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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

271-275

Autor/Hrsg.:

Hertzberg, Hans Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Prediger (Qohelet) übersetzt und erklärt 1933

Rezensent:

Galling, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 15/16.

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fühle und Gedanken späterer Zeit in die mosaische
Periode verlegt zu sein. Man wird den Sabbat entweder
nach obigen Stellen als einen mit Opfer und Kult verbundenen
Festtag neben anderen Festtagen nehmen müssen,
dann dürfte man nur die Worte halten: Du sollst den
Sabbat heiligen — aber dann versteht man nicht, daß
dieser Tag allein herausgegriffen wurde —, oder man
sieht die Ruhe, das Feiern von der Arbeit, als das Wesentliche
an — ja dann legt sich eben die exilische Zeit
für Entstehung dieses Gebotes nahe.

Auch bei den weiteren Erörterungen wird das Urteil
wesentlich bestimmt von der Annahme der mosaischen
Herkunft des Dekalogs. Wer sich zu dieser nicht entschließen
kann, wird vielfach abweichen, wird als Folge
einer von Mose anhebenden Entwicklung nehmen, was
nach Volz schon am Anfang der Religion Israels steht.
Trotzdem wird auch er oft mit Genuß, ja auch mit Zustimmung
die feinen und frommen Bemerkungen und
Ausführungen lesen und beherzigen (so z. B. auch die
Zurückweisung einer „uralten", am Ende gar von Mose
übernommenen Eschatologie S. 97 f.). Anderseits muß
man Vieles mit Fragezeichen versehn. Kann man trotz
Gen. 20,12; 2. Sam. 13,13) mit Recht sagen, daß die
Geschwisterehe in Altisrael verboten war? Ist es
richtig, daß auch Altisrael Jahwe der allwissende
war, wo er sich doch genauer über das Vorhaben der
Stadt und Turm bauenden Menschen, über die sittlichen
oder unsittlichen Verhältnisse in Sodom durch Augenschein
unterrichten will (Gen. 11,1 ff.; 18, 20ff. gegen
S. 109)?

Kann man wirklich die Heiligkeit der Lade aus der
Heiligkeit des in ihr angeblich niedergelegten Dekalogs
genügend erklären? (S. 99ff.). Ist in ihr und mit ihr
nicht geradezu die Gegenwart Jahwes selbst, nicht bloß
seiner Gesetze gegeben? Darauf weisen doch die Sprüche
an den Jahwe der Lade (Num. 10, 35 f.), die Erzählung
von der Lade im Philisterland (1. Sam. 4—6), im
Ammoniter-Kriege des David (2. Sam. 11,11), bei dem
versuchten Auszuge zum Heere des flüchtigen David
(2. Sam. 15,24 ff.) u. s. w. Ist es so sicher, daß die
Kanaaniter die Beschneidung nicht hatten? (S. 107).
Von den Phönikern, die doch zu ihnen rechnen, hören
wir das Gegenteil (Herod II, 104). Daß die Philister
unbeschnitten waren, sagt das A. T. selbst. Aber sie gehörten
ja einer ganz anderen Völkergruppe an! — Ich
könnte so mit Fragen fortfahren. Aber das genüge zum
Beweis dafür, wie die Schrift von Volz — sei es auch
durch Herausforderung des Widerspruches — außerordentlich
anregend wirkt. — Man wird es mit ihm betonen
, daß Mose zu den ganz Großen in der Weltgeschichte
gehört, und daß auch unsere christliche Religion
auf dem von Mose gelegten Grunde erbaut ist, so
daß „wer das alte Testament ablehnt, auch das Neue
Testament ablehnen muß".
Bonn. J. Mein hold.

Hertzberg, Prof. Lic. H. W.: Der Prediger (Qohelet) übersetzt
u. erklärt. Leipzig: A. Deichert 1932. (XII, 196 S.) gr. 8°. = Kommentar
z. A. T. u. Mitwirke, a. hrsg. v. E. Sellin, Bd. XVI, 4.

RM 8—; geb. 10—.

Die Anzeige eines Kommentars kann ohne die raumsprengende
Diskussion über Einzelexegesen sich nur auf
grundsätzliche Fragen beschränken. Es ist dem Rezensenten
besonders angenehm, daß er in einem kritischen
Referat über die Q-(= Qohelet) Forschung in der „Theologischen
Rundschau" noch einmal und ausführlicher
auf den neu erschienenen Kommentar von H. wird eingehen
können. Zum Kommentar von 133 S. tritt eine
Einleitung (Allgemeiner Teil) von 50 S. Die verhältnismäßig
starke Ausdehnung der Einleitung ist von den
Problemen der Q-Forschung wohl verständlich, denn
in dem literarischen (a), historischen (b) und theologischen
(c) Gesamtverständnis dieses Buches ist die Forschung
weit stärker auseinandergegangen als in der Einzelexegese
.

a) Die Frage nach „Aufbau und Einheitlichkeit
" und dem „Verhältnis zur außerhebräischen Literatur
" ist in den neueren Arbeiten von Thilo, Humbert
, Ranston, Pedersen, sowie den mit dem
Kommentar gleichzeitig erschienenen Q-Studien des Rezensenten
(ZAW 1932) in den Vordergrund getreten.
H. lehnt mit Recht, wenn auch nicht ganz konsequent,
die These Thilos ab, daß sich im ganzen Buch ein
Gedankenfortschritt finden lasse. Für die einzelnen Abschnitte
— er unterscheidet 12, die sich ungefähr mit
den Kapiteln decken — ist H. jedoch ein Gedankenfortschritt
sicher, „manchmal allerdings nur so, daß ein
Oberabschnitt dem Ganzen den Einschlag gibt" (S. 14).
Im Buche findet H. eine „Einheitlichkeit des Gedanken-
gefüges" worunter er zugleich ein Formalprinzip versteht
. Andererseits gilt H. das Buch als ein Erzeugnis
der Weisheitsliteratur (S. 32), und so
wäre, da deren Gattung zweifellos die einzelne
Sentenz ist, zu fragen, an welcher Stelle im Schaffensprozeß
des Dichters die ja irgendwie gegebene „Ordnung
" anzusetzen ist, m. a. W., ob man berechtigt ist,
die Formung eines Spruches beispielsweise in Kap. 3
(Abschnitt III) zu erklären von einer jetzt (!) in Kap. 2
erhaltenen Sentenz. Dies vollzieht H. im herangezogenen
Beispiel (S. 86). Dann aber erscheinen die Abschnitte
primär auf einander bezogen. Dichtung und Komposition
gehen in eins. M. E. darf diese Anschauung
nicht einmal für einen „Abschnitt" angewandt
werden. So kann H. die Sentenzen 3, 16 ff.; 4, lff.; 4,
4 ff.; 4, 7 ff. und 4, 13 ff., die jeweils eine ganz bestimmte
Zuspitzung haben, mit 3,1—15 („Alles hat seine
Zeit") nur in ganz allgemeiner Tendenz verbinden: „Zusammengehalten
werden sie durch die Absicht, die Relativität
des Irdischen auf verschiedenen Gebieten des Lebens
zu zeigen. So steht auch hinter ihnen die Grunderkenntnis
Q's von der ... Gebundenheit des Menschen
..., und das ist der Grund, warum diese Gedanken hier
als „Auswirkungen" von 3, lff. aufgefaßt... und als
zum III. Hauptteil zugehörig betrachtet worden sind"
(S. 90). Von der Relativität des Irdischen handelt aber
schließlich das ganze „Buch"! Des Hypothetischen der
Zuweisung ist sich H. offenbar selbst bewußt gewesen,
ein Verzicht auf die Zurechnung von 3, 16—4, 16 zu
3, lff. hätte die literarische Gattung des „Abschnittes"
zweifelhaft gemacht, und im „Aphorismus" (E d. M e y e r,
W. Staerk) den Kern des „Buches" erkennen lassen.
Niemand wird im jetzigen „Buch" ein sinnloses Konglomerat
von Aphorismen sehen, aber man muß die Anordnung
dem Herausgeber Q., nicht dem Dichter Q. zuweisen
. M. a. W. man muß sich des sekundären
Stadiums, in dem die Anschauungen Q.'s in der Form
dieses Buches vorliegen, stets bewußt bleiben. — Die
Frage nach den Beziehungen zur außerhebräi-
schen Literatur wird bei H. dilatorisch behandelt.
Zu Anfang heißt es: „Das Bisherige hat gezeigt, daß
das Buch Q. sich lediglich aus den Voraussetzungen
des A.T. verstehen läßt... Es ist nirgendwo eine Lücke,
die die Einfuhr fremden Geistes notwendig machte. Davon
ist auszugehen, wenn wir uns nun der Frage zuwenden
, wie es mit den vermeintlichen griech.
Einflüssen steht" (S. 47). So würde man erwarten, daß
H. die früher beliebte These von der Auseinandersetzung
mit der griech. Philosophie, wie etwa W. Swart,
De Invloed van den Griekschen Geest op de boeken
Spreuken, Prediker, Job (Groningen, 1908), a limine
abweist. Aber weit gefehlt! „Wenn das Zeitalter hellenistisch
war, so war es zugleich von der griech. Philosophie
durchtränkt. Und auch Q. ist ja, unbeschadet
seiner Eigenart, ein Exponent seiner Zeit" (S. 50). Und
für Theognis, dessen Spruchsammlung Ranston geradezu
als Quelle ansieht, ist H. trotz großer (m. E.
noch stärker zu unterstreichender) Bedenken, bereit,
„mindestens eine mittelbare Kenntnis" anzusetzen. Was
die Beziehungen zu Aegypten angeht — Babylonien
wird mit Recht distanziert — hat H. einige zu beanstan-