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Ausgabe:

1933 Nr. 19

Spalte:

343-344

Autor/Hrsg.:

Burkitt, F. C.

Titel/Untertitel:

Church and Gnosis. A study of Christian thought and speculation in the Second Century 1933

Rezensent:

Bauer, Walter

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343

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 19.

344

Manah dem Zarathustra auf seiner Wanderung in der Fremde fördernd
erscheint, und andererseits an das Doppelauftreten von Jesus und Geist
in der Pistis Sophia 61, von Mani und dem Parakleten Schmidt-Polotsky
S. 53 (vgl. Paargenosse des Apostels neben dem Apostel des Lichts S.
64). Aber das sind freilich Analogien, die unsicher bleiben. Dasselbe
gilt von den Zwillingsjungen der Taube (übrigens ein Naturvorgang)
S. 96 ff.; will man sie überhaupt ausdeuten, so möchte ich eher an
Christus und den Nus als Abkömmlinge der Barbelo Iren. I. 29 denken;
sofern ein Ausleger dabei Thomas und Christus im Auge gehabt hat,
wird dies Doppelverhältnis, das in den Akten durchweg begegnet, allerdings
nur versteckt gemeint sein ; vielleicht schwebte dem Verfasser der
Akten zugleich das Himmelsbild der Dioskuren-Zwillinge als Lichtdämonen
vor. Unerklärt bleiben immer noch „Die vier stehenden Brüder 32 S.
26f., während die „Mutter der 7 Häuser" im Verhältnis zum achten 27
tatsächlich auf dem Hintergrund der Achämenidenordnung S. 88 A. 2
geprägt sein könnte. Der manichäische „Dritte Gesandte" in der folgenden
Zeile der Epiklese ist mir nicht sicher (es muß hinter dem
jtQEößÜTEQoe, im ursprünglichen Syrischen noch etwas Anderes stecken).
Wirkliche Doppelsinnigkeit im straffen Sinne des Wortes liefert die
zweite Praxis, wenn es auch nicht an zahlreichen Umdeutungen im
einzelnen fehlt. Ein hübsches Seitenstück zum Adlertraum wird aus
dem Bereich indischer Erzählungen S. 60ff. geboten, mit Beiträgen
aus dem Vorkommen des Adlers in der Archäologie. Auf das indisch-
parthische Grenzgebiet weist ja auch, wie längst nachgewiesen ist, der
Name des Königs Gundaphor, wie andere Eigennamen auf das Persische.

Man ersieht aus alledem, daß bei ferneren Erklärungsversuchen
an den Thomasakten die Untersuchung
G. Bornkamms nicht umgangen werden kann.
Betheln (Hann). E. Hennecke.

Burkitt, F. C., D. D.: Church and Gnosis. A study of Christian
thought and speculation in the Second Century. The Morse Lectures
for 1931. London: Cambridge University Press 1932. (XII, 154 S.)
kl. 8°. 6 sh.

Das Buch gibt in fünf Kapiteln, denen noch ein
Index folgt, die Morse-Vorlesungen wieder, die der
Verfasser im Oktober 1931 am Union Theological Semi-
nary in New York gehalten hat. Die Wahl des Gegenstandes
war durch den Wunsch mit bestimmt worden,
etwas über das heute so viel, fast zu reichlich behandelte
Thema zu hören: das Johannesevangelium und
die Mandäische Religion. Der Redner ist, sehr mit
Recht, vor dieser Enge der Aufgabe zurückgeschaudert
und hat die Beantwortung der aufgeworfenen Frage
innerhalb des weiteren Rahmens versucht, den die Überschrift
angibt.

Dabei ist der Untertitel nicht unwichtig. Die Darlegungen
sollen sich — von der Einleitung abgesehen,
die auf den primitiven Christenglauben und Paulus zurückgreift
— im zweiten Jahrhundert bewegen. Die Voraussetzung
dafür ist die Überzeugung, daß es keine vorchristliche
Gnosis gibt, daß wir es bei der Gnosis vielmehr
mit einer neuen Art zu tun haben, das Christentum
zu begreifen, die von einigen Christen des zweiten Jahrhunderts
hervorgebracht worden ist (S. 57). Immer wieder
wird mit Nachdruck betont: Gnostiker sind Christen
, häretische Christen gewiß, nicht Heiden mit einigen
christlichen Zügen (VIII. 7. 9. 87 f.). Dieses verkehrte
Christentum wird uns in seinen Hauptzügen
(Astrologie S. 30—33. Unsterblichkeit der Seele, die
unbiblisch ist S. 33—35. Magie 35—40 und magische
Namen, von denen drei Klassen unterschieden und dieser
und jener erklärt werden) und nach einigen besonders
wichtiger^ Typen (Valentin, Barbelo-Gnostiker, Pistis
Sophia und die Bücher Jeu, Basilides) geschildert. Die
Quellen und die neuzeitliche Literatur werden dabei, sehr
verständiger Weise, nur in eng gesiebter Auswahl ausdrücklich
berücksichtigt.

Als Hauptunterschied zwischen Kirchenlehre und
Gnosis erscheint weniger die beiderseitige Behandlung
des A. T.s als die Ablehnung der christlichen Eschato-
logie durch die Gnostiker (57 f.). Hier hätte man doch
gewünscht, daß „Kirchenlehre" etwas deutlicher bestimmt
worden wäre. Sie ersteht im wesentlichen aus
dem Gegensatz zur Gnosis, die es nach B. im ersten
Jahrhundert noch nicht gibt. Und so genügt es ihm, an
der Schwelle des zweiten Säkulums die Kirchenlehre

durch das vierte Evangelium vertreten zu finden (3. u.
ö.), freilich mit dem Bemerken, man dürfe diese Lehre
nicht mit der ausgewachsenen Orthodoxie gleichsetzen,
müsse sie vielmehr als Adoptianismus verstehen. Am
Jordan wäre das Schöpferwort Gottes auf Jesus herabgestiegen
(98). Das ist eine Deutung, die mir nach wie
vor unmöglich vorkommt. Und auch dagegen, das 4.
Evangelium schon bei seiner Entstehung als einen Repräsentanten
der Rechtgläubigkeit, wenn auch gedämpfter
Art, anzusehen, habe ich meine Bedenken angesichts
des Umstandes, daß seine ersten zweifellosen
und ganz ausgesprochenen Verehrer Gnostiker (Hera-
kleon, Ptolemaeus) und Montanisten gewesen sind, während
sich der rechtgläubige Justin lieber an die Synoptiker
hält.

Bestimmt man Gnosis, so wie es B. tut, von den
ausgeprägten Formen des 2. Jahrhunderts her, dann
kann man bestreiten, daß es vorchristliche Gnosis gegeben
habe. Fühlt man sich dagegen schon dort „gno-
stisch" berührt, wo z. B. die Gestalt des himmlischen Erlösers
auftritt, den B. zwar vom Johannesevangelium
fernhält, der aber aus der paulinischen Verkündigung
doch nicht gut weggedeutet werden kann, dann ergibt
sich die Pflicht, für eine Erklärung dieser religionsgeschichtlichen
Erscheinung in sehr viel frühere Zeit zurückzugehen
und auch erheblich weiter zu greifen. Wir
können uns unmöglich von dem Urteil der Kirchenväter
abhängig machen, die in Valentin und Basilides die Anfänger
ihrer Systeme erblicken (S. 5), sodaß auch für
uns in diesen Persönlichkeiten der Ursprung der Gnosis
gegeben wäre. Für ein Urteil, das nur eine Quelle
christlicher Erkenntnis gestattet, nämlich die auf Jesus
selbst zurückgehende Kirchenlehre, ist jede Abweichung
Abfall, die mit dem Betreffenden anhebt und zu deren
Erklärung der Teufel vollauf genügt, der es nun einmal
nicht lassen kann, seinen Unkrautsamen auf dem göttlicher
: Weizenfeld auszustreuen. Die Geschichtswissenschaft
kann so primitiv nicht sein. Sie wird sich vielmehr
daran erinnern, daß Kirchenväter doch auch in
Simon Magus die Urquelle aller Häresie verabscheuen
und deren Beginn damit nicht nur in viel frühere Zeit
zurück verfolgen, sondern auch außerhalb des Christentums
hinaus verlegen. Damit tun sich dann Fragestellung
gen auf, die für B. nicht bestehen, für andere jedoch
sehr dringend sind.

Ich meine also, daß B. bei seiner Begriffsbestimmung
von Gnosis wohl Recht hat, daß es sich aber fragt, ob
sie zutreffend genug ist, um den Ausgangspunkt zu bilden
für die Beantwortung der überaus wichtigen Frage
nach dem Verhältnis von Kirche und Gnosis. Mir scheint
das zweifelhaft. Muß doch B. bei seiner Auffassung
aller Gnosis als einer Spielart des Christentums auch
die Mandäer mit ihrem erbitterten Christen haß ebenso
begreifen. Er tut es mittels der Erklärung, daß sich
die Abneigung der Mandäer und ihre Schmähungen gegen
Christus nicht eigentlich gegen dessen Religion,
sondern gegen die voll entwickelte nachnieänische Kirche
gerichtet hätte (107 f.). B. möge mir auch an diesem
Punkt meinen Zweifel verzeihen. Die nachnieänische

I Kirche hat manchen christlichen Feind besessen. Keinen,
der zu dem Kampfmittel der Lästerung des Christus gegriffen
hätte. Ehe ich eine solche Unwahrscheinlichkeit
als wirklich in Rechnung stelle, verharre ich lieber bei
der Meinung, daß der Strom der mandäischen Religion
aus nichtchristlicher Quelle stammt. Daß er mancherlei
Wasser auch aus Nebenflüssen christlichen Ursprungs im
Laufe der Jahrhunderte in sich aufgenommen hat, stört
mich dabei gar nicht. Im Übrigen bewegt sich B. bei
seiner Beurteilung der Mandäer auf der Linie seiner bis-

I herigen Arbeit über diesen Gegenstand. Darauf einzu-

j gehen erübrigt sich. Das Für und Wider ist nun oft
genug zu Wort gekommen.

; Güttingen. W. Bauer.