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Ausgabe:

1933 Nr. 19

Spalte:

347-348

Autor/Hrsg.:

Brandt, Otto H. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Thomas Müntzer. Sein Leben und seine Schriften 1933

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 19.

348

2. April 1123 für St. Arnulf bei Metz. Im ganzen ist
das gebotene reiche Material in diplomatischer Hinsicht
wenig ergiebig. Größer ist der Wert der dargebotenen
Urkunden für die Geschichte päpstlicher Verwaltung
und für die lokale Kirchengeschichte.
Berlin. Otto Lerche.

Historischer Atlas der Provinz Brandenburg. Hrsg. v. d. Hist.
Kommission f. d. Prov. Brandenburg u. d. Reichshauptstadt Berlin.
Reihe 1. Kirchenkarten, Nr. 2, Blatt 3: Der geistliche Grundbesitz
i. d. Mark Brandenburg u. angrenz. Gebieten i. Bereich d. Diözesen
Halberstadt, Verden u. Magdeburg um d. Jahr 1535 v. Gottfried Wentz.
Maßstab: 1:350000. Berlin: D. Reimer in Komm. 1933. RM 3.50.

Die vorliegende Karte bringt den geistlichen Besitz
vornehmlich in der heutigen Altmark und in den Gebie-
ten des ehemaligen Erzstifts Magdeburg zur Darstellung
; sie enthält die Gebiete der ehemaligen Diözesen
Verden, Halberstadt und Magdeburg. Auf einer Nebenkarte
wird als Ergänzung zu Blatt 2 noch der geistliche
Grundbesitz im Kreise Schivelbein im Bereich der Diözese
Kammin vorgeführt. Die kartographische Wiedergabe
des geistlichen Grundbesitzes in der Mark Brandenburg
ist somit abgeschlossen. Ein außerordentlich wertvolles
Werk ist damit vollendet, und die vorliegende letzte
Karte ist den früheren gleichwertig in der klaren Übersichtlichkeit
und ihrer Brauchbarkeit für jeden Forscher.
Auch diese Karte gibt uns eine gute Anschauung von
den ausgedehnten Besitzungen der mittelalterlichen Kirchen
und Stifter. Denn außer den Besitzungen der Bistümer
sind wieder die von Kirchen und Klöstern verzeichnet
. Ich nenne z. B. die Stifter Arneburg, Havelberg,
Stendal und Walbeck, die Augustinerklöster Diesdorf,
Marienborn und St. Spiritus vor Salzwedel, die Prämon-
stratenserstifter Jerichow, Leitzkau und St. Marien in
Magdeburg, die Benediktinerklöster Arendsee, Berge und
andere, die Zisterzienserklöster Althaidensleben, Heiligengrabe
und verschiedene andere. Auch der Besitz
kleinerer Kirchen ist verzeichnet, so der des Pfarrers
an St. Nikolai zu Osterburg. Gering sind die Ritterorden
vertreten, die Johanniterkomturei Werben und die
Deutschordenskomturei Bergen weisen nur geringen Besitz
auf. Wie die übrigen Karten ist auch diese nicht nur
ein unentbehrliches Hilfsmittel für die lokale Geschichtsforschung
, sie kann darüber hinaus für die allgemeine
Geschichte von größtem Wert sein, und besonders die
Kirchengeschichte und die Wirtschaftsgeschichte werden
sie ausgiebig verwerten können.

Bernburg. H. Peper.

[Müntzer, Thomas:] Sein Leben u. seine Schriften. Hrsg. von Otto
H.Brandt. Jena: E. Diederichs 1933. (IV, 263 S. m. 2 Bildn.)
8°. RM 10— ; geb. 12.50.

Thomas Müntzer ist anläßlich der 400. Wiederkehr
seines Todestages vielfach Gegenstand geschichtlicher
Forschung und Darstellung, auch romantischer Apotheose
gewesen. Darüber hinaus aber haben Gelehrte
von Ruf und Rang wie Heinrich Böhmer und Karl Holl
viel dazu beigetragen, das Bild des eigentümlichen Mannes
aus dem Streite der Parteien herauszuheben und in
das rechte Licht der geschichtlichen Wirklichkeit zu
setzen. Man darf als Resultat dieser Forschungen wohl
mit dem Herausgeber des vorliegenden Bandes sagen;
„die allgemeine geschichtliche Bedeutung Müntzers liegt
nicht im Bauernkrieg, sondern er bleibt der Urheber der
großen Taufbewegung und damit zugleich jener my-
stisch-spiritualistischen Bewegung, die neben der Reformation
seit 1525 einherläuft" (S. 36). Freilich ist nicht
daran zu zweifeln, daß es Müntzer nicht sowohl um eine
religiöse als vielmehr um eine soziale Erneuerung aus
dem Evangelium heraus ging: in beiden Richtungen ging
ihm Luther nicht weit genug und es mußte da früher
oder später zu scharfen Auseinandersetzungen kommen.
Die Tatsachen im Einzelnen, wie sie hier kurz zusammengefaßt
werden, sind bekannt. Wesentlich in der
Darstellung, wie sie Brandt gibt, ist der Ernst Bloch

(Thomas Müntzer als Theologe der Revolution, 1922)
gegenüber mit aller Vorsicht aber doch mit eindeutiger
Klarheit geführte Beweis, daß M. nicht im eigentlichen
j Sinne kommunistischer Revolutionär gewesen ist, daß
I ihn aber zeitlebens die politisch-sozialen Probleme stark
J ergriffen hatten, so in Zwickau wie in Allstedt und in
' Mühlhausen.

In der Darbietung der Müntzerschen Schriften kommt
es dem Herausgeber darauf an, den Gegensatz zu Luther
herauszuarbeiten und die Betonung da des Schriftprinzips
gegenüber dem Offenbarungsglauben dort aufzuzeigen
. An Luther ist M. schließlich zerbrochen; wenn
Luther sich ständig mehr und mehr auf die Schrift versteifte
, so ist M. mit daran schuld (S. 34). „Nicht in
der Tiefe noch im Umfange der Gedanken lag Müntzers
Eigenart, sondern in der bildhaften Ausdrucksweise, in
der ausführlichen, in zahlreichen Wiederholungen sich
ergebenden Darstellung einiger weniger Gedanken, die
auf das Verständnis des kleinen Mannes zugeschnitten
waren... Besitzen wir auch keine authentische Schilderung
seiner Redeweise, so drängt sich aus der Predigt
und den Flugschriften der Eindruck einer gewaltigen,
pathetischen, weithinschallenden Stimme von ganz anderer
Art auf als der Luthers, der nur ein schwaches
Organ hatte (S. 307). — Die Darbietung der Texte erfolgt
in fünf Abschnitten. Der „Historie Thomä Müntzers
" nach Walch in Luthers Schriften (Bd. 16. 1745)
werden Dokumente seines Lebens und Denkens, insbesondre
Briefe, angereiht. Sodann gelangt eine Darstellung
der Mühlhäuser Wirren im engen Anschluß an das
von Jordan (1900) dargebotene Chronicon Mulhusinum
antiquissimum zum Abdruck. In einem vierten Abschnitte
sind um die einzige erhaltene Predigt, die Fürstenpredigt
, und die hochverursachte Schutzrede Lieder
und kleine Schriften Müntzers vereinigt. Ein letzter Abschnitt
bringt Dokumente zu dem wichtigen Thema
Müntzer und Luther.

Bei der Wiedergabe der Quellen ist Brandt um eine
einheitliche, dem heutigen — auch dem nicht wissenschaftlich
vorgebildeten Leser verständliche Orthographie
bemüht. Ebenso macht er im Satzbau und durch gelegentliche
Kürzungen hier und da einige Konzessionen
an die leichtere Verständlichkeit. Der Sprachrhythmus
ist aber im ganzen in seiner originalen Kraft geblieben. —
Der Abdruck ist durchweg sauber und zuverlässig,
wie wir das bei dem vielfach bewährten Herausgeber
gewohnt sind. Reichhaltige Anmerkungen und Nachweisungen
, sowie ein Wörterverzeichnis beschließen den
inhaltreichen Band, der gerade in der politisch wie kirchenpolitisch
bewegten Gegenwart mancherlei lebendige
Anregungen zu vermitteln geeignet sein dürfte.
Berlin. Otto Lerche.

Pastor, Ludwig Frhr. von: Geschichte der Päpste seit dem
Ausgang des Mittelalters. Mit Benutzung d. Päpstl. Geheim-
Archives u. vieler anderer Archive bearb. 16. Bd.: Geschichte der
Päpste i. Zeitalter d. fürstl. Absolutismus v. d. Wahl Benedikts XIV. bis
z. Tode Pius VI. (1740 — 1799). 3. Abt.: Pius VI. (1775 1799. 1.—7.
Aufl. Freiburg: Herder & Co. 1933. (XXXIX, 678 S.) 8°.

RM 15—; Lwd. 18.60; Hldr. 21.40.

Wie seine Vorgänger so ist auch der letzte Band von
Pastors Geschichte der Päpste durch Stoffreichtum ausgezeichnet
. Jedoch ist der Rahmen für den langen Ponti-
fikat Pius VI. (1775—1799) im Unterschiede von früheren
Bänden knapper bemessen. Infolgedessen tritt der
Hang zu klerikaler Einseitigkeit sowie zur Veräußer-
lichung wieder deutlicher hervor, zumal da der Verfasser
auch hier wieder das ihm wissenschaftlich nie
ganz vertraute Gebiet der schönen Künste betritt (S. 69

i über Goethe). Die deutschen Kapitel über den Josefinismus
, den Widerruf Hontheims, den Nuntiaturstreit
und die Emser Punktation bringen wenig neues und
bleiben an der Oberfläche. Endres' ausgezeichnetes Werk
wird zwar ausgeschrieben, aber nicht wirklich ausge-

I schöpft. Er ist eben ein Protestant. Beachtung verdient