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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

289-290

Autor/Hrsg.:

Frick, Heinrich

Titel/Untertitel:

Ideogramm, Mythologie und das Wort 1933

Rezensent:

Wehrung, Georg

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289

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 15/16.

290

wegung sich auch erst einmal erschöpfen müssen, ehe
man wieder nüchtern werden wird1.

Vom Verhältnis partikularer und ökumenischer Motive
in der protestantischen Bekenntnisbildung handelt j
Maurer. Zuerst verfolgt er die äußere Entwicklung
und zeigt, wie dabei politisch rechtliche und religiöse
Gesichtspunkte ineinander greifen, alles in guter summarischer
Zusammenfassung. Sodann arbeitet er die
Stellung Luthers, Melanchthons, Bucers zur Bekenntnis- |
frage heraus. Auf diesem Teil liegt schon für den Verf. i
der Accent, wie er in der Tat am meisten interessiert
und durchaus unsern Dank verdient. Deutlich treten in
den drei reformatorischen Gestalten eigene Typen heraus
: Luther, für den das Bekenntnis immer persönliche
Tat einzelner oder vieler ist, nicht einfach Bekenntnis
der „Kirche" im Sinne der Orthodoxie des 19. Jahrhunderts
, und gleichwie im Urchristentum ohne jede Verquickung
mit politisch-rechtlichen Maßstäben. Melanch-
thon, für den gemäß seiner humanistischen Bildung die
altkirchliche Tradition größere Bedeutung hat, für den
das Bekenntnis auch schon rechtliche Angelegenheit wird.
Bucer endlich mit seiner Wertschätzung der altkirchr
lichen Väter und zugleich der Lebensordnung der urchristlichen
Gemeinden, von dessen politisch-rechtlichem
Einheitsideal der Bekenntnisgedanke entscheidend das
Gepräge erhält. Diese Herausarbeitung zugleich persönlicher
und typischer Unterschiede wird auch der Kenner
mit Freude lesen.
Tübingen. Q. Wehrung.

Frlck, Heinrich: Ideogramm, Mythologie und das Wort.
Siegfried, Theodor: Kant und Schleiermacher. Mit einem
Bilde R. Ottos u. einem Vorwort: „Rudolf Otto u. das Heilige".
Gotha:L. Klotz 1931. (VII, 44 S.) gr. 8°. = Marburger Theol. Studien,
hrsg. v. H. Frick. Rudolf Otto-Festgruß. 3. H.: Zur systematischen
Theologie. RM 2.40.

Nach einem Vorwort, worin Frick zwei Selbstzeugnisse
Ottos zur Entstehungsgeschichte der Idee des
Heil igen mitteilt, unternimmt es derselbe Verfasser, mit
besonderer Beziehung auf Ottos Verwendung des Terminus
Ideogramm und Brunners Rede von einer christlichen
Mythologie die Schranke des religiösen Symbolgedankens
vom theologischen Verständnis des Wortes
Gottes her zu beleuchten. Das Anliegen Ottos, die bildhafte
Sprache vom Gegenstand her zu regeln, kommt
zu Ehren; auch Brunners Bemühen, das Ernstnehmen
der Zeit in der Offenbarungsreligion theologisch zur
Geltung zu bringen, wird gewürdigt, zugleich freilich
die Unzulänglichkeit der hierzu eingeführten Denkkategorien
der Einmaligkeit und des Inkognito aufgedeckt,
— darüber hinaus wird stark und schön betont, daß
Gott im Wort nicht bloß mythisch oder uneigentlich,
sondern wirklich und eigentlich spricht und verstanden
sein will, daß Offenbarung uns überhaupt erst die Wirklichkeit
der Zeit erschließt. Die Erörterung scheint auf
eine Entgegensetzung hinauslaufen zu wollen, doch vernehmen
wir, daß lediglich eine „dritte Intention" des
Wortes (die der ansprechenden Selbstmitteilung), eine
zugleich umfassende Überbietung der beiden anderen geboten
werden soll: das wird wohl zutreffen, doch sähe
sich der Leser in diesem Punkt von der anregenden Abhandlung
gern noch etwas weiter zur Klarheit geführt.
Aber es sollte nur ein Problemkreis umrissen und auf
seine Dringlichkeit hingewiesen werden.

Siegfried bietet einen wertvollen Versuch, in knappen
Strichen den Zusammenhang des Schleiermacher-
schen Universalismus mit dem Kantischen Kritizismus
zu beleuchten. Es geschieht nach drei Seiten: in Bezug
auf den Geltungswert der religiösen Sphäre, der auch
gegen den Kantischen Moralismus aufgedeckt wird; in
Bezug auf die so sich ausweitende Wirklichkeitsperspektive
, die in allem das Sein dem Sollen voranstellt und
das christliche Pneuma auf die Durchformung der gesamten
Vernunfttätigkeit gerichtet zeigt; endlich in Bezug
auf das christologische Problem, wo Schleiermacher
sich zu einem dynamischen kollektivistischen Realismus i

erhebt. Verf. bemüht sich dabei, was in Schleiermachers
Denken gewissermaßen als „Tendenz", als ahnungsvolle
Intention und Intuition wirksam ist, herauszuarbeiten
und so gewissermaßen die letzte Wahrheit seiner
Theologie zu ergreifen. Es ist eine feinsinnige Interpretation
in bonam partem, die wohl wissenschaftlicher und
gewiß auch christlicher ist, als die heute nicht seltenen
Auslegungen in malam partem, die schon rein historischtheologisch
große Rätsel zurücklassen. Es handelt sich
in der Tat Kant gegenüber um einen neuen Realismus,
dessen Begründung im einzelnen wohl unsicher und
künstlich ist, dessen Anliegen uns jedoch alle angeht.
Mit der Absicht des gelehrten Verfassers kann ich einig
gehen; nur suche ich mir auch die Grenzen des Schleier-
macherschen Denkens genauer zu verdeutlichen.
Tübingen. G. Wehrung.

Zinn, Elisabeth: Die Theologie des Friedrich Christoph Oetinger.

Gütersloh: C. Bertelsmann 1932. (191 S.) 8°. = Beiträge z. Förderung
christl. Theologie. Hrsg. v. A. Schlatter u. W. Lütgert, 36. Bd.
3. H. RM 5—.

Wer in der neueren Literatur (seit 1859) bisher
vergeblich nach einer eigenen Darstellung der Theologie
Oetingers gesucht hat, wird mit Freuden zu
dieser greifen. Ihr Mittelpunkt ist die „Idea Vitae",
die (I. Teil) „in der Auseinandersetzung mit der
Leibnizischen Philosophie" und (II. Teil) „in der
Verwertung in der theologischen Arbeit" Oetingers
entwickelt wird (Offenbarung in der Schrift, in Geschichte
und Natur und Gotteslehre). Die Quellenschriften
kommen in ausführlichen Zitaten zu Wort.
Dabei werden überall die geistes- und dogmengeschichtlichen
Beziehungen sichtbar: der Einfluß Luthers (besonders
im Kirchen- und Sakramentsbegriff), Bengels
(in der Schriftphilosophie), Newtons (in der Naturbetrachtung
), Böhmes und der Kabbala (in der Gotteslehre
). Aber entscheidend bleibt auch in den Abhängigkeiten
der Eindruck der Originalität; man lernt den theologischen
Denker kennen, und darin liegt der systematische
Ertrag dieser Lektüre. Zu den Andeutungen, die
in unmittelbarer Richtung auf — und gegen — heutige
Theologoumena weiterzuführen wären, gehört vorab das
Leitmotiv der Schriftphilosophie: „die Heilige Schrift
kann ohne heilige Philosophie nicht sein" (S. 94); der
Wille zur spekulativen Theologie, der trotz der spirituali-
stischen Abwege (vgl. die Zusammenfassung „Oetingers
Verhältnis zur Kirchenlehre", S. 130 ff.) doch die
Nähe der Lutherischen Tradition nicht verleugnet; die
Einsicht in das Problem der theologischen Sprache (da
„die Begriffe der neuen Philosophie der Heiligen Schrift
sehr entgegen sind", S. 95) und der Ansatz zu einer
neuen Terminologie („medizinalische" statt „forensischer
" Rechtfertigungslehre, S. 140 ff.); die Prägnanz
der Charakteristik, z.B. des Pietismus (S. 85.161). Aber
das alles muß im Zusammenhang nachgelesen werden.

Als kritische Einzelheit sei nur noch angemerkt, daß die Theorie
Stanges über Luthers Stellung zur Unsterblichkeit nicht so stillschweigend
zu übernehmen ist, wie es nach S. 122 scheinen könnte; sie wird m. E.
auch durch das dort angeführte Zitat noch nicht bewiesen.

Berlin-Zehlendorf. Franz Hildebrandt.

Lagrange, M.-J.: M. Loisy et le modernlsme. Juvisy (Seine-
et-Oise): Les Editions du Cerf. O. J. [1932]. (252 S.). 8°. Fr. 15-.
Dieses aufschlußreiche Buch gibt sich als fortlaufende
Auseinandersetzung mit Loisy's Memoires, über
die ich in Nr. 2 dieses Jahres ausführlich berichtet habe.
Seine Berechtigung, sich zum Wort zu melden, leitet
Lagrange in erster Linie davon ab, daß er, 1855 geboren
, zwei Jahre älter als Loisy, einer der letzten noch
lebenden Zeugen jener Zeit sei, die Loisy selbst einmal
als „une epoque antediluvienne" bezeichnet habe. L.
weiß, daß „de notre temps, les jeunes gens se desinte-
ressent absolument de ces choses passees" (tout comme
chez nous möchte man hinzufügen), aber er meint doch
mit Recht: „toute histoire a son interet, und erweist uns
einen großen Dienst, wenn er Loisys Darstellung und