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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Gruss, J.

Titel/Untertitel:

Die Heiligen des Elsasses 1933

Rezensent:

Adam, Joh.

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 1.

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sichtbar die äußere Machtstellung des Papsttums uns
vor Augen führt, wie diese Rechnungsbücher der päpstlichen
Kammer. Nicht nur die Vertreter der mittelalterlichen
Wirtschaftsgeschichte, auch die der politischen
und Kirchengeschichte werden aus den neu zugänglich
gemachten Quellen die wichtigsten Aufschlüsse sich holen
können. Die Edition vorliegenden Bandes, der den
Pontifikat Klemens VI. (1342—1353) umfaßt, besorgte
diesmal L. Wöhler Münster nach dem bewährten Muster
der vorhergehenden Bände. Ein ausführliches Namensund
Ortsregister, das bequemste Benützung des ungeheuren
Materials gestattet, ist auch diesmal beigegeben.
Man kann nur wünschen, daß das bedeutende Editionsunternehmen
, dessen Fortführung bis zum Beginn des
großen Schismas 1378 geplant ist, der Forschung in
nicht zu ferner Zeit auch die noch fehlenden Bände bescheren
möge.

Oöttingen._ Alfred Schüz.

G i 1 s o n , Stefan: Der heilige Bonaventura. Hellerau: Hegner
[1920]. (958 S.) 8°. RVt 21—.

Der durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte
der mittelalterlichen, besonders der franziskanischen
Philosophie bekannte Forscher legt uns hier
eine umfassende Monographie über den bedeutendsten
Vertreter der älteren Franziskanerschule vor. Er schildert
seinen Lebensgang und zeichnet sein System, er
stellt das Besondere an Bonaventura heraus und stellt
ihn doch wieder hinein in die Bewegung des Augustinismus
. Er zeichnet ihn als den Franziskaner, der das,
was Franziskus gefühlt und gelebt hatte, gedacht hat,
der in der Zeit innerer Kämpfe um die Fragen der Armut
, des Bettels und des Studiums als General den
Orden leitete, der die Grundgedanken des Augustinismus
hochhielt gegenüber dem christlichen und dem averroisti-
schen Aristotelismus und deshalb in offenkundigen Gegensatz
zum Aquinaten trat. G. schreibt über das gegenseitige
Verhältnis der beiden: „Sie mochten wohl gegenseitig
ihre Person hochschätzen, diese Wertschätzung
bezog sich aber nicht auf ihre Ideen" (47). Den Hauptfehler
des Aristotelismus erblickt B. in der Trennung der
Philosophie von der Theologie. Während das Denken
des Aristoteles fälschlicherweise in den Dingen selbst
den Grund derselben erblickte und die Natur von Gott
löste, besteht die Bedeutung Piatos darin, daß er die
Seinsgründe der Dinge in der Überwelt der Ideen suchte.
Während Aristoteles infolge dieser verkehrten Grundeinstellung
zu einer Reihe von Irrtümern gelangte, gehörten
die Vertreter des Exemplarismus zu den Erleuchteten
. Freilich konnten sie ohne den Glauben nur
zu einer entstellten Wahrheit kommen. Ohne die Hilfe
der Gnade erreicht die Philosophie so wenig als die
Theologie ihre Vollendung. Nur dann, wenn die Philosophie
sich vom Licht der Offenbarung erleuchten läßt,
erreicht sie ihr Ziel. — Gott als das vollkommenste
Sein muß sich im höchsten Maße mitteilen. So folgt
aus der göttlichen Vollkommenheit die Schöpfung aus
dem Nichts. Ihr Zweck ist die Offenbarung der göttlichen
Vollkommenheit. Der Fehler der heidnischen Philosophie
besteht nach B. darin, daß sie das Geschöpf
ansieht, als ob es seinen Seinsgrund in sich hätte, statt
es als Zeichen Gottes aufzufassen. Demgegenüber erfaßt
B. das ganze Weltall von den tiefsten Stufen der
Natur an als Schatten, als Spur, als Bild oder als
Ebenbild Gottes: alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis
des Ewigen. Während Thomas alle Wege zum
Pantheismus verlegt und jede substantielle Seinsgemeinschaft
zwischen Gott und Geschöpf ausschließt, darum
stets auf die trennende Bedeutung der Analogie hinweist
und dem Geschöpf eine relative Substantialität zubilligt
, deckt Bonaventura überall Verwandtschaftsbeziehungen
auf, die das Geschöpf mit dem Schöpfer verbinden
, damit die Natur sich nicht selbst genüge und sich
nicht als Selbstzweck auffasse (S. 329 f.).

Während Gott aus dem Nichts erschafft, wirkt nach B. die Natur
nur aus einem in Möglichkeit Seienden; so enthält die Materie nach

B.s Lehre von Anfang an die Keime aller möglichen Formen in sich.
Auch die menschliche Seele ist (wie der Engel) aus Materie und Form
zusammengesetzt und daher Substanz. Nach Thomas dagegen ist die
vernünftige Seele eine Form ohne Materie und daher unvollendete Substanz
. — In der Erkenntnislehre hält B. die Mitte zwischen Empirismus
und Nativismus; für die sinnenfällige Welt gilt das empiristische
, aristotelische Prinzip, dagegen sind die obersten Prinzipien des
Erkennens im Geiste virtuell vorgebildet, d. h. der Verstand bildet sie
anläßlich seiner Berührung mit den Dingen. Während zur Erkenntnis
sinnenfälliger Dinge Vorstellungsbilder erforderlich sind, können die
unkörperlichen Gegenstände vom Intellekt direkt erfaßt werden. Das
eigentliche Objekt der Verstandeserkenntnis ist die Wahrheit. Sie ist
die Wesenheit eines vom Denken erfaßten und begriffenen Seins, Übereinstimmung
des Verstandes mit dem Gegenstand. Da die Waluheit
zwei Bedingungen hat: a) die Unwandelbarkeit des Gegenstandes, b) die
Unfehlbarkeit des erkennenden Verstandes, so ist, wofern man nicht auf
alle Sicherheit verzichten will, die Grundlage derselben in etwas anderem
als in dieser Welt zu suchen. Die Wahrheit muß also in den ewigen
Gründen geschaut werden, aber diese wirken nicht als Erkenntnisgegenstand
, sondern als normgebender Beweger der Erkenntnis. — Was die
voluntative Seite des menschl. Seelenlebens betrifft, so gründet B.
die (zum Wesen des Menschen gehörende) Willensfreiheit auf das Zusammenwirken
von Vernunft und Willen, sie besteht in der Herrschaft
der vernünftigen Seele über sich selbst. Obwohl frei, ist der Wille doch
göttlichen und menschlichen Einflüssen unterworfen, aber diese machen
ihn nur geneigt, sie nötigen ihn nicht. Die ungeschaffene Liebe, d. h.
Gott, ist das einzige Ziel in dem der menschliche Wille seine volle Befriedigung
findet. So wie die Richtigkeit des Erkennens in der Übereinstimmung
des Verstandes mit dem göttlichen Denken besteht, so besteht
die Richtigkeit des Willens in dessen Übereinstimmung mit der göttlichen
Vollkommenheit. Diese Übereinstimmung wird erreicht durch die Liebe.
Der erste Mensch besaß diese Übereinstimmung vor dem Fall, er strebte
allein nach Gott und nach den Dingen nur, soweit sie auf Gott hingeordnet
sind. Im Sündenfall (einem Akt der Neugier und des Stolzes)
wandte sich der erste Mensch vom Geistigen ab und kehrte sich dem
Sinnenfälligcn zu. Aus diesem Akt erklärt sich das ganze Elend des
Menschen von heute: er strebt nach dem (ihm nun einmal bekannten)
unendlichen Gut und kann es nicht erfassen. Unser ganzes Denken ist
von der Erbsünde verseucht und bedarf des jenseitigen Lichtes. Die
Gnade Gottes muß das durch die Sünde ausgelöschte Bild Gottes wiederherstellen
. Stufenweise steigt die Seele auf bis zur Ekstase, unter der
man sich die „Umarmung eines Gutes im Finstern" vorzustellen hat;
sie führt uns schon in diesem Leben bis an die Schwelle der Seligkeit,
obgleich das Ideal menschlichen Erkennens noch höher steht. Im Zustande
der Seligen schaut die Seele Gott so, wie er ist, und in ihm alle
endlichen Wesen.

In einem Schlußabschnitt spricht sich G. über den
Geist des Bonaventura aus, er erblickt seinen Grundgedanken
in der Erkenntnis, daß die christliche Seele nur
von Gott aus über die Dinge urteile. Wenn Philosophie
reine Vernunft ist, dann gibt es zwar eine Philosophie
des Thomas v. Aquino, nicht aber eine solche des Bonaventura
; während die thomistische Philosophie sich auf
die reine Vernunft gründet, gründet sich die des Bonaventura
auf einen Glaubensakt. B. ist „ein Verstand im
Dienste der Andacht".

Man mag in der Bewertung B.s und hier und da
auch in der Darstellung einzelner seiner Lehren anderer
Meinung sein als G., das Werk als ganzes gibt ein treffliches
Gesamtbild vom Leben und Denken dieses führenden
mittelalterlichen Mystikers und Philosophen.

Einige sprachliche Entgleisungen dürften in einer 2. Auflage beseitigt
werden, z. B. „Untereinanderabhängigkeit" (S. 505, Z. 8 v. u.) „Gleich-
gestaltigkeiten" (S. 309, Z. 12), „verwirklichbar" (S. 378, Z. 10), „Geeignetheit
" (S. 583, Z. 2), „Strengheiten" (S 95, Z. 10), „Verwahr" (s. 495,
Z. 12). — Von den wenigen Druckfehlern seien genannt: S. 364, Z. 9
u. Z. 20 lies Aufeinanderfolge, S. 391, Z. 5 v. n. lies Philosophen, S. 409
Z. 2 v. u. lies Philosophie, S. 445, Z. 11 v. u lies dem (statt den), S. 447,
Z. 15 lies das (statt daß), S. 602, Z. 13 lies sondern, S. 637, Z. 14 lies
natürlicherweise. S. 653, Z. 15 lies Umgestaltung.

Ludwigsburg. Walter Betzendörfer.

Gruss, M. Tabbe J.: Die Heiligen des Elsasses. Colmar:
Alsatia 1931. (I, 347 S. m. Abb.) gr. 8°. RM 6.50; geb. 8.50.
Der Verf. beschäftigt sich nicht allein mit den Heiligen, die durch

ihre Geburt oder hauptsächliche Wirksamkeit dem Elsaß angehören,
I sondern auch mit allen denen, die, wenn auch nur vorübergehend, mit

dem Elsaß in irgendeine Beziehung getreten sind. Auf diese Weise

kommt er zu der großen Zahl 44. Selbständige Forschungen liegen
! diesen 44 Lebensbeschreibungen, die mit zahlreichen Bildern geschmückt

sind, nicht zu Grunde. Was die früheren Arbeiten von Hunkler, Win-
; terer und Stabeil über dasselbe Thema gebracht haben, was sich in den