es enthält nichts, was wir nicht
längst wissen. Auch tut man besser, das Meisterwerk
De Maistres selbst zu lesen, ohne sich durch die langatmigen
Umschreibungen seiner Sätze durch Breton und
dessen sogenannte Kritik, die in Wirklichkeit stets Zustimmung
bedeutet, ermüden zu lassen. Wieweit Nicht-
kenner der Maistreschen Gedanken dadurch gefördert
werden, vermag ich nicht zu beurteilen. Erfreulich ist,
daß Breton in einem letzten Abschnitt auch die Schrift
De Peglise gallicane heranzieht, die über dem Hauptwerk
zu Unrecht vernachlässigt zu werden pflegt.
Gießen. G. Krüger.
Nebe, Lic. Otto Henning: Gestaltwandel der Mystik. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1932. (106 S.) 8°. RM 2.50; geb. 3.50.
Der muntere Angriff auf die Mystik, den E. Brunner
in seinem Buch über „die Mystik und das Wort"
unternommen hat, scheint durch die Schneidigkeit, mit
der dort Größen der Theologie wie Schleiermacher aus
dem Sattel gehoben werden, und durch die Billigkeit, mit
der auf diesem Gebiet leuchtende Siege zu erringen sind,
die Begeisterung einiger Vertreter der jüngeren Generation
der Existenztheologie für die Entthronung der Mystik
erweckt zu haben. Mag diese Attacke auf die Mystik
die Zustimmung der Dogmatiker erregen — ihre
dogmatische Berechtigung ist inzwischen schon wieder
fraglich geworden — so ist es jedenfalls Pflicht, von
der Kirchengeschichte her gegen die verantwortungslose
Art Einspruch zu erheben, mit der diese Angriffe durchgeführt
werden. Das Werk von Nebe, das auf 106Seiten
den Beweis für die These erbringen will: „Mystik
und Theologie sind unaufhebbare Gegensätze; von mystischer
Theologie oder von Glaubensmystik zu sprechen
ist ein Widerspruch in sich selbst", ist für die
Billigkeit der Kampfmittel gegen die Mystik besonders
bezeichnend. Die mystische Theologie ist eine geschichtlich
ermittelbare Größe, um so mehr, als gerade in ihr
traditionalistische und z. T. stereotype Elemente und
Bilder immer wiederkehren und deutlich begrenzbar sind.
Aber während Brunner noch dem geschichtlichen Bild
der Mystik insofern gerecht zu werden versuchte, als er
von einer direkten Kritik des Aufbaus und der Haupt-