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Ausgabe: | 1933 Nr. 20 |
Spalte: | 363-364 |
Autor/Hrsg.: | Luther, Johannes |
Titel/Untertitel: | Vorbereitung und Verbreitung von Martin Luthers 95 Thesen 1933 |
Rezensent: | Wolf, Ernst |
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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 20.
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kein Ausstattungsmittel hatte, vielmehr es entlehnen mußte, nämlich vom
Schöpfergott. Adv. Prax. 14 (252,8 Kr.): et ipse quidem dominus si forte
coram ad faciem loquebatur (Moysi), non tarnen, ut est, Homo faciem eins videret,
nisi forte in speculo et in aenigmate. Hier ändert Kr. das ut est der
Hdschrr. unberechtigt in ut est, während Kellner übersetzt, wie wenn
zuerst ut erat und dann hinter faciem ein ut est stünde. Jedenfalls geht
aus der Stelle und ihrem Fortgang unzweideutig hervor, daß T. ein
Sehen des Angesichts Gottes durch Moses in Abrede stellt und daß nisi
einen Gegensatz zum Vorhergehenden einleitet: Moses sah das Angesicht
Gottes nicht wie es ist, sondern nur im Spiegel u. Rätsel. Ähnlich
verhält es sich mit den beliebten Wendungen satis non est oder
parum est etc, nisi oder si non etc T. schreibt spect. 15 (S. 27, 15 Reiff.):
nobis satis non est, si ipsi nihil tale facimus, nisi et talia factitantibas non con-
feramur. Mit Recht übersetzt das Kellner: Für uns reicht es nicht aus,
wenn wir nichts der Art tun; wir dürfen uns auch denen, welche
solches tun, nicht beigesellen", nur bleibt dabei das nisi unübersetzt.
Man kann es aber nur mit „sondern" wiedergeben. Sonst ergäbe sich
der Widersinn, daß das Selbstnichttun von Derartigem in dem Falle
„genüge" (nicht „zu wenig" sei), wenn man auch mit denen, die solches
tun, nicht verkehre! Es wundert mich, daß dies einem Sprachkenner
und Denker wie H. nicht einleuchtet. Ebenso beanstandet übrigens E.
Stein in der Byz.Ztschr. 1932, S. 115f. meine mit d'A 1 es. (La theologie
de St. Cyprien 1922, S. 380 ff.) und F. J. Dölger (Antike und Christentum
I. 1929. S. 79 f. u. 319) übereinstimmende Übersetzung des
bekannten nihil innovetur nisi quod traditum est etc im Briefe des Papstes
Stephan I. bei Cypr. ep. 74, 1 (Philol. 1930, S. 128 ff.), und er meint,
es sei zu übersetzen: „Es werde keine Änderung vorgenommen, die
nicht in der Überlieferung eine Stütze findet." Dies ist aber schon keine
Übersetzung mehr, sondern eine Deutung, und St. müßte eigentlich
übersetzen: „es werde nichts geändert, als was überliefert worden ist",
womit der Widersinn zu Tage tritt. In der Tat dürfte man das nisi nur
dann so verstehen, wenn man innovare in der Bedeutung von „erneuern",
also gleich renovare, nähme, was aber nicht angeht. Hebt doch Marius
Mercator in seinem Commonitorium (Schwartz, Concil. Eph. vol. V, 7,
37 ff.) den Unterschied ausdrücklich hervor. Zwar scheint die cyprianische
Umschreibung des c. 2 (800,4 Härtel) mit et praecepit nihil aliud inno-
vari nisi quod traditum est für die Auffassung Steins zu sprechen, aber
es ist doch nur Schein, und der Kenner Cyprians weiß, daß dem die
Fülle liebenden Schriftsteller hier die zwei Gedanken „es soll nichts
geneuert werden" und „es soll nichts anderes eingeführt werden"
zusammengeflossen sind (vgl. ep. 63,14, S. 713, 9 f. Härtel). Daß
Cyprian tatsächlich in dem Erlaß Stephans jede Neuerung schlechtweg
verboten findet, zeigt der Fortgang (S. 800,4 f.) quasi is innovet qui etc
aufs deutlichste. Ebenso bedeutet das innovare in ep. 70,2 (769,7)
und de hab. virg. 23 (204, 6) einen neuen Zustand herbeiführen. Für
die römische Kirche aber stehen Überlieferung und Neuerung in unversöhnlichem
Gegensatz, und das nisi Stephans hat erstmals diesen Gegensatz
zum Ausdruck gebracht, wie es auch sonst in der päpstlichen Gesetzessprache
gerne in diesem Sinne verwendet worden ist.
H. hat „vor langen Jahren" für das Wiener Corpus
die Herausgabe des Apologeticum übernommen, und
ihre Verzögerung liegt nicht an ihm, sondern an den
Verhältnissen (S. 5).
München. Hugo Koch.
Luther, Johannes: Vorbereitung und Verbreitung von Martin
Luthers 95 Thesen. Berlin: W. de Gruyter 1933. (41 S.) gr. 8°.
= Greifswalder Stud. z. Lutherforschg. u. neuzeitl. Geistesgesch. Hrsg.
v. d. Greifsw. Gelehrten Ges. 8. RM 2.80.
„Er schlug sie an - geschrieben, doch wohl nicht von seiner eigenen
Hand. Schon jetzt ließ er sie wohl auch im Druck vervielfältigen, behielt
sich indessen ihre Aussendung zunächst noch vor;" (Köstlin-Kawerau,
Martin Luther I, 1903, S. 155 ; ebenso Knaake in WA I 230). — „Dann
verfaßte er das Plakat und ließ es bei Johann Grünenberg drüben an
der Straße drucken. Keinem seiner Freunde und Kollegen sagte er etwas
von seinem Vorhaben. Keinem zeigte er auch vorher das Plakat mit den
95 Thesen über die Heilskraft der Ablässe. Niemand in Wittenberg ahnte
daher, was er im Schilde führte, als er am 31. Oktober 1517 Sonnabend
vor Allerheiligen, mittags kurz vor 12 Uhr nur von seinem Famulus
Johann Schneider gen. Agricola aus Eisleben begleitet, vom Schwarzen
Kloster nach der etwa eine Viertelstunde entfernten Schloßkirche ging
und dort an der nördlichen Eingangstür ... das Plakat mit den 95
Thesen anschlug" (H. Boehmer, Der junge Luther, 1925, S. 174).
Mit beidem ist an die Fragen herangestellt, die sich
der um die Lutherbibliographie und um die der Reformationszeit
hochverdiente Vf. vorlegt, nämlich: 1) ob einer
der beiden Plakatdrucke der Ablaßthesen (A und B,
vgl. WA I 230) „vor oder nach der auf den 1. Nov.
1517 von Luther festgesetzten öffentlichen Disputation
gedruckt ist"; 2) „ob Luther seine Thesen in handschriftlicher
oder gedruckter Form angeschlagen habe".
Das Hauptargument Knaakes für die Annahme einer
Anheftung in handschriftlicher Form, Scheurls Notiz:
„dann si bioslich geschriben waren" (Geschichtbuch
l der Christenheit von 1511 bis 1521, Art. 160), verbindet
Vf. mit der voraufgehenden Angabe, „das di Theologi
nach der der Ordnung all Freitag ertlich Schlußreden, vn-
i geuerlich der Zeit gemes oder sunst irs gefallens, einan-
j der Zuschickten vnd disputirten", und daß Luther „als die
| Ordnung des freiteglichen presidirens an in khomen ist,
95. Satzung vom ablas gesteh vnd den andern Doctorn
Zugeschickt" habe, ferner mit Luthers Brief an Scheurl
vom 5. März 1518: „non fuit consilium neque votum eas
(sc. propositiones) evulgari, sed cum paucis apud et cir-
cum nos habitantibus primum super ipsis oonferri, ut
sie multorum iudicio vel damnatae abolerentur vel pro-
batae ederentur", und schließlich mit dem auffälligen
Plural Resolutiones disputationum (also mehrfache
Disputation!) zu dem Schluß: Auf einer jener von
öffentlichen Disputationen zu unterscheidenden „Freitagsbesprechungen
im internen Kreise der Theologen"
habe Luther die auf vier Blätter oder Seiten in der inhaltlich
nicht begründbaren Einteilung von dreimal 25 und
einmal 20 Sätzen geschriebenen Thesen erstmals vorgelegt
; hernach habe er sie heimlich in Leipzig bei Melchior
Lotther drucken lassen (dem Vf. schon 1894 das Plakat
A zuwies, eine Annahme, die er nun erneut gegen die ältere
Vermutung sichert, die im Nürnberger H. Höltzel
den Drucker der Thesen sah; den unordentlichen Plakatdruck
B weist Vf. mit O. Günther dem Jakob Thanner
in Leipzig zu; einen Wittenberger Urdruck hält er für
unwahrscheinlich) und ein Stück dieses Plakats — A —
angeschlagen.
3) Die rasche Verbreitung der Thesen, nach deren
Grund Vf. zuletzt fragt, ist aus der Veröffentlichung des
Sermon von dem Ablaß und Gnade „sicherlich noch vor
dem 13. Dez. 1517" zu erklären, der „die Grundgej-
danken der 95 lateinischen Thesen in 20 ausführlichen
deutschen Sätzen in Thesenform enthält", zahlreich erhalten
und in mehr als 20 versch. Drucken bekannt ist,
während von den nur drei Drucken der Thesen die beiden
Plakatdrucke in zwei (A) bzw. drei (B) Exemplaren
erhalten sind, der Baseler Quartdruck (C) etwas häufiger
.
Man wird m. E. die Beweisführung für die Beantwortung
der dritten Frage anerkennen müssen; man wird
auch mit dem Vf. wohl auf den Wittenberger „Urdruck"
verzichten und wirklich Lotther als den Drucker der
Thesen ansehen können; dagegen habe ich doch Bedenken
gegenüber der überraschenden Auswertung der
Scheurlschen Notizen, die doch wohl eine regelrechte
Zirkulardisputation meinen. Luthers Angaben im Brief
an Scheurl nötigen ebensowenig zu jener Vermutung interner
Freitagsbesprechungen wie der Plural Res. disputationum
, zumal ja die öffentliche und zweite Disputation
nicht zustande kam. Hier hat das gelehrte, umsichtige
und aufschlußreiche Vorgehen des Vf. sich doch
etwas weit in Kombinationen hineingewagt, denen dann
nur das Verdienst interessanter und lehrreicher Anregung
bleibt. Die ganze Schrift hat darüber hinaus allerdings
noch mehr zu sagen; sie stellt einen wertvollen und
dankenswerten Beitrag dar zu den noch immer nicht
völlig geklärten Fragen der Vorgeschichte des Thesenanschlags
.
Bonn. E. Wolf.
Bosse rt, Gustav: Bossert Bibliographie. Verzeichnis der Schriften
von D. Dr. Gustav Bossert t- Horb.: Selbstverlag d. Verf. 1932.
(45 S.) RM 1.10.
Am 29. November 1925 ist D. Dr. Gustav Bossert
im 85. Lebensjahre nach unermüdlichem und überaus
fruchtbarem Schaffen heimgegangen. Als schlichter Dorfpfarrer
in Nabern, Oberamts Kirchheim und noch mehr
in seinem achtzehnjährigen Ruhestand, den er im biblio-
thek- und archivreichen Stuttgart zubrachte, hat er sich
vor allem mit historischen und kirchengeschichtlichen