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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

9-10

Autor/Hrsg.:

Staritz, Katharina

Titel/Untertitel:

Augustins Schöpfungsglaube, dargestellt nach seinen Genesisauslegungen 1933

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 1.

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der beiden Fragen des Verf. noch deutlicher werden;
denn seine Bedeutung hat das Gebet nur in und mit
seinem bestimmenden Inhalt, als Vergegenwärtigung Got- j
tes und seiner Verheißung, der schon erfüllten und der
' noch zu erfüllenden. Es fehlt gewiß nicht an mancherlei
bedeutsamen Ansätzen: „Gott ganz nahe gerückt", so
„das gesamte Tun und Lassen des Menschen ewigkeits-
bezogen" (162), das Gebet „ein spontaner und natürlicher
Ausdruck des neuen Verhältnisses des Menschen
zu Gott" (142), mit seiner Erhörungsgewißheit nicht
denkbar „ohne die starke Konzentration auf das Ende"
,(71). Aber solche Ansätze sind nicht einheitlich durchgeführt
.

Es ist verwunderlich, daß der Verf. ganz vorübergeht an dem Bemühen
, die „eschatologische Mystik" des Urchristentums als solche zu
verstehen, d. h. an den Arbeiten von Deißmann, von Alb. Schweitzer,
von O. Schmitz, dem Herausgeber die Forschungen, so gut wie an
meinen Arbeiten. Er würde hier nicht bloß jenen Tatbestand, der das
Gebet bestimmt, sondern gerade auch, seinem Thema entsprechend, das
Gebet als Zeugnis dieses Tatbestandes gewürdigt finden (vgl. nur meine
„Eschatologie und Mystik im N.T." S. 120 ff., 213 f., 225, dazu auch
etwa Fr. Büchsei, „Der Geist Gottes im N.T." 1926 S. 318ff. u.a.).
Sollte hier wieder einmal die Scheu vor dem Wort „Mystik" eine
Hemmung gewesen sein ? ? Auffallend ist auch das Vorübergehen an
Ad. Schlatter (vgl. nur Geschichte des Christus S. 249ff. „Der Beter")!
Bonn. H.E.Weber.

Staritz, Katharina: Augustins Schöpfungsglaube, dargestellt
nach seinen Genesisauslegungen. Breslau: W. G. Korn 1931. (161 S.)
gr. 8°. RM 5 —.

Das Buch besteht aus drei Teilen. Der erste legt die
Voraussetzungen für A.s Schöpfungsglauben dar, zunächst
die Kosmologie und den Schöpfungsglauben vor
A., nämlich bei den griechischen und lateinischen Philosophen
, bei Philo, den voraugustinischen christlichen
Theologen und den Manichäern — in aller Kürze natürlich
aber klar und instruktiv und auf Grund eigenen
Quellenstudiums —, sodann A.s Stellung zu Kirche,
Schrift und profaner Wissenschaft. Hier wird einleuchtend
gezeigt, wie A.s Ja zur Autorität der beiden ersten
notwendig gebrochen ist und sein Nein zur letzteren
doch nur bedingungsweise gilt.

Der zweite zentrale Teil stellt sodann, vornehmlich
im Anschluß an A.s Genesisauslegungen, doch unter i
ausgiebiger Verwertung auch der übrigen einschlägigen
Schriften, A.s Schöpfungsglauben dar. Die Schilderung
ist eingehend, sorgfältig und gut lesbar, doch kann man
nicht sagen, daß viel Neues aus den freilich schon oft
durchstudierten Schriften des großen Kirchenvaters herausgeholt
wäre. Nicht so sehr der historische Spürsinn
der Verfasserin wie ihre bemerkenswerte Gabe, das
Ganze der bezüglichen Gedanken A.s in seiner Einheit
und seinen polaren Spannungen und damit in seinem
eigentümlichen Leben systematisch aufzufassen und zu
durchleuchten, verdient Anerkennung. Sie unterscheidet
die ontoiogischen (vorwiegend philosophischen) von den
ethisch-dynamischen (vorwiegend christlichen) Momenten
in A.s Schöpfungsglauben und zeigt, daß auf jeder der
beiden Seiten sowohl von einer Gemeinschaft wie einer
Trennung von Gott und Welt geredet werden muß und
tatsächlich von A. geredet wird. Sie betont wiederholt,
daß die Isolierung der verschiedenen Fäden, die bei
A. aufs innigste mit einander verflochten sind, nur zum
Zweck der notgedrungen vom einen zum andern fortschreitenden
Darstellung geschieht. Der ihre Ausführungen
beherrschende Leitgedanke ist, daß bei voller Ver-
christlichung der Theologie A.s wohl die philosophische
Ontotogie zurückgedrängt (oder gar beseitigt?), nicht
jedoch die Polarität der Beziehungen Gottes zur Welt
alteriert werden könnte.

Aufs Ganze gesehen kann ich der fleißigen und umsichtigen Verfasserin
zustimmen, doch möchte ich weniger von historischem als systematischem
Gesichtspunkt aus zweierlei bemerken. Mir scheint, eine Darlegjung
des von A. so eindringend behandelten Problems Schöpfung u.
Zeit hätte noch gewonnen, wenn Verf. die beiden verschiedenen Begriffe
der Ewigkeit als Zeitlosigkeit und endlos ausgedehnter Zeit schärfer von
einander abgehoben hätte, woraus sich ergeben haben würde, was A.

nicht sah, daß die Welt unbeschadet des Schöpfungsglaubens sehr wohl
als anfangs- und endlos gelten könnte. Die zweite Bemerkung betrifft
den augustinischen Begriff des nihil, in dem St. mit Dorner, Harnack
und andern protestantischen Augustinforschern eine eigentümliche Zweideutigkeit
findet, entsprechend dem Platonischen, im Lateinischen unübersetzbaren
ovx öv und pü, öv. Ich bin nicht überzeugt, daß in
diesem nihil bisweilen das manichäische böse Prinzip versteckt nachwirken
soll, was ja A. selbst in seiner Polemik gegen Julian aufs bestimmteste
abgestritten hat. Creatio de nihilo ist nichts weiter als die
notwendige Entfaltung des Begriffs creatio, und zum Begriff der zeitlichen
Kreatur gehört doch auch, daß sie veränderlich und vergänglich
ist. Einer metaphysischen Depotenzierung des Geschaffenen durch jenes
zweideutige Nichts bedarf es dabei nicht. Daß aber vollends die Sünde
den von A. so kräftig angestrebten Monismus bricht, erklärt ja die Verfasserin
selbst für sachlich notwendig und nicht für verkappten Mani-
chäismus. Eher noch als im nihil würde ich im liberum arbitrium das
böse Prinzip suchen, aber dafür wäre der in A.s Erbsündenlehre und
Sexualethik ja sicher noch fortspukende Manichäismus erst recht nicht
verantwortlich zu machen.

Gern hätte ich den dritten Teil, „die Entwicklung in
Augustins Schöpfungsglauben" ausführlicher gesehen.
Hier wird kurz gezeigt, daß die späteren Darlegungen
A.s mehr als die früheren die Trinitätslehre in die Darstellung
der Schöpfung einbauen. Dagegen fehlt der weit
wichtigeren These, daß die ontologische Betrachtungsweise
zu Gunsten der ethisch-dynamischen im Laufe der
Zeit zurücktrete und so der aus systematischen Gründen
gewählte Aufbau auch die geschichtliche Entwicklung
A.s widerspiegele, die nötige Begründung.

Iburg.__W. T h i m m e.

Acta conciliorum oecumenicorum. Jussu atque mandato Societatis
scientiarum argentoratensis. Edidit Eduardus Schwartz. Tomus
alter, Vol. alterum, pars prior. Concilium universale chalcedonense.
Ed. Eduardus Schwartz. Vol. alterum: Versiones partictilares. Pars
prior: Collectio novariensis de re Eutychis. Berlin: W. de Gruyter
& Co. 1932. (XIII, 92 S.) Lex. 8°. RM 26.10.

Vol. II des die Akten des Konzils von Chalcedon
umfassenden tom. II der Schwartz'schen Konzilsammlung
ist für „Versiones particulares" bestimmt, und der
vorliegende erste Teil bringt eine Sammlung, die vollständig
nur in einer Handschrift der Kapitelsbibliothek
der Kirche von Novara aus dem 10. Jahrhundert enthalten
ist, während einzelne Stücke davon sich in einer
Masse von Sammlungen und Handschriften vorfinden.
Die Sammlung betrifft den Fall Eutyches und enthält
folgende Stücke in lateinischer Übersetzung: die Akten
der Synode von Konstantinopel v. J. 448, auf der Eutyches
von Flavian verurteilt und abgesetzt wurde; die
Akten der Synode von Ephesus v. J. 449 (der sog.
Räubersynode), die unter dem Vorsitz Dioskurs von
Alexandrien den Eutyches wieder einsetzte und den
Flavian verurteilte; das Berufungsschreiben des Bischofs
Eusebius von Dorylaeum an Papst Leo L, das
Berufungsschreiben des Eutyches mit dem der Synode
von Konstantinopel vorgelegten Schriftsatz, den Aufruf
an das Volk von Konstantinopel und einer Zusammenstellung
von Väterzeugnissen als Beilagen; den Bericht
Flavians an Leo, einen zweiten Brief an Leo und
das Berufungsschreiben an den Papst; dazu den tomus
Leos, das berühmte Lehrschreiben an Flavian.

Veranstaltet wurde die Übersetzung und Sammlung
im Frühjahr 450, noch vor dem Tode des Kaisers
Theodosius II. (Juli 450) und vor dem Tode Flavians
(April oder Mai 450), und zwar von Leo I. Zunächst
hatte dieser nur die Rechtfertigungsschrift des Eutyches
durch einen vornehmen Römer ins Lateinische übersetzen
lassen. Nach dem Konzil von Ephesus aber, auf dem
Dioscur den Lehrbrief Leos gar nicht hatte verlesen
lassen, mußte der Papst sich aufs Kampffeld begeben,
und zu diesem Zweck ließ er die einschlägigen Akten
und Briefe an ihn übersetzen, um sie der Kirche Roms
und des Abendlands bekannt zu geben. Nicht übersetzt
wurde aus den Konstantinopler Akten die ganze zweite
Verhandlung und der erste Teil der dritten. Das ist
sehr bezeichnend und zeigt gerade, daß niemand anderes
als Leo selbst die Sammlung veranlaßt hat. Denn in
jener zweiten Verhandlung legten Flavian und die übri-