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Ausgabe:

1933 Nr. 19

Spalte:

349-351

Autor/Hrsg.:

Just, Leo

Titel/Untertitel:

Das Erzbistum Trier und die Luxemburger Kirchenpolitik von Philipp II. bis Joseph II 1933

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 19.

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das gute Kapitel über die französische Kirche unter dem
Ancien Regime. Jedoch hat sich Pastor die aufschlußreichen
Ergebnisse Groethuysens entgehen lassen. Auch
mit der weiteren Darstellung des Verhältnisses Roms
zur französischen Revolution kann man sich vielfach
einverstanden erklären. Für die längst widerlegte schiefe
Beurteilung, die Max Lenz in der Kosmopolis 1896
S. 561 ff. der Zivilkonstitution des Klerus hat angedeihen
lassen, wird man sich gewiß nicht einsetzen. Aber aus
dieser Beurteilung spricht doch noch nicht „die völlige
Unkenntnis des Wesens und der Verfassung der katholischen
Kirche". Dankenswert ist es dagegen, daß Pastor
an dem in Deutschland vielfach überschätzten Revolutionshistoriker
Mathiez begründete Kritik übt. Freilich
hätte er dann sein Hauptwerk über die französische
Revolution nicht beiseite lassen dürfen. Von den geistlichen
Eidverweigerungen ist viel die Rede. Aber von
den Eidbrüchen Ludwigs XVI. erfährt man nichts. Daher
ist auch keine Gelegenheit geboten, zu der Frage
Stellung zu nehmen, inwiefern hier die katholisch-kuriale
Eidmoral beteiligt ist. Die archivalischen Mitteilungen
sind besonders der politischen Geschichte des Kirchenstaates
zugute gekommen. Das Kirchliche im engeren
Sinne tritt vielleicht auch in diesem Bande zu sehr zurück
. Nicht einmal vom Papste selbst wird eine plastische
Charakteristik geboten. Der musivische Stil des
ganzen macht schriftstellerische Eigenart unmöglich.

Es ist hier nicht der Ort, ein Schlußwort über diese
Geschichte der Päpste zu sprechen. Die wissenschaftliche
Kritik hat gegenüber Pastors 22 Bänden noch
Pflichten zu erfüllen.
Hamburg. J. Hashagen.

Just, Leo: Das Erzbistum Trier und die Luxemburger
Kirchenpolitik von Philipp 11. bis Joseph 11. Dargest. u. durch
Aktenstücke erläutert. Leipzig: Karl W. Hiersemann 1931. (XXVIII,
454 S.) Lex. 8°. = Die Reichskirche v. Trienter Konzil bis z. Auflösung
d. Reiches. Darstellgn. u. Quellen z. ihrer inneren Geschichte.
Hrsg. v. M. Spahn unt. Mitwirkg. v. A. Brackmann u. G. Schreiber.
Bd. 1. RM 48—.

Die Reichskirche ist gewiß ein Schlagwort, das zwar
zugkräftig ist, das man aber nicht ohne Gefahr benützen
kann. Wenn schon dieser Name für die vereinigte deutsche
evangelische Kirche auf dem Gebiete des deutschen
Reiches bisher — gewiß nicht aus kirchlichem Parti-
Jcularismus heraus — vermieden worden ist, so dürfte
das beachtenswert sein. Noch viel weniger aber als auf
evangelisch-kirchlichem Gebiete ist das verwirklicht, was
in diesem anspruchsvollen Namen liegt, wenn man die
römisch-katholische Kirche auf deutschem Boden betrachtet
. Für die universale römisch-katholische Kirche
war die Existenz des Reiches und seine Abgegrenztheit
nur insofern von Bedeutung, als die Bischöfe in ihrer
kirchlichen Funktion vielfach in Konflikte kommen mußten
mit ihrer Pflicht und ihren Ansprüchen als weltliche
Landesherrschaft. Die römisch-katholische Kirche dokumentierte
sich im Reiche durch Reichsfürsten, die in ihrer
Person und in ihrer Regierungsführung einen Ausgleich
der Gewaltsphären von Staat und Kirche darstellen mußten
, dies oft aber nur unter schwerer Benachteiligung des
einen oder des anderen Charakters tun konnten. Der
Sinn der mit dem vorliegenden Buche Justs beginnenden
Reihe ist also: nachdem man in einer Fülle verschiedenartiger
Einzelarbeiten das Verhältnis von Bürgertum und
Kirche (Geistlichkeit) in vielen großen und kleinen deutschen
Gemeinwesen des Mittelalters untersucht hat, geht
man daran, gründlich das Verhältnis von Staat und
Kirche im Rahmen des Reichs, besonders in seinen geistlichen
Fürstentümern als den eigentlichen Provinzen der
„Reichskirche" darzustellen. Der anspruchsvolle Name
der Reihe erhält aber seine Berechtigung erst durch die
Qualität der in ihr veröffentlichten einzelnen Arbeiten.
Das ganze Gebiet der römisch-katholischen Kirche auf
dem Boden des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, wie sie in dem Wiener Konkordat zwischen Kaiser
Friedrich III. und Papst Nikolaus V. 1448 stationär
j geworden ist, wird in unserer Reihe unter Ausschaltung
> einer im Voraus festgelegten Ordnung Berücksichtigung

finden. —

Die Darbietung dieses ersten Bandes Trier ist dem
Verfasser erwachsen aus der Beschäftigung mit einer
Biographie des Trierer Weihbischofes Johann Nikolaus
von Hontheim (Justinus Febronius, 1701—1790); eine

i eigentliche Biographie Hontheims aber bietet Just nun
nicht; es erwachsen ihm aus diesem Anlaß im Wesentlichen
nur die Abschnitte 111,8 (Weihbischof Hontheims
Kirchenpolitik in Luxemburg 1749—1760) und Schluß
(Hontheim-Febronius und der Josephinismus in Luxemburg
) seines Buches. Dagegen schildert J. eingehend
die Gegebenheiten, die Hontheim zu seiner staatskirchlichen
und nationalkirchlichen Lehre geführt haben: die

| geschichtliche Entwicklung und die tatsächlichen politischen
und sozialen Verhältnisse in einem kulturell hochstehenden
politischen Schüttergebiet, das in besonderem
Maße bei der Schwäche des Reichs den Gefahren einer
Verkrampfung in nationalen Bindungen und Widerständen
ausgesetzt war. Aus der Erkenntnis heraus, daß
der Bischof als Herr gerade eines solchen Landes mit
den eigentlichen politischen wie kirchlichen Bedürfnissen
seiner Untertanen viel enger vertraut und viel stärker
verwachsen sein mußte, als der ferne, international eingestellte
Papst, ergab sich für Hontheim ohne Weiteres
Hinneigung zum Gallikanismus, Bevorzugung des Episkopalsystems
und Ablehnung der auch kirchlich weithin
nicht mehr unangreifbaren, z. T. auf verfälschte Urkunden
gestützten Machtansprüche des Papstes in den Gebieten
der Reichskirche. Schließlich arbeitet J. die inneren
Zusammenhänge zwischen Febronianismus — d. h.
der Staatskirchenlehre des Traktats De statu ecclesiae et
legitima potestate Romani Pontificis (1763) — und Josephinismus
heraus. Die josephinische Lehre von der
national geschlossenen Einheits-Staatskirche war zu sehr
aus liberalistischen Theorien erwachsen, als daß sie ohne
Weiteres sich auf ein Durcheinander von verschiedenen
Völkern, Stämmen, Sprachen, Herrschaftsrechten, Verwaltungsgebieten
, Regierungsformen usw., wie es beispielsweise
das Gebiet des Metropolitansprengeis Trier
war, hätten anwenden lassen. So förderte auch hier die
josephinische Idee im Wesentlichen eine stark dem Säkularismus
zuneigende Staatskirche.

Das vorliegende Buch besteht aus einer verhältnismäßig
kurzen geschichtlichen Darstellung, die in die
politischen und kirchenpolitischen Verhältnisse der Trierer
Kirchenprovinz in ihren Beziehungen zu Luxemburg
unter spanisch-habsburgischer Vorherrschaft einführt und
aus einem größeren Teile, der 185 Aktendokumente aus
den Jahren 1358 bis 1793 bietet. Der Abdruck dieser
Dokumente in ihren verschiedenen Sprachen — darunter
besonders deutsch, lateinisch, französisch und spanisch
mit ihren mannigfachen mundartlichen und zeitlichen
Wandelungen —, über dessen Grundsätze J. sich S. X.
auslaßt, macht einen sehr sauberen Eindruck. Bedauerlich
ist, daß ein Abdruck des Wiener Konkordats von
1448, auf dessen Inhalt mit Recht entscheidender Wert
gelegt worden ist, ganz fehlt. Gewiß gehört das Kon-

I kordat nur grundsätzlich, nicht aber lokalgeschichtlich

j oder gar quellenmäßig hierher; wir brauchen aber seinen
Text immer wieder. Im Übrigen ist gerade die Quellendarbietung
aus dem 15. Jahrhundert recht dürftig. Ebenso
bedauern wir, daß die S. 95 genannte Denkschrift
vom 23. Oktober 1701, deren Wichtigkeit außer jedem
Zweifel steht, nicht im Wortlaut gebracht ist, daß sie
vielmehr in der Dokumentensammlung völlig fehlt. Im
Übrigen geht aber gerade aus dem reichen mit der Dokumentensammlung
dargebotenem Material hervor, wie
spät, wie langsam und unter Überwindung welcher Wi-

! derstände sich der juristisch durchgebildete, fundierte
und formulierte Widerstand gegen das kirchliche Über-

| gewicht durchsetzte. —

Dem Buche ist ein ausführliches Personen- und