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Ausgabe:

1933 Nr. 17

Spalte:

303-305

Autor/Hrsg.:

McCasland, Selby Vernon

Titel/Untertitel:

The Resurrection of Jesus 1933

Rezensent:

Bertram, Georg

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303

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 17.

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meinerung einer Berufs- und Standes - Ethik, welche
hauptsächlich oder allein des Vorzugs einer schriftlichen
Aufzeichnung gewürdigt ist, während neben ihr und
gleichzeitig in breiten Massen ein urwüchsigeres Pflichtgefühl
gelebt haben kann, das doch auch immer wieder
in die verfeinerte Schicht hineinredet.

Daran schließt sich ein zweites, vielleicht mehr subjektives
, Bedenken. Erziehung im weiteren Sinne
gibt es überall, wo Menschen an anderen Menschen heranwachsen
. Unter Erziehungs w e s e n, von welchem literarische
Denkmäler zeugen, könnte man sich ein engeres
Gebiet vorstellen, die Pflege und Verbreitung einer
gehobenen Bildung durch für diesen Zweck betriebene
besondere Einrichtungen. In einzelnen Ständen gab es
solche frühzeitig, ja Hand in Hand mit der kulturellen
Blüte; für die Allgemeinheit besitzen sie höchstens eine
mittelbare Bedeutung. Schulwesen hätte das der, von
Dürr verwertete, Klostermann lieber nicht nennen sollen.
Auf derselben Linie liegt die nach wie vor unerweisliche
Annahme, die Synagoge habe sich organisch durch Palästina
und von da aus weiter verbreitet. Wahrscheinlicher
stammt sie aus dem Ghetto und der Diaspora,
wo sie von vornherein nötiger war. Richtig erblickt
S. 112 im bet-hamidras die Rabinerschule. Übersetzt
man das mit „Lehrhaus" S. 111, so ändert sich an der
Sache nichts. Natürlich ließ sich der Zulauf nicht streng
ständisch beschränken und es war nur eine Frage der
Zeit und örtlicher Umstände, daß sich die Glaubensgenossen
an eine Verlegung ihres regelmäßigen Gottesdienstes
von dem Betplatze unter freiem Himmel in das
Gebäude gewöhnten. Doch entwickelte sich auf diesem
Wege das Lehrhaus zum Bethause und dadurch vervielfältigte
sich das Gebäude nach und nach über die ganze
Judenschaft; die umgekehrte, aber herrschende, Annahme
, der auch Dürr folgt, übersieht zum Nachteile des
Entwicklungsbildes den Gottesdienst des Privathauses
und namentlich den an die Wasserstelle gebundenen
Betplatz. Mag nach B. baba batra 21 A der Hohepriester
für jede Niederlassung eine Schule gefordert haben, so
pflichtete er eben einer pharisäischen Theorie bei. Zur
Durchführung fehlte die Zeit und noch Entscheidenderes.
— Trotzdem nehme man das Buch, wie es ist, und begrüße
es als ausgezeichnete Leistung auf dem Gebiete
der Geschichte der Ethik.
Kiel. Wilhelm Caspari.

McCasland, Prof. Selby Vernon, Ph. D.: The Resurrection of
Jesus. A new study of the belief that Jesus rose from the dead,
of its function as the early Christian cult story, and of the origin of
the Gospel Literature. New York: Thomas Nelson and Sons 1932.
(219 S.) 8°. $ 2—.

Der Verf. der vorliegenden Arbeit setzt das moderne
wissenschaftliche Weltbild voraus und fragt von da aus,
wie es zu dem Glauben an die Auferstehung Jesu gekommen
ist, welche Bedeutung er im Urchristentum gehabt
hat und wie die in den Evangelien enthaltene
Überlieferung an Geschichten vom Auferstandenen sich
gebildet hat. Dabei geht der Verfasser von der grundlegenden
Erkenntnis der formgeschichtlichen Methode
aus, daß die Leidensgeschichte, die ihre Kraft und Bedeutung
erst durch die Auferstehung empfängt, die
Kultgeschichte des entstehenden Christentums gewesen
ist. Sie war Ausgangspunkt und Hauptinhalt der christlichen
Predigt nach dem übereinstimmenden Zeugnis
der neutestamentlichen Überlieferung. Das beweist auch
die Stellung der Erzählung von der Einsetzung des
Abendmahls im Mittelpunkt der Leidensgeschichte bei
den Synoptikern, die Wertung von Abendmahl und Taufe
im Urchristentum und die weitverbreitete symbolische
Deutung der Schlachtung des Paschalammes auf den
Opfertod Christi. Von I. Kor. 5, 7 ist die synoptische
Abendmahlsgeschichte zu verstehen, aber auch die nach
Meinung des Verf. historisch richtigere johanneische
Ansetzung des Todes Jesu auf den 14. Nisan gewinnt
von hier aus symbolischen Sinn.

Die Frage, wie es zu dieser Wertung der Leidensge- |

schichte im Urchristentum gekommen ist, wird beantwortet
mit Hinweisen 1) auf die religionsgeschichtlichen
Analogien in Judentum und Heidentum, namentlich in
den Mysterienkulten, 2) aber auf die mannigfachen
Möglichkeiten symbolkräftiger Deutung des Cnristus-
schicksals, sei es im Zusammenhang mit der urchristlichen
Märtyrerfrömmigkeit oder von ethischen oder
kultischen Gesichtspunkten aus.

Den Glauben an die leibliche Auferstehung lehnt
der Verf. nicht mit apriorischen Gründen ab; er weist
vielmehr auf die Unsicherheit der Überlieferung hin, die
schon mit der Unfähigkeit der Zeugen, gesicherte Beobachtungen
im Sinne moderner Wissenschaft zu machen
, gegeben ist. So bleibt gegenüber den Legenden
vom leeren Grab die Visionshypothese, die sich auf das
wcpö-n in Lk. 24,34 (dieser Vers ist dem Werk als Motto
vorangestellt) und in I. Kor. 15 und auf die Analogie
des Pauluserlebnisses bei Damaskus stützt. Die erste
Vision war die des Petrus; sie hat nicht in Jerusalem
sondern in Galilaea und nicht am Sonntag nach dem
Tode sondern erst etwa 8 Tage später stattgefunden.
Die Vision als solche kann wissenschaftlich nur als
Phänomen des Unterbewußtseins verstanden werden. Die
Voraussetzungen dafür sind im Wesen des Petrus, seinem
Erleben und seinem Glauben an Jesus und in der
Weltanschauung seiner Zeit, die auch die seine war, festzustellen
. Die Visionen des Petrus und der anderen weisen
dabei keineswegs auf irgendeine krankhafte Veranlagung
hin, sie sind vielmehr gewissermaßen als Selbsthilfe
der Natur gegen die physisch und1 psychisch niederdrückende
Trauer beim Tode Jesu zu verstehen, eine
Erklärung, mit der das letzte Geheimnis irrationalen
Geschehens durchaus gewahrt bleiben soll. Die Wissenschaft
muß hier ihre Grenzen sehen und anerkennen.

Die theologische Bedeutung der Visionen des Petrus
und seiner Mitjünger zeigt sich in der Entstehung und
Entfaltung des messianischen Glaubens und der Christo-
logie. Jesus selbst hat zwar wohl das Kommen des
apokalyptischen Messias verkündet, ob er sich aber
selbst dafür gehalten hat, bleibt zweifelhaft. Erst die
Gemeinde hat die Vorstellungen vom apokalyptischen
Messias und vom Davidsohn ausgeprägt und auf Grund
der Schrift die Predigt vom leidenden Messias neu hinzugefügt
. Bei den Heidenchristen haben sich dann vielleicht
schon auf dem Boden Palästinas, das ja dem
Hellenismus mit seinen kultischen und mystischen Glaubensformen
keineswegs verschlossen war, Kyriosglaube
und Logoschristologie mit ihren mystischen und sakramentalen
Konsequenzen angeschlossen. Sind diese chri-
stologischen Vorstellungen aus den Visionserfahrungen
geflossen, so haben sie auch ihrerseits die Formulierung
des Glaubens an den Auferstandenen in den Visionst-
erzählungen beeinflußt. Erst so entstehen bestimmtere
Anschauungen von den Vorgängen bei der Auferstehung,
von der Hadesfahrt und der Himmelfahrt, die alle ihre
religionsgeschichtlichen Analogien in der jüdischen und
hellenistischen Umwelt haben. Mit der Himmelfahrt und
Inthronisation zur Rechten Gottes hängen wiederum der
Glaube an die Gegenwart des erhöhten Herrn in der
Gemeinde seiner Jünger (vgl. das Pfingstereignis) und
die Erwartung seiner Wiederkunft am Ende der Tage
zusammen. Die Festlegung des Sonntags als des Auferstehungstages
mit Hilfe der mannigfach formulierten
und berechneten Dreizahl der Tage bis zur Auferstehung
ist nicht ursprünglich. Die Dreizahl wird sich weder
aus der Jonageschichte noch aus Hos. 6,1—3 herleiten
lassen; sie wird vielmehr wohl mit der populären Anschauung
, daß die Seele eines Verstorbenen noch drei
Tage in der Nähe des Leichnams weilt, zusammenhängen
. Die achttägige Herrentagsbegehung versteht sich
von kultischen Voraussetzungen aus. Vom jüdischen
Sabbat abgesehen bietet der ,Sonntags'-Kult bei den
Mandäern und der dies solis im Mithraskult die nächste
Analogie. Auch die neßaccrfi, die Monatsfeier des Kaiserkults
in Kleinasien, ist mit der xvoio»«'] zu vergleichen.