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Ausgabe:

1933 Nr. 21

Spalte:

373-375

Autor/Hrsg.:

Schelhaas, J.

Titel/Untertitel:

De lijdende Knecht des Heeren 1933

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 21.

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gänzlich ferne und kaum faßbare Vorstellung verbleibt,
sondern als Äußerung des Glaubenslebens, selbst da, wo
ihr Brauch uns nicht gerade nahe liegt, uns etwas zu
sagen hat. Man kann meines Erachtens z. B. nicht wie
Wendel tut Kol Nidre als allgemein-humane Angelegenheit
werten, ohne darauf einzugehen, daß wir hier eine
unheimliche Konsequenz des Gesetzes (ohne Evangelium
!) vor uns haben. Das liberale Judentum, das den
Wortlaut dieses Gebets ersetzt, versteht sich ja selbst
nicht mehr, d. h. wird gegenstandslos, weil es sich von
seiner Grundlage, dem Gesetz, entfernt. Wendel vermag
wohl allerlei religionshistorische Erklärungen zu geben,
aber sie glaubhaft zu machen verhindert ihn die Tatsache
, daß er die Geschichtlichkeit der Dinge
nicht erfaßt hat, daß es ihm ferner nicht gelungen ist zu
zeigen, wie das Gelübde als echte Erscheinung des Glaubenslebens
nur dann Beziehung zu Gott (und nicht bloß
zum besseren Ich des Menschen) hat, wenn es zugleich
Beziehung zum Mitmenschen hat.

Aber Rom ist nicht an einem Tage erbaut. Hoffen
wir, daß der „religionsgeschichtlichen" Vorarbeit mit der
Fülle ihres Materials eine solche theologischer Art folgen
werde.

Gotha. Karl C r a m e r.

Schelhaas, Hzn, Dr.J.: De lijdende Knecht des Heeren.

(Het Ebed-Jahwe-Probleem). Groningen: T. Wever 1933. (169 S.)

er. 8°. fl. 2.90; geb. 3.50.

Von Gunkel-Greßmann contra Wellhausen geht der
Verfasser in der Inleiding S. 3 f. aus: Greßmann's „Ursprung
der israelitisch-jüdischen Eschatologie" von 1905
liefert ihm den sicheren Beweis für das hohe Alter der
Messianischen Weissagung, und die Behandlung des
Ebed-Jahwe-Problems in seinem posthumen Werk „Der
Messias" (1929) wird dem Verf. recht eigentlich der
Text, zu dem der Hauptteil dieses seines Buches, die
„Einzelbesprechung der Ebed-Jahwe-Stücke" S. 43 bis
S. 131 den Kommentar bietet, freilich unter stetem Widerspruch
. Ich glaube, daß das Buch unter dieser engen
und einseitigen Grundlegung und Einstellung leidet; den
weiteren Ausblick, dessen es bedurft hätte, läßt der Verfasser
vielfach vermissen. Aber das entspricht wohl auch
seiner Eigenart.

Der Hauptteil I, „Prolegomena ten opzichte
van de E b e d - J a h we-s t u kke n", S. 5—47, bahnt
den Weg zu seiner im vollsten Sinne messianischen Deutung
, in sechs scharf gesonderten Abschnitten. A, „Der
Ursprung der messianischen Prophetie", besteht auf
unmittelbar göttlicher Herkunft des Prophetenworts; B,
„Die Grenzen der Prophetie", bestreitet das Recht, diese
nach des Propheten Zeitumständen zu ziehen; C, „Ist
Prophetie Poesie?", wehrt sich vor allem gegen die
Herstellung der Prophetentexte nach vorausgesetzten
metrischen Schemata und läßt sich u. a. von Ed. König,
der besonders häufig sein Helfer wird, Jes. 1, 12. 13 als
Beispiel für das Fehlen dichterischer Form herbeibringen;
D, „Die sogenannten .prophetischen Gattungen' ", geht
gegen Gunkel, Greßmann, Mowinckel an, ruft wieder
König zu Hülfe gegen die „Zersplitterung der überlieferten
Werke" und streitet gegen die Behauptung,
„daß stets kleine Sprüche gesprochen wurden, während
doch verschiedene zusammen von einem und demselben
Hauptgegenstand handeln" (S. 22). Überraschend
war mir, wie ich hier überall mitgehn konnte,
wenn auch bei A und B nur ein Stück des Weges. Noch
vor kurzem habe ich hier (Spalte 89) des Propheten
Recht betont, sich auf göttliche Offenbarung zu berufen
; auf weiterer Ziehung der „Schranken, die Jesajas
prophetischer Botschaft zu setzen sind", bestand ich
1923 (ZAW 41, S. 154 ff.); immer wieder habe ich mich
dagegen gewehrt, daß Prophetenreden einfach „Dichtungen
" genannt, als solche gewertet und rücksichtslos
gemessen und beschnitten würden, immer wieder auch
gegen die grundsätzliche Zersplitterung Einspruch erhoben
. Bei E aber, „Die Deuterojesaja-Hypothese", gehn

unsere Wege scharf auseinander. Einen Deuterojesaja
gibt es für Schelhaas nicht; das ganze Buch gehört dem
Propheten des 8. Jahrhunderts. Stark wird das Ansehen der
Überlieferung betont, zuletzt auch, daß Jesus Christus für
die Einheit eintrete. Sprache und Stil, Gedanken und
Vorstellungen beweisen nichts; daß Torrey einen „Trito-
jesaja" nicht anerkennt, wird gebührend hervorgehoben
(S. 26). Vor allem aber wird ein Landsmann, Professor
Aalders von der Freien Universität Amsterdam, mit
einem Beitrag von 1930 als Zeuge dafür aufgerufen, daß
der Prophet den König Cyrus „als eine Gestalt der Zukunft
, und selbst einer sehr entfernten Zukunft, zeichnet
", und damit der ganze Inhalt des „Deuterojesaja"
der fernen Zukunft anheimfällt. Das „Perfectum pro-
pheticum" leistet dabei erwünschte Dienste, in jedem erforderlichen
Umfang. Endlich F, „Die Stelle der Ebed-
Jahwe-Stücke", tritt den Beweis an, daß die vier so bezeichneten
Abschnitte durchaus in den Zusammenhang
gehören und mit ihm eine geschlossene Einheit bilden.
Das ist nun wieder durchaus auch die Meinung des Berichterstatters
; aber für mich wäre es unmöglich, wenn
ich wie der Verfasser dem kollektiven Knecht Jahwes =
Israel von 41,8 usw. einen individuellen, den Messias,
in den „Liedern" gegenüberstellte. Hier müssen wieder
Dr. Aalders und das „Perfectum propheticurn" ganz erhebliche
Dienste leisten. Recht unorganisch werden S. 43
bis 47 noch Entgegnungen gegen Sellin, Dietze und
Torrey angehängt, die doch in Teil III sehr ausreichend
zur Sprache kommen. Aber Wiederholungen finden sich
auch sonst häufig genug.

Der ganze Hauptteil II, „Speciale bespree-
king van de E b e d-J a h we-s tu k k e n", S. 48 bis
131, die Einzelauslegung von Duhm's „Knecht-Jahwe-
Liedern", wenn auch das erste bis 42, 7, das zweite bis
49, 9 a, das dritte bis 50, 11 ausgedehnt wird, beruht auf
der Individualität des Knechtes als selbstverständlicher
Voraussetzung. Die kollektive Auffassung wird nur bei
dem zweiten Liede ernstlicher zur Frage gestellt (S. 79
bis 84), um dann bei dem letzten in 12 Sätzen summarisch
erledigt zu werden (S. 129—131). Das bgr^
in 49,3 macht dem Verf. einige Not (S. 74—77). Er kann
zwar auch damit fertig werden, kann den individuellen
Knecht unter „Israel" verstehn, weil „er in absolutem
Sinn Israel genannt werden kann"; aber er schließt doch
damit ab, „daß die Gründe für Streichung stärker sind
als die für die Beibehaltung", sicher für ihn keine leichte
Entscheidung. Das Register der Gegengründe gegen
das Kollektivum auf S. 129 ff. ist so oberflächlich und
verständnislos wie möglich. Daß in 53, lff. die bekehrten
Heiden reden, also die Summe der Völker von dem
einen Israel, das für sie stellvertretend gelitten hat und
in den Tod gegangen ist, wird, nachdem es in der Einzelauslegung
auf S: 116 f. mit sechs Gründen widerlegt
worden ist, hier gar nicht mehr als Möglichkeit in Er-
I wägung gezogen; nur gegen die Teilung in den Knecht
als den getreuen Teil Israels und die Redenden als den
ungetreuen gehn die Sätze 10°a-d im einzelnen an.
Meine Monographie von 1900 wie auch meine Behandlung
bei Kautzsch hat Verf. schwerlich in der Hand gehabt
; die wenigen Nennungen meines Namens genn
augenscheinlich nur auf deren Vorkommen bei Anderen
zurück. Und doch darf ich ohne Anmaßung sagen,
daß, wer die erstere nicht gelesen hat, von der Stärke
des kollektiven Verständnisses keine ausreichende Vorstellung
haben kann. Des weiteren darüber zu reden,
erübrigt sich durch meine vor kurzem hier erschienene
Anzeige von Eißfeldt's Schrift.

Hauptteil III, „Saamvattende behandeling
van de god s dien st-hi sto r i s ch e beteekenis
van de Eb e d-J a h we-s tu kk e n" (S. 132—165), geht
dann vor allem mit den einzelnen Wettbewerbern um die
individuelle Deutung ins Gericht. Den 6 von König ausreichend
bestrittenen, Mose, Jeremia, Josia, Serubbabel,
ein „Thoralehrer", Eleasar (S. 134), werden noch eine
Anzahl hinzugefügt: Sellin's Jojachin, Dietze's Josia,