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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

21-23

Autor/Hrsg.:

Krieck, Ernst

Titel/Untertitel:

Nationalpolitische Erziehung. 3. Aufl 1933

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 1.

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Vorlesung" eindringlich betont (S. 53ff., S. 85ff.); für
Schleiermacher belegt es am klarsten die „Christliche
Sitte"). Voraussetzung ist dabei für M. die Überzeugung
•des Glaubens, daß der entscheidende Vorgang durch
das direkte Eingreifen Gottes erfolgt, daß also etwas geschieht
, was immanente Kräfte, die nur aus dem auf
sich selbst gestellten menschlichen Geist heraus wirken,
niemals hätten erreichen können. Es ist ein supranaturales
Ereignis in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes
, wenn Gott unsere Beziehungen zu sich wandelt.

Von der Einzeldurchführung dieser Gedanken gilt
das gleiche, was ich a. a. O. in bezug aüf das andere
Buch JW.'s gesagt habe: sie ist ausgezeichnet durch die
Schärfe der Problemstellungen, die Klarheit der Gedankenführung
und die Umsicht des Urteils.

Das Buch ist in 12 Kapitel geteilt. Folgende hebe ich zur Veran-
schaulichung der Gcdankenführung heraus:

11. What Forgiveness is. IV. Forgiveness present in Jesus. VI.
Luther and the Gospel. VII. The Divinc Reaction against Sin. X. The
Experience of Being Forgiven. XII. Forgiveness and the Church.
Güttingen._ G. Wobbe rmi n.

Kr leck, Ernst: Nationalpolitische Erziehung. 3. Aufl. Leipzig:
Armaneiiverlag 1932. (186 S.) gr. 8°. RM 3 60.

Für die Ideologie der nationalsozialistischen Bewegung
und die geistige Grundlegung des von ihr erstrebten
„dritten Reiches" ist dieses Werk Kriecks ebenso
wichtig wie Alfred Rosenbergs „Mythus des 20.
Jahrhunderts", mit dem es sich in vielen Punkten berührt
. „Wenn eine große mitreißende Volksbewegung
das Klassen- und Parteiwesen nach vorwärts überwindet,
sich selbst zum gesetzgebenden Einheitsfaktor des ganzen
Volkstums erheben und ihre innere Ordnung zur
einheitlichen Staats- und Volksordnung ausweiten wird,
wenn also unser Lebensraum, von dem aus allein wir die
Welt schauen und verstehen können, aus Auflösung und
Zersetzung zu Einheit, Ordnung und zusammengefaßter
Macht kommt, dann ist auch die Voraussetzung zu einer
einheitlichen völkischen Zusammenschau des zerrissenen
Weltbildes, der völkischen Wissenschaft und ihrer Wahrheit
gegeben" (S. 6 f.). Eine Vorarbeit dazu leistet
Krieck, der, als er das Buch schrieb, mit dem baldigen
Endsieg des Nationalsozialismus gerechnet und die Notwendigkeit
einer positiven geistigen Neubauarbeit (nachdem
bisher auf kulturellem Gebiet fast nur negativ gewirkt
und „ausgekehrt" wurde) erkannt hat. Die i. e. S.
politischen Urteile Kriecks, die in Bezug auf die Zukunft
des Nationalsozialismus sehr optimistisch sind und zuweilen
im Zeitungs- oder Volksredenstil gehalten sind,
bleiben hier außer Betracht, und lediglich die wissenschaftliche
Grundlegung sei dargestellt und beurteilt.

Das Zeitalter der „reinen Vernunft", der „voraussetzungslosen
Wissenschaft" ist vorbei, so stellt Krieck
zu Beginn emphatisch fest. Die Wissenschaft gliedere
sich der Wirklichkeit ein und gewinne dadurch auch
wieder teil an den großen Zukunftsaufgaben. „Wir können
uns von keiner reinen Vernunft den Zweck, von keinem
Dogma einen für allemal gültigen Sinn des Lebens
vorschreiben lassen. Wir können uns von keiner imperativen
Ethik die Werte und Gesetze des Handelns auferlegen
lassen" (S. 21). Das Problem: gültiger Wert
und praktische Wirklichkeit — können wir hier nicht aufrollen
. Es sei lediglich gefragt, wie eine Bewältigung der
„Wirklichkeit" möglich sein soll ohne einen von dieser
Wirklichkeit unabhängigen Wert. Krieck erleichtert sich
die Sache sehr, indem er schillernde und bildhafte Ausdrücke
gebraucht, die das Problem verschleiern oder umgehen
. Wenn er z. B. zeigt, daß die Wissenschaft in
der jeweiligen Wirklichkeit „wurzelt", so scheint er
damit zu beweisen, daß sie von objektiven Werten frei
sei. während sie ja gerade deshalb von solchen Werten
gelenkt werden muß. Wenn er, natürlich am (Beispiel
der Geschichtswissenschaft, zeigt, daß es keine
„objektive" Wissenschaft gebe, so erweckt er den Eindruck
, als ob dies ohne weiteres für alle „Wissenschaft"
gelte. Krieck macht aus einer Unzulänglichkeit einen

Wesensbestandteil, ja aus der Not eine Tugend, und er
streicht die ein e Wahrheit, weil es verschiedene Wege
geben muß, sie zu suchen, sich ihr zu nähern, sie darzustellen
. „Lage und Lebensaufgabe des Erkennenden
bestimmen seine Erkenntnis" (S. 2), — „beeinflussen"
müßte das wohl heißen; „bestimmen" erweckt wieder
einer, anderen den Relativismus stärkenden Eindruck.
Um einen bis zum äußersten getriebenen Relativismus
handelt es sich jedenfalls, der auch dadurch nicht
; verschleiert wird, daß es in einem schönen, aber die
i Sache nicht klärenden Vergleich heißt, die wahre Erkenntnis
trage „die menschliche, ewige, allgemeine Wahrheit
, den Logos, die Vernunft als Moment, als Grad, als
den andern Pol der Einmaligkeit und der momenthaften
Vergänglichkeit an sich" (S. 2) und daß der Goethesche
Gedanke, die Wahrheit besäßen nur alle Menschen zusammen
, fortgesponnen wird. Der Geist hänge mit der
Rasse zusammen und sei „der Inbegriff aller Beziehungen
der Menschen untereinander, soweit sie als Verstehen
, Verständigen, Zusammenleben und Zusammenhandeln
auf dem Bewußtsein der Beteiligten ruhen und
in einer gemeinsamen unbewußten Unterschicht verwurzelt
sind" (S. 29). Der „eingefrorene Glaube an einen
Eigenbereich des Geistigen, an eine für sich selbst bestehende
Höhenschicht mit Kultur, Bildung und Humanität
oberhalb der Lebenswirklichkeiten im Volk, der
Glaube an die Absolutheit der Vernunft, an die Autonomie
der Wissenschaft, der Kunst und Sittlichkeit, die
sich vermessen, ein abgelöstes und verselbständigtes Dasein
aus sich selbst und für sich selbst zu führen —
insgesamt ein Bereich des Toten, das sich über das Lebendige
erhaben dünkt" (S. 112), — wird schroff abgelehnt
. Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet,
dem „Geist", der Wissenschaft, der Kunst und sogar der
Religion keine eigene überrassische und übervölkische
Gesetzlichkeit und Gültigkeit zugesprochen, weil sie
durcli Rasse und Volkstum beeinflußt sind. Ganz
ähnlich ist die Position von Rosenberg: „Seele bedeutet
Rasse von innen gesehen. Und umgekehrt ist Seele die
Außenseite einer Rasse" („Der Mythus des 20. Jahrhunderts
", 2. A., S. 22). Es gibt für Krieck wie für
Rosenberg keine objektive Wahrheit, keine für alle gültigen
Werte, keine für alle bindenden Gesetze und natürlich
auch keine absolute Religion. Mit der Widerlegung
des Relativismus brauchen wir uns nicht aufzuhalten;
er führt sich selbst ad absurdum, wenn er als „wahr"
auftritt und für andere gelten will. Kriecks Relativismus
läuft naturgemäß in Pragmatismus aus. Der Wert
der Wissenschaft hängt an ihrer „Fruchtbarkeit", ihrer
Gegenwärtigkeit, ihrer geschichtsbildenden Kraft. „Gegenüber
der Frage nach der Fruchtbarkeit einer Erkenntnis
ist die andere nach der /Wissenschaftlichkeit'
ihres Charakters von gänzlich untergeordnetem Rang"
(S. 8). Solch ein Satz erscheint uns, die wir nach der
alten (veralteten!) Art wissenschaftlich denken, haarsträubend
.

Alfred Rosenberg stellt die These auf, daß die drei
Arten der Wahrheit (auf den drei Ebenen der Forschung,
der Anschauung und des Willens) „im Dienst der organischen
Wahrheit, das heißt: im Dienst des rassegebundenen
Volkstums" stehen (a. a. O. S. 642). Ganz
dieselbe Meinung hat Krieck, und er führt sie in seinem
Buch nach den verschiedensten Seiten hin durch. Staat,
Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Erziehung, Schule
und natürlich auch die Religion (die dadurch ihres Charakters
als Beziehung zu einer transzendenten Wertrealität
entkleidet wird) faßt er als jeweils einseitigen und eigengesetzlichen
Ausdruck der völkischen Lebensganzheit,
der völkischen Lebensenergien und Lebensnotwendigkeiten
und sagt auf den einzelnen Gebieten viel Anregendes
und Bedeutsames, das ausdrücklich anerkannt und dem
Studium empfohlen sei. Daß der Zusammenhang mit
Volk und Rasse überall einflußreich und auch verpflichtend
ist, erkennen wir vollauf an, und wir halten es für
sehr verdienstlich, daß in wissenschaftlicher Weise der