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Ausgabe:

1933 Nr. 21

Spalte:

371-372

Autor/Hrsg.:

Frick, Heinrich

Titel/Untertitel:

Das Evangelium und die Religionen 1933

Rezensent:

Witte, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 21.

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von Pincherle (R. R. 1931, S. 45 A. 1 u. S. 49 A. 1) aufgeworfene
Frage, wann Augustin mit Cyprians Werken bekannt geworden sei, dahin
, daß die ersten sicheren Spuren in seiner Schrift De sermone Domini
in monte v. J. 393 zu Tage treten, wo er ohne Zweifel die cyprianische
Schrift De dominica oratione, vielleicht daneben auch Tertullians
Schrift De oratione benutzt hat. Doch ist nicht ausgeschlossen, daß er namentlich
Ad Donatum schon früher gelesen und sich mit anderen cyprianischen
Schriften seit Übernahme des Priesteramtes in Hippo (391) vertraut
gemacht hat. Da auch die Vaterunser-Erklärung des Chromatius von
Aquileia in Tr. 14 (M. L. 20, 359 ff.) und die Expositio orationis do-
minicae im Sacramentarium Gelasianum (M L 74, 1091 ff.) herangezogen
sind, wird die Untersuchung zugleich ein kleiner Beitrag zur verwickelten
Geschichte der abendländischen Vaterunser-Erklärung. Das Ergebnis
lautet, daß entweder Chromatius neben der cyprianischen auch die au-
gustinische Erklärung, oder Augustin neben Cyprian auch den Chromatius
benutzt haben muß und daß ersteres wahrscheinlicher ist. Da
ferner in der Expositio des gelasianischen Sakramentars gerade die Züge
aus Cyprian beigebracht sind, die in Tr. 14 des Chromatitus fehlen, so
dürfte das für die Annahme des Benediktiners Puniet sprechen, daß
Chromatius auch die Expositio verfaßt habe. S. 323 ff. wird die augus-
tinische Erklärung von Mt. 16, 17 ff. behandelt mit Widerlegung katholischer
Mißdeutungen. — S. 505 — 523 werden die Nachwirkungen
Cyprians in der Schule Augustins aufgezeigt, namentlich in den
Predigten, die neuerdings mit mehr oder weniger Recht dem Bischof
Quodvultdeus von Karthago zugeschrieben worden sind. S.
512 ff. der Einfluß Cyprians auf die Vaterunser-Erklärung in der
Predigt De dominica oratione (S. 181 — 186 im Appendix IV der Ausgabe
von Morin 1917), in der aber auch Augustin und, wie es scheint,
auch Chromatius und Tertullian benutzt sind. —

Mittelalter. A.Cavalli, Nuovi studi su Gioacchino
d a Fiore ", S. 40—50, weist zuerst im Buche des französischen Romanschriftstellers
Em. Aegerter 1928, das ich in dieser Ztg. 1929,
Sp. 8 f. mit allen Vorbehalten angezeigt habe, zahlreiche haltlose Vorstellungen
, Verwechslungen und Irrtümer hinsichtlich der Zeitfolge und
den Örtlichkeiten nach, und setzt sich dann mit Grundmann über
verschiedene Punkte auseinander. — E. Benz (Halle) zeigt S. 234 bis
243 die Verbindung von „ Es c h a t o 1 ogi e und Pa 1 i n gen es i e"
im ältesten Christentum und ihr Wiederaufleben bei Joachim von Floris
und den Franziskanerspiritualen und die Abwandlung der joachimitischen
Gedanken bei diesen Erben. — Vida D. Scudder, „San Francesco e
noi", S. 416—420, berührt im Anschluß an sein Buch The Franciscane
Adventure 1931 (vgl. R. R. 1932, S. 172 f.) einige von der Kritik angeregte
Punkte über die Beziehungen der franziskanischen Bewegung
zur sozialen Frage der Gegenwart. —

Neuzeit. Fr. Ruffini behandelt S. 193-222, 338 — 357, 395
bis 408, 524—544 die wechselvollen Lebensschicksale, Wanderungen und
Kämpfe, die Wesensart und die Schriften des Streithahnes Francesco
Stancaro, der 1501 in Mantua, wahrscheinlich aus jüdischem Blute,
geboren, sich 1540 dem Protestantismus anschloß und namentlich in
Polen eine große Rolle als Reformator spielte. — Maude Petre spricht
S. 409—415 über „Die Philosophie des Bösen im verlorenen
Paradies" von Milton. — S. 144—154 faßt sie unter
dem Titel „Die Philosophie vom Menschen u. von Gott
bei Lamenais" die philosophisch-religiösen Grundgedanken dieses
Feuerkopfes nach seiner Trennung von der Kirche zusammen aufgrund
seines Werkes Esquisse d'une Philosophie (1840/46), die sie neben dem
kleineren La Religion zu seinen bedeutendsten Werken rechnet. — A.
Cavalli, „La mistica di Giovanni Boine", S. 51—60,
erörtert die düsteren und schweren Grundgedanken dieses i. J. 1917 im
Alter von 30 Jahren verstorbenen philosophisch-religiösen Schriftstellers,
sucht nach den Einflüssen, die auf ihn gewirkt haben und kennzeichnet
ihn als einen der wenigen italienischen Romantiker. — Fr. Montalto
würdigt S. 61—63 die in einem „kritischen Theismus" oder einem
„theistischen Idealismus" gipfelnden Anschauungen des 1931 verstorbenen
italienischen Philosophen Alessandro Chiapelli, der sich auch mit
den Ursprüngen des Christentums beschäftigte und in seinem „geistigen
Testamente" schrieb, daß er sterbe „in der Fülle des christlichen Glaubens
und in seiner katholischen Form, die die italienische Form des
christlichen Gedankens ist." C. Scarfoglio schildert S. 421 —430
aufgrund einer allerdings kurzen und nicht ganz bewegungsfreien Reise
den „Antireligiösen Kampf in Rußland, seine Methoden
und seine Ergebnisse".

München. Hugo Koch.

F r i c k, Prof. D. Dr. Heinrich: Das Evangelium und die Religionen.

Basel: F.Reinhardt 1933. (54 S. m. 2 Taf.) 8°. RM 1.75.

In geistvoller Anknüpfung an zwei italienische Gemälde
entwickelt Frick hier beachtenswerte Gedanken
über das schwierige Problem des grundsätzlichen Verhältnisses
von Evangelium und Religionen. Zum Schluß
setzt er sich mit A. Schweitzer, E. Brunner, P. Althaus
und J. Wach auseinander. Frick sagt, sein Thema müsse
unter drei Untertiteln behandelt werden: 1. Evangelium

und Christentum. 2. Christentum und Fremdreligionen.
3. Evangelium und Fremdreligionen. Soviel Gutes auch
| sonst das Heft birgt, hier muß ich Widerspruch anmel-
j den. Der Begriff Fremdreligionen zerfällt in die genau
I gleichen beiden Momente, die Frick auf der christlichen
Seite in Evangelium und Christentum scheidet. Die
I Fremdreligionen enthalten erstens entsprechend dem
| Evangelium eine Verkündigung eines Heils und sie
enthalten zweitens alles das, was Frick als Glauben und
Leben der Glaubenden, als Kirche, Lehre, Kultus auf
christlicher Seite als „das Christentum" bezeichnet. Also
stimmt der Vergleich mit dem Dreieck nicht. Es geht
daher bei der Auseinandersetzung doch darum, Verkündigung
mit Verkündigung und Praxis mit Praxis zu
konfrontieren. Für eine wissenschaftliche Arbeit muß
es also heißen: Das Evangelium und die Verkündigung
der Fremdreligionen. Ich würde freilich Brunners Ausdruck
„Christusbotschaft" vorziehen. Das Wort Evangelium
ist zu abgeblaßt und inhaltlich zu vieldeutig.
Noch ein Einwand: Die Behauptung (S. 40f.), die
Fremdreligionen seien Frage nach Christus, ihre Frage
und Not seien ein gebahnter Weg zu Christus, scheint
mir ein Widerspruch zu den Schriftworten, daß keiner
nach Gott frage, auch nicht einer, daß sie tot sind in
ihren Sünden. Das ist kein gebahnter Weg, sondern
schlechthin Irrweg.

Berlin. J.Witte.

Wendel, A.: Das israelitisch-jüdische Gelübde. Berlin: Philo-
Verlag 1931. (157 S.) gr. 8°. RM 3.50.

Der Verfasser gibt in der „allgemein-religionswissenschaftlichen
Einführung" den Ort an, an dem der Gegenstand
seiner Darstellung zu suchen ist, und damit verbunden
eine Begriffsbestimmung des Gelübdes. In einem
geschichtlichen Längsschnitt schildert er das Vorkommen
des Gelübdes im A. T. und in der jüdischen Tradition
bis zur Neuzeit. In einem Querschnitt versucht er eine
allseitige Schilderung des Gelübdebrauches zu geben.
Zu dieser Arbeit ist zu sagen, daß sie mit ungeheuer
großem Fleiß getan ist. Denn es will etwas besagen, in
dem umfangreichen Gebiet des Traditionsstoffes sich mit
sicherem Blick zurechtfinden zu können. Die Vorstudien
des Verfassers auf dem Gebiet der Mischna befähigen
ihn zu seiner Aufgabe in der vorliegenden Studie.
Es ist ihm daher gelungen, viel Wissenswertes aus
einem Gebiet zusammenzutragen, das noch nicht allgemein
zugänglich ist.

Diese Anerkennung der Gründlichkeit darf aber nicht
hindern, die Frage aufzuwerfen, welchem Zweck die
Veröffentlichung des Buches eigentlich dienen will. Der
Verfasser selbst möchte einen Beitrag zur Religionsgeschichte
und Soziologie liefern. Man könnte sich damit
an sich zufrieden geben und feststellen, daß der Verfasser
sein Ziel erreicht habe, wenn man nicht an einer
Stelle von einem Gefühl der Unsicherheit und Unklarheit
übermannt würde. Es ist das Auf und Ab in der
I Stellung zum Gelübde innerhalb der Tradition des Juden-
I tums. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht er-
I wehren, daß die historische Darstellung an einem Man-
j gel leidet, der das Bild verwirrt und zu einem uneinheitlichen
macht. Es soll damit nicht gesagt sein, daß die
Darstellung an sich falsch wäre. Es ist schon so, daß
die Einstellung zum Gelübde eine schwankende ist.
Aber es soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die
Substanz, der Gehalt des Gelübdes, nur immanent-historisch
, in seiner absoluten Relativität erfaßt wird, d. h. so,
daß jenes Schwanken keine Erklärung findet. Die souveräne
Geste des Historikers, der Stufen oder Typen
I des Gegenstandes seiner Darstellung setzt (S. 13 ff.),
scheint mir nicht geeignet, eine rechte Einstellung zur
geschichtlichen Entwicklung einer solchen Erscheinung
zu gewähren. Erst eine im theologischen Denken (ich
unterscheide dieses vom religionsgeschichtlichen) gegebene
Begriffsbestimmung hätte die Möglichkeit erschlos-
| sen, dem Gelübde so zu begegnen, daß es nicht eine uns